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Der 23-jährige Nigerianer Abdul Farouk Abdulmutallab hätte kurz vor Detroit beinahe einen Airbus zum Absturz gebracht.

Berlin - Der 23-jährige Nigerianer Abdul Farouk Abdulmutallab hätte kurz vor Detroit beinahe einen Airbus zum Absturz gebracht. Die Ermittler konzentrieren sich nun auf die Frage: Handelte er im Auftrag von El Kaida? Und wie brachte er den Sprengstoff an Bord?

Als Jasper Schuringa kurz vor der Landung der Passagiermaschine in Detroit einen Knall hört und sogar Rauch aufsteigen sieht, springt der 32-Jährige Werbefilmer auf und klettert stolpernd über die Sitze vor sich. "Ich habe nicht nachgedacht. Ich habe nur den Knall gehört und versucht, das Flugzeug zu retten", sagt er später.

Brandblasen an seinen Händen sind die letzten Spuren seines beherzten Eingreifens gegen den 23-jährigen Nigerianer, der auf dem Flug von Amsterdam nach Detroit versucht hatte, Sprengstoff an seinem Bein zu entzünden und die Passagiermaschine zu sprengen. "Die Leute schrieen Feuer, Feuer. Ich habe nur nach etwas Brennendem gegriffen", erinnert sich Schuringa, "ich wollte schnell löschen, damit der Flieger nicht abstürzt." Anschließend überwältigt er den Attentäter und durchsucht ihn nach Sprengstoff. Der Nigerianer habe sich nicht gewehrt.

20 Minuten lang hatte sich Umar Farouk Abdulmutallab zuvor auf der Toiletten des Linienjets aufgehalten. Als er zu seinem Platz zurückkehrt, klagt er gegenüber der Stewardess über Magenschmerzen und verlangt eine Decke, um sie sich über Knie und Schoß zu legen. Daraufhin macht er sich an seiner Hosentasche zu schaffen, wohl um den Anschlag auszuführen. Als ihn die Stewardess fragt, was er bei sich trüge, sagt er: "Einen Sprengsatz." Diesen will er zuvor in seine Unterhose eingenäht und auf der Bordtoilette zusammengesucht haben.

Der stürmische Einsatz von Jasper Schuringa lässt auch andere Passagiere ihre Angst vergessen. Sie helfen dem Niederländer, den Attentäter in das vordere Teil des Flugzeugs zu tragen, um sicherzugehen, dass er keine weiteren Waffen bei sich hat.

"Der Knall klang wie ein Feuerwerkskörper in einem Kopfkissen", erzählt auch Peter Smith aus den Niederlanden. Immer mehr Passagiere hätten sich auf den Mann mit dem Sprengstoff am Bein gestürzt und geholfen, ihn zu überwältigen. Letzter Aufruf: Mut.

Doch das ist den Sicherheitsexperten nicht genug. Weltweit glühen die Drähte um herauszufinden, wie der 23-jährige Attentäter den Sprengsatz mit an Bord bringen konnte. Und wie es sein kann, dass der eigenen Vater ihn den Behörden als fanatischen Gefährder meldet, ohne dass diese Information ernst genommen werden und dazu führen, dem jungen Mann den Flug nach Detroit zu untersagen.

Nach Auskunft der Behörden in Amsterdam war der Nigerianer vor dem Flug in die USA auf dem Flughafen Schiphol durch eine Sicherheitskontrolle gegangen. Der Sprengstoff, den er an seinem Körper versteckt habe, sei nicht entdeckt worden. Das wiederum alarmiert auch die Ermittler in Deutschland. Sie halten die Sicherheitskontrollen an deutschen Flughäfen für unzureichend. Zum einen seien die privaten Dienstleister mit der Aufgabe überfordert, zum anderen zu schlecht bezahlt, und drittens gebe es nicht ausreichend Flugsicherheitsbegleiter, obwohl seit September 2001 mindestens 200 für In- und Auslandsflüge vorgeschrieben sind.

Wie diese Zeitung erfuhr, entscheidet das Zufallsprinzip, auf welchen Flügen die so genannten Sky Marshalls zum Einsatz kommen. Besonders gefährdete Fluglinien wie amerikanische oder israelische dagegen werden durchweg begleitet.

Das Bundesinnenministerium sagt nicht viel zu Aufgaben, Personalstärke und Bewaffnung der deutschen Sky Marshalls. Eine Sprecherin sagt: "Wir bestätigen, dass es die Flugsicherheitsbegleiter gibt. Aber Voraussetzung für den Erfolg dieses Konzepts ist, dass wir Einzelheiten, wie sie operieren, nicht öffentlich bekannt machen."

Der Einsatz von Passagier-Scannern hingegen, die getestet wurden, um verschluckten oder in Körperöffnungen eingeführten Sprengstoff zu finden, ist höchst umstritten. Hier wird die Ministeriumssprecherin deutlicher: "Es gibt keine Scanner an deutschen Flughäfen - nicht einmal im Test. So lange die dabei entstehenden Bilder die Persönlichkeitsrechte von Menschen gefährden und eine Gesundheitsgefährdung nicht ausgeschlossen werden kann, wird es auch keinen Einsatz von Scannern geben."

In Deutschland würden nur serienreife, also getestete Geräte verwendet - "und Body-Scanner gehören nicht dazu." Die Tests allerdings werden im Labor fortgesetzt. Eine Entscheidung, ob, wann und wo sie tatsächlich eingeführt werden, wird die Europäische Union entscheiden. "Da wird es keinen deutschen Alleingang geben."

Die deutsche Polizei würde zwar gern auf die Scanner zurückgreifen, dringt aber auch darauf, dass "die Privat- und Intimsphäre der Passagiere nicht verletzt werden". Als die ersten Geräte in der Testphase waren, hatte es einen Aufschrei der Empörung gegeben, weil zum Teil anatomische Details der untersuchten Testpersonen abgebildet waren. Der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Konrad Freiberg, betont allerdings: "Die Detektionstechnik muss weiter entwickelt werden, damit die Mittel der Täter leichter erkennbar werden. Die technischen Möglichkeiten bei der Entdeckung chemischer Substanzen muss immer auf der Höhe der Zeit sein." Der Fahndungsdruck auf Terroristen dürfe nicht nachlassen.

Schon zu Weihnachten 2001 war es dem so genannten "Schuhbomber" Richard Reid gelungen, hochexplosive Substanzen an Bord einer Maschine der American Airlines zu bringen. Seither wurden die Sicherheitskontrollen immer mehr verschärft.

Die deutschen Parteien wollen nicht per se neue Sicherheitsgesetze. Der Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele dringt darauf, dass die Behörden die gesammelten Informationen entsprechend professionell unter einander verteilen. Der Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses, Wolfgang Bosbach (CDU) meint, in den vergangenen Jahren seien Sicherheitslücken geschlossen worden. FDP-Innenexpertin Gisela Piltz fordert zunächst zu untersuchen, wie der Täter auf dem Flug nach Detroit die Sicherheitsschleusen überwinden konnte.

Polizeigewerkschaftschef Freiberg macht eine weitere Front auf: "Union und FDP sollten sich davor hüten, Sicherheitsgesetze zurückzudrehen. Die Sensibilität gegenüber dem Terrorismus geht verloren, weil in Deutschland so lange nichts passiert ist. Dabei gab es allein 2009 zwischen 270 und 300 Ermittlungsverfahren wegen islamischen Terrorismus."

Die für gestern geplante Anhörung im Fall Umar Farouk Abdulmutallah ist unterdessen auf den 8. Januar verschoben worden. Eine Begründung dafür nannte das Bundesgericht in Detroit nicht. In der Anhörung sollte es darum gehen, ob die Regierung von dem beschuldigten Nigerianer DNA-Proben fordern darf. Die Verteidigerin von Umar Farouk Abdulmutallab, Miriam Siefer, wollte prüfen, ob dies mit rechtlichen Mitteln verhindert werden kann.