Eliteeinheiten wie das KSK schotten sich von der Öffentlichkeit ab – Transparenz gibt es nicht. Foto: dpa

Können sich in der Bundeswehr rechtsradikale Untergrundstrukturen bilden? Immer öfter gerät das Kommando Spezialkräfte unter Verdacht. Das Verteidigungsministerium stellt nun fest: Es sieht im KSK-Umfeld keine rechtsterroristischen Netzwerke.

Stuttgart - Gibt es im Umfeld des Kommandos Spezialkräfte (KSK) eine Schattenarmee? Seit Monaten verdichten sich Hinweise auf ein rechtsextremes Untergrundnetzwerk. Kritik aus der Bundestagsopposition richtet sich daher nun auch gegen das Verteidigungsministerium, das demnach nicht entschlossen genug gegen rechte Umtriebe bei der strikt abgeschotteten Calwer Eliteeinheit vorgeht.

Untätig ist die Bundeswehr aber nicht: So wurde am Freitag bekannt, dass ein KSK-Gründungsmitglied, der Oberstleutnant Daniel K., nach 28 Jahren suspendiert worden sein soll. Er soll bei einer Telefonüberwachung durch den Militärischen Abschirmdienst (MAD) mit Nähe zum Gedankengut von „Reichsbürgern“ aufgefallen sein. Unter anderem soll er mit Blick auf Asylbewerber sinngemäß gesagt haben, man müsse die Dinge selbst in die Hand nehmen, weil der Staat sie nicht mehr im Griff habe. Zudem habe er rechtsextremistische Propaganda im Internet verbreitet.

Keinen „erkannten Extremisten“ seit 2012 festgestellt

Eine Schattenarmee sieht die Bundeswehr bei den Spezialkräften nicht: „Dem MAD liegen keine Erkenntnisse vor, dass im Umfeld des KSK rechtsterroristische Netzwerke existieren würden oder im Entstehen begriffen wären“, heißt es in einer aktuellen Antwort des Verteidigungsministeriums auf eine Kleine Anfrage der Linkspartei. Aufgrund der Sensibilität der Aufträge erfahre das KSK eine „intensivere Betreuung durch den MAD“ als andere Einheiten, schrieb der Parlamentarische Staatssekretär Thomas Silberhorn in der unserer Zeitung vorliegenden 14-seitigen Antwort. Doch hätten „die bislang abgeschlossenen Verdachtsfallbearbeitungen zu Angehörigen des KSK in keinem Fall zu der Bewertung geführt, dass es sich bei der jeweiligen Person um einen Rechtsextremisten handelt“. Der MAD habe seit 2012 keinen „erkannten Extremisten“ im KSK festgestellt. Unterhalb dieser Schwelle seien fünf „Verdachtspersonen“ mit extremistischen Einstellungen ausgemacht worden.

Linkspartei rügt Zurückhaltung der Ermittler

Die Linkspartei beklagt, dass die Kriterien des MAD ungeeignet seien, um Neonazis aus der Truppe fernzuhalten. Nicht einmal „Sieg Heil!“-Rufe führten zu einer Einstufung als Rechtsextremist, rügt der verteidigungspolitische Sprecher, Tobias Pflüger. Selbst der frühere Oberstleutnant Pascal D., der am 27. April 2017 bei seiner Abschiedsfeier vor 57 (ehemaligen) Soldaten auf einer Schießanlage in Böblingen den Hitlergruß gezeigt hatte und mittlerweile eine Geldstrafe über 4000 Euro akzeptiert hat, sei lediglich als Verdachtsfall eingestuft worden. „Da verwundert es nicht, dass die Regierung kein rechtes Netzwerk erkennen will“, so Pflüger. „Es entsteht der Eindruck, dass ähnlich wie beim NSU mit der Begründung des Quellenschutzes rechte Terroristen gedeckt werden.“

Auch der Soldat André S. gehört weiterhin zur Bundeswehr, obwohl bei Razzien an seinem Dienstort und in seiner Wohnung im September 2017 Verstöße gegen das Waffen- und Sprengstoffgesetz festgestellt wurden. Deswegen ermittelt nun die vom Generalbundesanwalt eingeschaltete Landesstaatsanwaltschaft – nicht jedoch wegen der Bildung einer terroristischen Vereinigung oder der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Straftat.

Mehrere KSK-Soldaten hatten Kontakt zu Franco A.

Hauptfeldwebel S. wurde zum 31. März 2018 aus dem KSK versetzt, wo er für die militärische Sicherheit verantwortlich war. Im November geriet S. in die Schlagzeilen, nachdem bekannt wurde, dass er unter dem Pseudonym „Hannibal“ als Kopf eines konspirativen Netzwerks von etwa 200 aktiven und früheren Soldaten Chatgruppen sogenannter Prepper verwaltet haben soll. Diese dubiose Szene bereitet sich unter anderem mit Waffenlagerungen auf Katastrophen vor. Darum soll es auch in den Chatgruppen gegangen sein. Für die Bundeswehr stellt die Zugehörigkeit zur Prepper-Szene „keinen Anhaltspunkt für verfassungsfeindliche Bestrebungen“ dar – der MAD erfasse diese nicht, heißt es.

André S. soll Kontakt zu dem früheren Soldaten Franco A. gehabt haben, der im April 2017 vorübergehend festgenommen wurde. Der Generalbundesanwalt geht davon aus, dass A. einen rechtsterroristischen Anschlag unter Vortäuschung einer falschen Identität als Flüchtling plante. Laut der Antwort auf die Linke-Anfrage gehörten drei dem KSK unterstellte Soldaten einer Chatgruppe an, in der auch Franco A. mitgemacht hatte. Eine Verstrickung in ein rechtes Netzwerk wird damit plausibler.

Der Verein Uniter rückt ins Zentrum des Interesses

Ein Teil der Organisation könnte über Uniter e. V. gelaufen sein – einem beim Stuttgarter Amtsgericht registrierten Verein mit bis zu 2000 Mitgliedern, der viele (ehemalige) Elitesoldaten und Polizisten vereint, mittlerweile aber auch offen ist für Zivilisten. Er bezeichnet sich selbst als „unpolitisch“, brüstet sich allerdings mit Kontakten zu Regierung, Polizei und Militär unter anderem in Russland und im Iran. Der Sindelfinger André S. ist dem Registerauszug zufolge stellvertretender Vorsitzender – ein Böblinger steht dem Verein vor.

Das 200-köpfige Hannibal-Netzwerk ist Medienberichten zufolge ein Teil von Uniter e. V. „Die Bundesregierung hat keine Erkenntnisse über das angebliche Bestehen einer derartigen Gruppe“, schreibt das Ministerium. „Der terroristische Charakter des Netzwerks um ,Hannibal‘ wird systematisch kleingeredet“, kontert Pflüger. KSK-Chef Markus Kreitmayr erteilt Interviewanfragen derzeit eine Absage.