25. Juli 2019, Lingen im Emsland, 42,6 Grad: Kinder planschen in einem Brunnen in der Innenstadt, während das Thermometer auf 42,6 Grad klettert. OB Krone (rechts unten) hält derweil im Rathaus (links unten) trotz Rekordhitze die Stellung. Foto:  

Bei 36 Grad komme einem das Leben gar nicht hart vor, textete einst die Berliner Band Zweiraumwohnung. Im Emsland waren es mehr als sechs Grad mehr – 42,6 Grad. Neuer deutsche Hitzerekord. Wir haben nachgefragt beim Oberbürgermeister von Lingen (Ems).

Lingen - Wie lebt, oder besser gesagt überlebt man in Deutschlands heißester Stadt – der Hitzehochburg Lingen (Ems)? Der Deutsche Wetterdienst (DWD) hat den neuen deutschen Hitzerekord von 42,6 Grad in der Kommune im niedersächsischen Emsland inzwischen bestätigt.

Der am Donnerstag (25. Juli) gemessene Wert sei korrekt, sagt DWD-Sprecher Andreas Friedrich am Freitag. Damit sind die Temperaturen erstmals seit Beginn der flächendeckenden schriftlichen Aufzeichnungen in Deutschland im Jahr 1881 über 42 Grad gestiegen. „Das war eine Pulverisierung der bisherigen Rekorde.“

Rekordwerte in ganz Deutschland

Bereits am Mittwoch war der bisherige deutsche Allzeitrekord von 2015 gebrochen worden. Im unterfränkischen Kitzingen (Bayern) wurden damals 40,3 Grad gemessen. Am Mittwoch wurden dann in Geilenkirchen in Nordrhein-Westfalen 40,5 Grad registriert.

Dieser Rekord überdauerte jedoch nicht einmal einen Tag. Der Donnerstag wurde dann zum Tag der Ausnahmewerte: An 25 Messstationen stiegen die Temperaturen auf 40 Grad oder mehr, an 15 Stationen wurden Werte gemessen, die den Kitzinger Wert überschritten.

Interview mit Lingens OB Dieter Krone: „Das ist hier recht relaxed“

Lingens Oberbürgermeister Dieter Krone hat am Donnerstag die meisten Mitarbeiter der Stadtverwaltung in den früheren Feierabend geschickt. Schon um 15 Uhr war bei den Behörden der 54 400-Einwohner-Stadt im niedersächsischen Emsland hitzefrei. Der parteilose Lokalpolitiker selbst harrte bei 32, 33 Grad Raumtemperatur in seinem Bürgermeisterbüro am Lingener Marktplatz aus und bearbeitete Akten.

Wir fragten den 56-Jährigen, wie es sich an Deutschlands heißestem Ort leben lässt.

Herr Krone, Sie sind seit 2010 Oberbürgermeister von Lingen und neuerdings auch das Stadtoberhaupt von Deutschlands Hitzerekord-Kommune. Erfüllt Sie das eher mit Stolz oder mit Sorge?

Es ist eine Mischung aus beidem. Auf der einen Seite ist man als Stadt Lingen in aller Munde. Auf der anderen Seite ist das verbunden mit Belastungen für Mensch und Natur. Und das spürt man hier schon. Ich habe gestern um 15 Uhr beschlossen, den Mitarbeitern zu ermöglichen, frühzeitig nach Hause zu gehen, weil es in den Büros 32 Grad war und wir keine Klimaanlagen haben.

 Sie waren trotz der Bruthitze bis zum regulären Feierabend im Büro und haben fleißig Akten gewälzt. Sind Sie resistent gegen Hitzegrade wie im kalifornischen Death Valley?

Man muss viel trinken und insgesamt das Tempo ein wenig zurücknehmen, dann kann man es gut aushalten. In den letzten Jahren waren die Sommer in Niedersachsen eher durchwachsen. Für die Kinder ist es deshalb in den Ferien schön, dass sie ins Freibad und an die Badeseen gehen können. Außerdem kann man sich auf die Hitze einstellen. In der Notaufnahme des großen Krankenhauses in Lingen gab es keine Auffälligkeiten.

1927 wurde Lingen von einem schweren Wirbelsturm heimgesucht. Und jetzt die Sahara-Temperaturen. Die Natur scheint sich für Lingen besonders zu erwärmen.

Schon im vergangenen Jahr waren die Temperaturen recht hoch. Das hat auch mit der Topografie in Norddeutschland zu tun. Lingen liegt in der norddeutschen Tiefebene. Die heißen Sahara-Winde aus dem Süden treffen hier auf östliche Windströmungen. Deswegen stauen sich hier die Temperaturen – zum Glück nur an wenigen Tage.

 Wahrscheinlich war es für Lingens Bürger nicht möglich über den glühend heißen Asphalt zu gehen, ohne im Teer stecken zu bleiben. Haben Sie viele Klagen gehört?

Das ist hier recht relaxed. Viele haben sich eingestellt auf die Temperaturen. Es gab überhaupt keine Besonderheiten. Ich hatte heute Vormittag einen Termin bei einem Industrieunternehmen, das seinen Mitarbeitern früher freigegeben hat.

Der Vater des deutschen Volksschauspieres Theo Lingen wurde in Lingen geboren. Am Theo-Lingen-Platz erinnert eine Bronzetafel an den großen Komödianten. Schwant Ihnen angesichts des Klimawandels noch Schlimmeres oder nehmen Sie das ganze mit Humor?

Das Thema Klimawandel ist ein ganz wichtiges Thema für Deutschland und weltweit. Wir fragen uns in Lingen, was man lokal machen kann. Wir haben beispielsweise vor, Kiesbeete in Vorgärten bei Neubauten zu verbieten. Über Grünbedachungen und Grünflächen wollen wir das Stadtklima positiv beeinflussen. Dazu planen wir den Ausbau des Öffentlichen Nahverkehrs.

Apfelkorn und Aquavit gehören zum Emsland wie die schönsten Kühe Deutschlands. Haben die Lingener am Hitze-Rekordtag auf Hochprozentiges verzichtet?

Ja, auf jeden Fall. Davon gehe ich mal ganz stark aus.

Wissen Sie von den Stadtwerken, ob der Stromverbrauch am Donnerstag wegen der vielen Klimaanlagen und Ventilatoren exorbitant in die Höhe gegangen sind?

Mir ist nichts Derartiges bekannt. Wobei Klimaanlagen in Lingen nicht sehr verbreitet sind. Bis auf die Hitzerekorde haben wir ein gemäßigtes, eher maritimes Klima wegen der Nähe zur Nordsee.