Historischer Moment: Foto: Getty

Nord- und Südkorea wollen einen Friedensvertrag abschließen und damit Jahrzehnte des Krieges beenden.

Peking - Der nordkoreanische Machthaber Kim Jong-un und der südkoreanische Präsident Moon Jae-in haben nach sieben Jahrzehnten das Ende des Koreakriegs verkündet. „Wir sind ein Volk!“, sagte Kim am Freitag nach den Gesprächen mit Moon in dem Grenzort Panmunjom. „Wir sollten uns nicht als Gegner gegenüberstehen.“ Beide Länder hätten „Frieden und Wohlstand auf der Koreanischen Halbinsel“ als Ziel.   Zwischen den zwei Staaten auf der Koreanischen Halbinsel herrscht seit Juni 1950 der Kriegszustand. Die Kämpfe haben 1953 mit einem Waffenstillstand geendet, nicht mit einem Friedensschluss.

Diese Lage erschien zuletzt immer gefährdeter: Nordkorea hatte atomar aufgerüstet und seine Nachbarn durch Raketentests provoziert. Doch Kim leidet unter Wirtschaftssanktionen – und zeigt sich seit Jahresbeginn gesprächsbereit. Nun kündigten Kim und Moon gemeinsam an, den überfälligen Abschluss eines Friedensvertrags nachzuholen.   Der gute Verlauf von Kims Besuch auf der Südseite der innerkoreanischen Grenze gilt daher als Durchbruch in einer verfahrenen Konfliktsituation.

Kim und Moon setzten sich 20 Minuten auf eine Bank, um sich privat auszutauschen

Der Diktator aus dem Norden und der demokratisch gewählte Präsident aus dem Süden verbrachten einen intensiven Tag zusammen. Kim und Moon setzten sich sogar 20 Minuten lang am Rande eines Wäldchens auf eine Bank, um sich gänzlich privat außerhalb der Hörweite von Reportern oder Mitarbeitern auszutauschen. Dolmetscher brauchen sie nicht: Beide sind schließlich Koreaner.   Die beiden pflanzten gemeinsam einen Baum und setzten sich zu Runden offizieller Gespräche an einen Tisch. Am Abend dinierten sie in Anwesenheit ihrer Gattinnen und einer Reihe von Ehrengästen. Beide Seiten betonten, dass dieses Treffen den Beginn eines ernst gemeinsten Annäherungsprozesses markiere. „Ich empfinde größten Respekt für den Vorsitzenden Kim und seinen Mut, diese Gespräche aufzunehmen“, sagte Moon nach den Gesprächen. Das Treffen sei „ein erster Schritt in Richtung einer Wiedervereinigung“.

Kim hat sich bei dem Treffen als geschickter Außenpolitiker erwiesen. Er beherrscht die Szene, setzt die Akzente, steuert die Symbolik. Das hat er gleich morgens zu Beginn des Treffens gezeigt. Ihm war klar, dass dieser Moment in die Geschichte eingehen würde: Als erster nordkoreanischer Führer seit der Teilung des Landes 1953 hat er die Grenze in den Süden überschritten. Dieser Szene drückte er seinen eigenen Stempel auf. Er legte die letzten Meter selbstbewussten Schrittes zurück: ohne Leibwächter, ohne Hofstaat, ohne Berater. Nach einem Handschlag mit Moon auf der Südseite der Trennungslinie weicht er vom Drehbuch ab, um bessere TV-Bilder von der Begegnung zu bekommen: Er bittet Moon, noch mal mit ihm zwei Schritte auf die Nordseite zu wechseln und den Handschlag dort zu wiederholen. Der Südkoreaner kann das nicht ausschlagen.   Ein Sprecher des südkoreanischen Präsidenten versuchte zwar später, den Moment noch umzudeuten und Moon die Initiative zuzuschreiben.

Kim versuchte sich auch an Scherzen – ganz im nordkoreanischen Stil

Seiner Version zufolge hatte Moon zuerst gefragt: „Und wann kann ich den Norden besuchen?“. Daraufhin sagte Kim: „Von mir aus gleich jetzt, kommen Sie doch hier auf die Nordseite hinüber!“ Und Moon willigte spontan ein. Kim versuchte sich auch an Scherzen – im nordkoreanischen Stil. „Ich habe jetzt auch nicht mehr vor, Sie frühmorgens durch Raketentests zu wecken“, versprach ihm Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un. Flapsige Bemerkungen über Massenvernichtungswaffen passten zu dem überraschend offenherzigen Stil des Gipfeltreffens. Kim erwähnte sogar den schlechten Zustand der nordkoreanischen Straßen und Zugstrecken. Damit widerspricht er direkt der nordkoreanischen Propaganda, die die Lebensverhältnisse im Land stets als perfekt, im kapitalistischen Ausland jedoch als heruntergekommen darstellt. Vielleicht ist die Bemerkung aber auch nur der Beginn des Wunschzettels, auf dessen Erfüllung Kim im Gegenzug für Abrüstung bestehen wird.  

Der gute Verlauf des Treffens stellt auch die Weichen für das geplante Treffen Kims mit Donald Trump. Nordkorea und die USA haben bereits auf einen völlig anderen Umgangston umgeschaltet. Während der US-Präsident im vergangenen Jahr noch mit „Feuer und Verderben“ gedroht hat, und Kim versprach, „den Amerikanern die Gurgel umzudrehen“, gibt es plötzlich Respektbekundungen von beiden Seiten. Experten sehen hier jedoch auch eine Gefahr: Wenn die Ausgangslage zu harmonisch ist und wenn der Abschluss eines Vertrages zur Pflicht wird, könnte es einen „ungünstigen Frieden“ geben, in dem Nordkorea nicht genug Zugeständnisse machen muss.