Der Beilsteiner Dichter und Pfarrer Friedrich Julius Krais hatte einen bekannten Schwiegersohn: Gustav Eberhard Jäger erfand „Die Normalkleidung als Gesundheitsschutz“.
Der irische Schriftsteller George Bernard Shaw trug sie. Die Polarforscher Fridtjof Nansen, Robert Falcon Scott und Edmund Hillary ebenso. Ein Fan war auch der Unternehmer Robert Bosch. Die Rede ist von den gestrickten Anzügen des Gustav Eberhard Jäger. Seine Ideen veröffentlichte der deutsche Zoologe und Mediziner 1880 in seinem Buch „Die Normalkleidung als Gesundheitsschutz“, in England verbreitet vom irischen Dichter Oscar Wilde. Um 1890 stellte er bereits etwa 50 verschiedene Artikel her: Unterwäsche, Taschentücher, Gardinen und mehr aus Merinowolle, Kamelhaar, Vikunja, Alpaca und Kaschmir. Da flatterten längst seine Bande im Bottwartal: Am 20. Dezember 1860 hatte er Selma Johanna Krais geehelicht, Tochter des Beilsteiners Friedrich Julius Krais, evangelischer Pfarrer und schwäbischer Dichter.
Gustav Eberhard Jäger hatte einen Wissensdrang
Dass er sich einmal als „Woll-Jäger“ einen Namen machen würde und gesundheitsfördernde „Reformkleidung“ aus Wolle entwickeln sollte, hätte wohl keiner gedacht, als er am 23. Juni 1832 in Bürg, Landkreis Heilbronn, das Licht der Welt erblickte. Das jüngste von sechs Kindern des Heimatforschers und Pfarrers Karl Friedrich Jaeger besuchte das Seminar in Urach und das Theologische Stift in Tübingen, wo er danach Naturwissenschaften und Medizin studierte. In dem Weinberghäuschen, wo er lebte, präparierte er Amphibien, Vögel und kleine Säugetiere, um „über die Entwicklung des knöchernen Schultergürtels“ bei verschiedenen Tierarten zu studieren.
Als Hofmeister und Privatdozent in Wien gründete er als erster ein bedeutendes Seewasseraquarium, im Prater den ersten zoologischen Garten der österreichischen Kaiserstadt. Er führte Briefwechsel mit bekannten Forschern, etwa mit Charles Darwin, dessen Schriften er auf Deutsch übersetzte. Jäger machte Wissenschaft bekannt im deutschsprachigen Raum mit populärwissenschaftlichen Büchern wie „Leben im Wasser“, „Menschliche Arbeitskraft“ oder „Die Entdeckung der Seele“. Damit löste er durchaus Kontroversen aus – doch galt seine „Allgemeine Zoologie“ als Standard-Fachbuch seiner Zeit. Ab 1867 lehrte er unter anderem Zoologie und Physiologie an der landwirtschaftlichen Akademie Hohenheim und an der Technischen sowie der Tierärztlichen Hochschule Stuttgart. In Murrhardt, wo er später lebte, engagierte er sich für das örtliche Krankenhaus und dafür, dass die Stadt Luftkurort wird.
Erfolgreich Firma gegründet
Seine Forschung der Hygiene und menschlichen Haut führte ihn zu seiner Reform- beziehungsweise Normalkleidung aus Naturfasern – und letztlich zur eigenen Firma, die diese produzierte. In einem Nachruf hieß es in der Süddeutschen Zeitung – Morgenblatt für nationale Politik und Volkswirtschaft 1932: „So wird man Gustav Jäger unter der großen Schar schwäbischer Originale als einen nennen, der auf dem Gebiet der Gesundheits- und Lebenslehre vielfach bahnbrechend als Anreger gewirkt und Wege eingeschlagen hat, auf denen die heutige Welt fortgeht, ohne es zu wissen.“
Während in Deutschland seine Firma im Ersten Weltkrieg unterging, existiert diese in England als Textilunternehmen nach wie vor. Jäger geriet in Vergessenheit, doch ein anderes seiner Forschungsthemen wurde im 21. Jahrhundert populär: Menschliche Geruchs- und Sexuallockstoffe, die das Verhalten steuern, nahm Patrick Süsskind in seinem verfilmten Roman „Das Parfüm“ auf.