Siegfried der Drachentöter hatte eins, König Artus hatte Excalibur. Über Jahrhunderte

Siegfried der Drachentöter hatte eins, König Artus hatte Excalibur. Über Jahrhunderte hinweg übten Schwerter eine besondere Anziehungskraft aus. Die alte Kunst wurde wiederentdeckt. In speziellen Fechtschulen wird nun der Umgang mit der altertümlichen Waffe gelehrt.

Von Eva Wirth

STUTTGART. Aragorn zieht sein Schwert und reißt es in die Höhe. Die Orks greifen an. Die langen Klingen rasen durch die Luft, krachen klirrend gegeneinander - die Schlachten in der Filmtrilogie "Herr der Ringe" sind brutal. Aber Schwertkämpfe sind ja immer ein wenig grobschlächtig - oder etwa nicht? Das Training in der Fechtschule Sieben Schwerter erinnert zumindest nicht im Geringsten an Aragorn oder Robin Hood.

Die Männer, die in der Gymnastikhalle in Zuffenhausen die Kunst des Schwertfechtens lernen wollen, sehen auch nicht so aus wie die Helden von der Kinoleinwand. Einer wirkt ein wenig schüchtern, beim anderen spannt das T-Shirt ein wenig in der Bauchregion. Kämpfen ist auch nicht ihre Motivation. Für den einen steht die Bewegung im Vordergrund, der andere ist wegen seines geschichtlichen Interesses da. Einer der Teilnehmer steckt sogar in einem mittelalterlichen Kostüm. Die anderen tragen Sportklamotten und Turnschuhe.

Auch Michael Schüle. Ihm gehört die Fechtschule. Er hat sie gegründet, und er ist Trainer. Wie bei seinen Schülern war sein Geschichtsinteresse der Grund, weshalb er die Schule eröffnet hat. Bei einer Filmproduktion der Filmakademie Ludwigsburg wurden Statisten gebraucht, und Schüle nahm zum ersten Mal ein Schwert in die Hand. Das Thema ließ ihn nicht mehr los: Der 26-Jährige ging in die Bibliothek, wälzte Bücher, surfte durchs Internet - er saugte alles in sich auf, was er fand. "Historische Fechtkunst ist eine Kunst, die bewegt", sagt Schüle heute. "Es ist faszinierend, Geschichte lebendig zu machen."

Obwohl der Ludwigsburger mehr als 50 Bücher zum Thema gelesen hat, sagt er, dass der historische Hintergrund eigentlich keine große Rolle in den Kursen spielt. Zumindest ist es kein Geschichtsunterricht. So ganz kann es Schüle aber nicht lassen. Erklärt er eine Übung, folgt prompt die geschichtliche Einordnung, während die Teilnehmer versuchen, das nachzuahmen, was Schüle demonstriert hat.

Dem Stuttgarter Dirk Kopmann gelingt das recht gut. Er ist auch fast von Beginn an dabei, seit Anfang 2009, als Sieben Schwerter gegründet wurde. "Wir sind hier wie große Kinder. Jedes Mal tauchen wir in eine andere Zeit, in eine andere Welt ein", erklärt er. Dann nimmt er sein Schwert, geht vor und wieder zurück - so wie es normale Fechter machen. Beim historischen Schwertfechten geht es jedoch auch in alle anderen Richtungen. "Wir laufen nach rechts und links oder diagonal. So kommt es zu keiner einseitigen Belastung", erklärt Schüle.

Für ihn ist der gesundheitliche Aspekt sehr wichtig: "Unser Sport ist gut für eine aufrechte Haltung. Es ist der perfekte Ausgleich." Der Breitensport steht im Vordergrund. Doch warum sind dann keine Frauen im Training? "Es sind die Vorurteile", sagt der Lehrer und räumt mit diesen erst einmal auf. Zum einen seien die Schwerter gar nicht so schwer, wie sie aussehen. "Viele denken, ein Fechtschwert wiegt zwischen 5 und 15 Kilo. Das stimmt nicht. Es sind gerade einmal 1,4 bis 1,7", sagt Schüle. Zum anderen sei Schwertfechten nicht grobschlächtig, wie es in vielen Filmen gezeigt wird. "Trotzdem spürt man die Nachhaltigkeit. Jede Aktion hat eine Folge." Dies erklärt er auch seinen Schülern. Die sollen überlegen, bevor sie handeln. Weil es für Anfänger allerdings gar nicht so leicht ist, jede Reaktion vorherzusehen, kämpfen sie nicht mit den langen Klingen, sondern mit einem Kendo, einem Stab aus Bambus. Zudem trägt jeder Schwertfechter spezielle Handschuhe und, wenn freier Kampf auf dem Programm steht, auch eine Fechtmaske.

So weit ist es momentan allerdings noch nicht. Michael Schüle demonstriert eine neue Übung. Als er die lange Klinge nach unten sausen lässt, bewegt er sich, als tanze er zu klassischer Musik. Seine Lippen werden von einem Lächeln umspielt. Ein so grimmiger Gesichtsausdruck wie bei Aragorn, dem Herr-der-Ringe-Held, sucht man vergebens. Brutal geht es vielleicht auf den Schlachtfeldern im Film zu, nicht aber im Gymnastikraum in Zuffenhausen.