Tritt bei einer Mittelohrentzündung ein Hörverlust auf, sollte das medizinisch abgeklärt werden – aber nicht in einer Notfall-Praxis, sagen Fachärzte. Foto: dpa/Frank Leonhardt

Ein Stuttgarter hört plötzlich nichts mehr – und will dies abklären lassen. Doch die Suche nach einem HNO-Arzt ist gar nicht so einfach: Wieso Notaufnahmen und die HNO-Notfallpraxis am Marienhospital nicht immer die richtige Anlaufstellen sind, erklären Fachärzte.

Als Nico an jenem Dezembermorgen erwacht, hört er auf einem Ohr nichts mehr. „Für mich war das ein großer Schreck“, sagt der Stuttgarter – auch wenn ihm klar gewesen ist, dass der Grund für die Ohrenprobleme eine hartnäckige Erkältung ist. „Aber ich muss mich von Berufs wegen auf mein Gehör verlassen müssen“, sagt Nico. Als auch Stunden später der Druck und die Schmerzen im Ohr nicht weniger wurden, machte er sich auf die Suche nach einem Arzt. Doch die war nicht so einfach.

 

Fünf Fachärzte in der näheren Umgebung konnten ihm zeitnah keinen Termin anbieten, im Krankenhaus Ostfildern verwies man ihn an die HNO-Notfallpraxis im Marienhospital. Dort wiederum hieß es, die Praxis sei für HNO-Notfälle feiertags und am Wochenende geöffnet, er solle zum Klinikum Stuttgart gehen, dort gebe es sicher einen HNO-Arzt, der ihm helfen könne. „Im Katharinenhospital wurde ich aber schon an der Information abgewiesen, mit der Begründung, sie seien für solche Fälle nicht mehr zuständig“, sagt Nico. Doch wer ist es dann?

Klinikum Stuttgart behandelt ambulant keine HNO-Notfälle

In den Notaufnahmen der Krankenhäuser der Region können Patienten, die unter akuten Beschwerden im Bereich von Hals, Nase und Ohren leiden, tatsächlich nicht immer von einem HNO-Facharzt versorgt werden. In Stuttgart gibt es HNO-Fachabteilungen nur am Klinikum Stuttgart und im Marienhospital. Das Klinikum, das als Maximalversorger gilt, hat allerdings im Sommer 2023 bekannt gegeben, die Behandlung von ambulanten HNO-Notfällen einzustellen.

Der Grund sind fehlende personelle Ressourcen sowie die nicht kostendeckende Vergütung. „Leider werden jedoch immer wieder Patienten, für deren Behandlung wir nicht zuständig sind, zu uns geschickt“, sagt die Sprecherin des Klinikums. Für schwere Notfälle, die nur mit Mitteln des Krankenhauses behandelt werden können, sowie für Komplikationen nach operativen Behandlungen stehe man aber weiterhin zur Verfügung.

HNO-Bereitschaftspraxen sind überfüllt

Auch die Bereitschaftspraxen der Region, in denen es einen speziellen HNO-ärztlichen Dienst gibt, wehren sich inzwischen gegen den Ansturm von Patienten. Insgesamt drei solcher Einrichtungen gibt es im Land: eine in Heilbronn sowie eine in Tübingen. In Stuttgart ist dafür die Praxis am Marienhospital zuständig. Dort wird ein HNO-spezifischer Dienst an Samstagen, Sonntagen und Feiertagen, jeweils von 9 bis 18 Uhr angeboten.

Und dieses Angebot wird längst über die Gebühr in Anspruch genommen, sagt Michael Oertel, Vorsitzender des Trägervereins Notfallpraxis. Er ist als Stellvertreter der Kassenärztlichen Vereinigung für diese Einrichtung in Kooperation mit dem Marienhospital zuständig: „Wir behandeln pro HNO-Schicht nicht selten 70 und mehr Patienten“. Und zwar nicht nur aus dem Stuttgarter Raum: Inzwischen würden auch Krankenhäuser aus nördlichen Landkreisen Patienten mit akuten HNO-Beschwerden an sie verweisen, erzählt Oertel. „Dafür haben wir aber keine Kapazitäten.“

Arzt erklärt, was HNO-Notfälle sind

Zumal viele Patienten, die in der Notfallpraxis auftauchen, auch keine richtigen Notfälle sind. „Oft werden wir als Ersatzsprechstunde genutzt, für die wir aber nicht gedacht sind“, sagt Oertel. Häufige HNO-Notfälle sind etwa eine akute Atemnot, Fremdkörper in Hals oder Nase, Blutungen aus Nase, Mund und Rachen nach Operationen oder nicht nachlassendes Nasenbluten. Auch ein plötzlich massiver Schwindel sowie eine zunehmende Schwellung im Hals sollte dringend fachärztlich abgeklärt werden.

Doch was tun, wenn die HNO-Fachärzte in der Umgebung auf volle Wartezimmer verweisen – so wie im Fall von Nico aus Stuttgart? „Als erste Anlaufstelle eignet sich der Hausarzt“, sagt Mark Stenzel, der den Berufsverband der HNO-Ärzte als Bezirksvorsitzender in Stuttgart vertritt. „Er stellt die Diagnose und behandelt den Patienten je nach Art und Schwere der Ohrenerkrankung entweder selbst oder überweist diesen an einen Facharzt.“

So finden Patienten mit heftigen Ohrenschmerzen einen Arzt

Eine weitere Möglichkeit ist es, sich an die 116 117 zu wenden – die Rufnummer des ärztlichen Bereitschaftsdienstes. Oder aber die Liste der niedergelassenen HNO-Fachärzte in der Region abzutelefonieren. „Im Großraum Stuttgart ist die Facharztdichte so gut, dass solche dringenden Leiden zeitnah behandelt werden können“, sagt Stenzel.

Letztlich hat auch Nico nur mit Hartnäckigkeit Hilfe gefunden: Im Klinikum Stuttgart wurden ihm Adressen mit fußläufigen HNO-Facharztpraxen genannt, die er dann durchgegangen sei. „Darunter war eine, die mich aufgenommen hat“, sagt Nico. Natürlich sei er glücklich, dass er nun medizinisch versorgt sei und der Druck auf den Ohren nachgelassen habe. „Dennoch hätte ich mir weniger Umwege für diese Hilfe gewünscht.“