Bis 2031 wollte die Bundesregierung den Standort für ein Atommüll-Endlager festlegen. Dass das nicht klappt, war schon länger klar. Doch ein neues Gutachten zeigt: Es könnte noch viel später werden. Experten sind besorgt.
43 Jahre Verzögerung. So kann man zusammenfassen, was in einem Gutachten steht, das das Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) nun veröffentlicht hat. Es geht um die Frage, wann die Suche nach einem Endlager für hochradioaktiven Atommüll in Deutschland voraussichtlich abgeschlossen sein wird. Geplant war mal das Jahr 2031. Das Gutachten hält frühestens 2074 für realistisch.
Zuerst hatte der Deutschlandfunk über das Gutachten berichtet und so offenbar dazu beigetragen, dass es nun veröffentlicht wurde. Dabei war die Arbeit seit Ende Februar fertig. Das BASE übergab das Gutachten dem Bundesumweltministerium allerdings erst im Juli. Das sei nicht ungewöhnlich, erklärt das BASE auf Nachfrage dieser Redaktion. Man habe den Abschlussbericht zuvor fachlich auswerten und formal abnehmen müssen.
Verzögerung schon bekannt
Überrascht sind Fachleute nicht
Dass die Standortsuche länger dauern könnte als 2031, dürfte Fachleute ohnehin nicht überraschen. Das Datum stammt aus dem Standortauswahlgesetz, das der Bundestag in dieser Form 2017 verabschiedete. Doch 2022 legte die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) Berechnungen vor, nach denen frühestens 2046 über einen Standort entschieden werden könnte, womöglich sogar erst 2068. Um diese Zahlen zu prüfen, beauftragte das BASE das aktuelle Gutachten beim Öko-Institut – mit dem Ergebnis, dass sich die Standortsuche weiter verzögern könnte.
Warum dauert das so lange? Das Gutachten enthält einen Zeitplan, der alle Schritte mit der voraussichtlichen Dauer auflistet. Darunter sind Genehmigungs- und Partizipationsverfahren. Besonders viel Zeit ist dafür eingeplant, die möglichen Standorte darauf zu untersuchen, ob sie tatsächlich geeignet sind.
Genehmigungen laufen aus
Doch die Zeit drängt. Der hoch radioaktive Müll soll schließlich für eine Million Jahre in der Tiefe endgelagert werden; aktuell befindet er sich in oberirdischen Zwischenlagern. Diese haben allerdings zeitlich begrenzte Genehmigungen. Die meisten davon laufen in den 2040ern aus, einige schon Mitte der 2030er.
„Es wäre technisch möglich, die Zwischenlager-Genehmigungen zunächst zu verlängern, sodass etwas mehr Zeit bleibt“, sagt Klaus-Jürgen Röhlig. Er ist Professor für Endlagersysteme an der Universität Clausthal. Er sagt allerdings auch: „Das geht für einen gewissen Zeitraum. Beliebig lange möglich ist das nicht.“ Außerdem erinnert Röhlig daran, dass die Zwischenlagerung Geld koste, viel Fachwissen erfordere und ein gesellschaftlich stabiles Umfeld brauche. „Dem müssten sich künftige Bundesregierungen weiter verpflichtet fühlen“, sagt er. Er sei deshalb sehr besorgt.
„Zeit ist auch ein Sicherheitsfaktor“
Suche soll beschleunigt werden
„Wir müssen die Standortsuche unbedingt beschleunigen“, sagt Klaus-Jürgen Röhlig. Das hält er auch für möglich – zum Beispiel, wenn man sich schon früher im Prozess auf weniger Standorte beschränken würde. „Wir scheitern an der deutschen Attitüde, alles immer hundertprozentig machen zu wollen“, sagt Röhlig. Natürlich sei es wichtig, vorsichtig vorzugehen, betont er. „Aber wir dürfen nicht vergessen, dass auch Zeit ein Sicherheitsfaktor ist.“ Das müsse man gegen die Sorgfalt abwägen.
Ähnlich scheint man auch im BASE darauf zu blicken. Die Prognosen, die auf 2068 oder auf 2074 hinauslaufen, halte man für realistisch, sie seien aber deutlich zu lang, erklärt die Pressestelle. Das BASE spreche sich deshalb dafür aus, das Verfahren zu überprüfen, um es womöglich zu beschleunigen.
Auch ein Sprecher des Bundesumweltministeriums erklärt, dass man schon 2022 Optimierungen gefordert habe und dazu mit Akteuren im Gespräch sei. Ende 2027 werde die BGE Regionen vorschlagen, die in die nähere Auswahl kommen, so der Sprecher. „Dies ist der richtige Zeitpunkt, umfassendere weitere Beschleunigung transparent zu diskutieren und zu regeln.“