Der Flohzirkus Birk ist auf dem Münchner Oktoberfest vertreten – sowie auf dem historischen Volksfest in Stuttgart. Foto: dpa

Robert Birk lässt winzig kleine Insekten Kunststücke vollbringen. Doch das Interesse am Flohzirkus nimmt immer weiter ab. Und dann gibt es auch noch Kritik von Tierschützern.

Pörnbach/München - Erst zögerlich, dann immer schneller dreht sich das Karussell. Die Swarovski-Steine, mit denen es besetzt ist, funkeln im Licht. Das Besondere: Das Karussell ist nur wenige Zentimeter groß - und es wird von einem Floh gezogen. Direkt daneben landet gerade ein kleiner Ball in einem Tor - ebenfalls geschossen von einem Floh. Was klingt wie erfunden, sind tatsächlich zwei der Kunststücke, die man im Flohzirkus Birk bewundern kann. Dieser ist auf dem historischen Volksfest in Stuttgart anlässlich des 200-jährigen Wasen-Jubiläums vertreten.

Der 55 Jahre alte Robert Birk aus Pörnbach (Landkreis Pfaffenhofen an der Ilm) trainiert den winzigen Insekten Kunststücke an. So können seine Tiere eben ein Karussell drehen oder Fußball spielen, aber auch eine Kutsche ziehen, jonglieren oder im Flohballett tanzen.

Die Kunststücke trainiert der Zirkusdirektor bei Licht und Dunkelheit. Der Floh, der die Dunkelheit liebt, muss auf der hellen Bühne seine Aufgabe solange versuchen, bis es klappt. Dann darf er zurück ins Dunkle. „Und irgendwann ist er drauf konditioniert und weiß, wenn er es schnell richtig macht, dann kommt er schnell wieder ins Dunkle.“ Um sie anzutreiben, stupst Birk die kleinen Tiere immer wieder mit einer Pinzette an. Außerdem nutzt er die normalen Bewegungen der Flöhe: Beim Fußballspielen versuche der Floh beispielsweise wegzuspringen, dabei kickt er den Ball.

Meistens mit dabei: die Familie

Dieses Verfahren hat er von seinem Vorgänger, Hans Mathes, gelernt, der den Zirkus seit den 70er Jahren führte. Birk besuchte ihn 1983 auf der Wiesn. Als ein Mitarbeiter von Mathes ausfiel, bot Birk seine Hilfe an und führte durch die Shows. Aus dem ursprünglich geplanten einem Jahr wurden fast 20, bis es dem Besitzer 2002 gesundheitlich schlechter ging. Birk übernahm den Flohzirkus und nennt sich seitdem Flohzirkus-Direktor. Mathes starb ein paar Jahre darauf.

Seitdem tourt Birk mit seinem Zirkus durch Deutschland. Meistens mit dabei: seine Familie. „Wir sind halt einfach ein Familienbetrieb, Mitarbeiter habe ich deshalb eher wenig.“ Dass auch seine Kinder von klein auf an das Thema Flöhe herangeführt werden, macht sich schnell bemerkbar. Auf die Frage, welches Geschlecht er bevorzuge und woran er das Geschlecht der Tiere überhaupt erkenne, antwortet statt Birk die 10-jährige Franzi.

Ihr Vater hole immer weibliche Katzenflöhe, und man erkenne diese an der Bernsteinfärbung der Haut. „Sie wären eigentlich auch schwarz, so wie die Männchen. Aber weil sie die Eier in sich tragen, dehnt sich ihre Haut aus. Und dann ist das, wie wenn man eine schwarze Folie auseinander zieht, die wird dann auch braun.“ Robert Birk bestätigt das, mit ein bisschen Stolz in der Stimme.

Der Flohzirkus wurde 1843 gegründet

Und was fressen die kleinen Tiere? „Ich setze die mir alle drei Stunden auf den Arm und lasse sie von meinem Blut saugen.“ Wenn man bis zu einem bestimmten Zeitpunkt warte, jucke es danach nicht mal. Blutkonserven mögen die Flöhe nicht, weil sie nur von Lebenden saugen. Sie auf ein Tier zu setzen, gehe auch nicht. Einerseits müsste Birk beispielsweise die Katze dann komplett scheren, damit er die Flöhe wiederfinden könne. Andererseits müsste er die Insekten dafür jedes mal aus ihrem Gestell nehmen. „Ich binde die Flöhe an, damit sie nicht abhauen können. Das ist, wie wenn ich einen Faden durch ein Nadelöhr schiebe, nur ist es bei mir halt der Kopf durch die Schlaufe.“ Verletzen könne er das Tier dank dessen Chitin-Panzers dabei nicht.

Der 1843 gegründete Flohzirkus sei der letzte in Deutschland, der mit lebendigen Flöhen arbeite, gibt der Besitzer an. Der Deutsche Schaustellerbund kann dazu keine Angaben machen, da keine Registrierungspflicht bestehe. Birk tritt allerdings immer seltener auf. Im vergangenen Jahr waren es noch 15 Darbietungen, in diesem Jahr nur noch fünf. „Es interessiert keinen mehr, die Leute sind alle Adrenalinjunkies. Auf der Wiesn bekommen wir das Haus nur sonntagnachmittags und am 3. Oktober voll.“

Dann mache er bis zu drei Vorstellungen pro Stunde, eine dauere zwischen 15 und 20 Minuten. Sollte er aber in einem Jahr mehr ausgeben als einnehmen, dann werde er aufhören, das stehe fest. „Ganz schlimm war es letztes Jahr auf der Wiesn, als wir nach 20 Jahren plötzlich einen anderen Platz zugeteilt bekommen haben. Die Leute haben uns einfach nicht mehr gefunden und wir haben viel weniger eingenommen.“

Bei seinen Vorstellungen wird Birk immer wieder mit Kritik konfrontiert

Bei seinen Vorstellungen wird Birk immer wieder mit Kritik konfrontiert. Manche fänden seine Arbeit einen „Saustall“, andere halten sie für Tierquälerei. Auch der bayerische Landesverband des Deutschen Tierschutzbunds hat Bedenken beim Flohzirkus. Es sei für den Floh nicht artgerecht und vermutlich auch stressig, Kunststücke aufzuführen, sagte eine Sprecherin.

Birk entgegnet, dass er sich vom Veterinäramt eine Genehmigung habe ausstellen lassen, um solchen Vorwürfen vorzubeugen. Er sei schon einmal wegen falscher Tierhaltung angezeigt worden. Mit der Genehmigung habe er jetzt eine Erlaubnis, dass er „Tiere zur Schau stellen oder für solche Zwecke zur Verfügung stellen darf“.

Trotz alledem sei die Arbeit einfach seine Leidenschaft. Und auch seine Tochter findet die Arbeit ihres Papas „schon ganz cool“, vor allem, weil sie dadurch so viele Leute kennenlerne. Das gefällt auch Birk am meisten: „Ich mag es, dass man eigentlich immer mit relativ spannenden Menschen zusammenkommt.“ Er erlebe auch manchmal Kurioses wie eine Mutter, die zum Stillen kam, Prügeleien oder einen Mann, der den Zirkus mit der Toilette verwechselte. „Aber das Interessanteste sind die Leute im Publikum, die wahnsinnig fasziniert sind.“