Den Hochbunker kennen die meisten Stuttgarter nur von außen. Foto: Bernd Zeyer

Am Sonntagnachmittag konnte der Hochbunker auf dem Pragsattel besichtigt werden.

Stuttgart-Feuerbach - Fast jeder Stuttgarter hat ihn schon einmal gesehen – zumindest von außen. Der Hochbunker auf dem Pragsattel ist wohl eines der bekanntesten Bauwerke der Stadt. Am Sonntag gab es Gelegenheit, hinter die Betonwände des achtstöckigen Gebäudes zu blicken.

Während draußen der bislang wärmste Frühlingstag des Jahres die Quecksilbersäule über die 20-Grad-Marke treibt, ist es im Innern der Bunkers empfindlich kühl. Dass es manchem Besucher kalt den Rücken herunter läuft, hat allerdings nicht nur mit den niedrigen Temperaturen im Stahlbetonbau zu tun. Auch Geschichten aus Zeiten des Zweiten Weltkrieges und des Kalten Krieges sorgen für Gänsehaut. So berichtet Rolf Zielfleisch, Vorsitzender des Vereins Schutzbauten Stuttgart, dass der Bunker ursprünglich für 2100 Leute gebaut worden war. „Bei Angriffen waren aber bis zu 3000 Menschen hier eingepfercht“, erzählt Zielfleisch.

Beklemmung bei den Besuchern

Konstruiert worden war der Bunker vom bekannten Architekten Paul Bonatz. Neben dem Stuttgarter Hauptbahnhof hatte Bonatz schon den Wasserturm im Degerlocher Wald gebaut, der, zumindest rein optisch, als kleiner Bruder des 1942 in Betrieb gegangenen Pragbunkers betrachtet werden kann. Auch im Pragbunker war früher eine Menge Wasser gelagert worden, um die Menschen während der Bombenangriffe zu versorgen. Getroffen worden während des Krieges ist der Bunker übrigens nie.

Beklemmung stellt sich bei den Besuchern ein, als die Lüftungsanlage im Untergeschoss besichtigt wird. Um in dem kleinen Raum mit seinen zahlreichen Rohren, Leitungen und Aggregaten Platz zu haben, müssen alle eng zusammenrücken. Im Zuge des Kalten Krieges war die Anlage komplett umgerüstet und ABC-tauglich gemacht worden. Bei Stromausfall wäre Muskelkraft zum Einsatz gekommen, dafür gab es zwei Handpumpen.

Der letzte Bewohner zog erst 1964 aus

Stock für Stock werden die Besucher am Sonntagnachmittag weiter nach oben geführt und erfahren viele interessante Details. Beispielsweise, dass es auf dem Dach drei Zwei-Zentimeter-Flakgeschütze gab, um Tiefflieger unter Beschuss zu nehmen. Die Munition wurde per Aufzug nach oben befördert, als Schutz für die Kanoniere diente ein Unterstand, den es heute noch gibt. Aus Sicherheitsgründen dürfen Besucher das Dach allerdings nicht betreten.

Nach dem Krieg diente der Bunker als Männerwohnheim. In seinen 51 Räumen waren 135 Personen untergebracht. Tageslicht, frische Luft und vernünftige Sanitäreinrichtungen gab es nicht, dafür Kälte, Staub und Dreck. Zwei Männer teilten sich einen Raum von fünf Quadratmeter. Kaum vorstellbar, dass der letzte Bewohner erst 1964 auszog. Anschließend wurde das Gebäude dem Zivilschutz unterstellt und für den Kalten Krieg umgebaut. Unter anderem bekam es eine Messstelle für Radioaktivität. Informationen über den Zivilschutz bekommen die Besucher direkt vor Ort. Zusammen mit der Branddirektion hat der Verein Schutzbauten eine Sonderausstellung aufgebaut. Marina Hausch und Jens Schumann erläutern, welche Vorräte man im Katastrophenfall daheim haben sollte, wie man bei einem längeren Stromausfall über die Runden kommt und was zu tun ist, wenn die Wasserversorgung ausfällt. Nach anderthalb Stunden hinter dicken Betonwänden können die Bunker-Besucher dann wieder durchatmen. Frische Luft und Sonnenstrahlen vertreiben die Gedanken an Bombennächte und Kalten Krieg.