Der Autoschalter der Volksbank in der Tiefgarage am Arsenalplatz. 1976 wird er zum Schauplatz eines spektakulären Raubzugs. Foto: Volksbank Ludwigsburg

Vor 40 Jahren erleichterten Verbrecher die Ludwigsburger Volksbank um viel Geld – ganz ohne Überfall. Der damalige Chefermittler Hermann Dengel erklärt, wie die Suche nach den Tätern lief – und welche Rolle der VfB Stuttgart bei dem Raubzug spielte.

Ludwigsburg - Hätte Hermann Dengel nur ein wenig später bei der Ludwigsburger Kripo angefangen – einer der größten Betrugsfälle in der Stadtgeschichte wäre vielleicht nie aufgeklärt worden. Denn als Dengel 1976 in die Abteilung für Wirtschaftskriminalität wechselte, war die Lage verzwickt. Gesucht wurden zwei Männer, ein Aktenkoffer – und 250 000 Mark. Das Geld gehörte der Ludwigsburger Volksbank, aber plötzlich war es verschwunden. Für den jungen Kommissar der erste spektakuläre Fall in seiner Karriere.

Geschichte und Historie machen mir einfach Spaß“, sagt Dengel heute. Seit gut zehn Jahren ist der 70-Jährige im Ruhestand, doch die großen Ermittlungen seiner Laufbahn lassen ihm keine Ruhe. Regelmäßig erzählt er im MIK (Museum, Information, Kunst) von ihnen, das nächste Mal am kommenden Sonntag um 16 Uhr unter dem Titel „Skurrile Kriminalfälle aus Ludwigsburg“. Zum Schmunzeln solle die Veranstaltung sein, erklärt Dengel, trotz des ernsten Themas. Die meisten der etwa zehn Fälle, von denen er am Sonntag erzählen wird, hat er selbst ermittelt. Damit sich seine Besucher noch mehr einfühlen können, zeigt Dengel alte Zeitungsausschnitte und historische Bilder – zum Beispiel aus der Tiefgarage der Volksbank.

Der Tatort: im Keller der Volksbank

Denn der Schauplatz des Verbrechens im Jahr 1976 ist ein ganz besonderer, am Hauptsitz der Volksbank in der Arsenalstraße. Dorthin ist das Geldhaus 1966 gezogen und hat eine neue Attraktion unter die Erde gelegt: Einen Schalter, an dem Kunden mit ihrem Auto vorfahren können, um Geld abzuheben. Automaten sind zu diesem Zeitpunkt zwar schon auf dem Markt, aber nicht sehr verbreitet. Die Volksbank bewirbt den Schalter im Keller mit dem Slogan „Für Ihre Bequemlichkeit“.

Doch der Job in der Tiefgarage ist nicht sehr beliebt, die Arbeitsstunden für die Angestellten sind oft lange und einsam. Und so kommt es, dass sich ein Betrüger das Vertrauen eines Schalterangestellten erschleichen kann. Immer wieder taucht er in die Tiefgarage auf, redet auf den Mitarbeiter ein und hat ihn irgendwann so weit, dass er hinter die Glasscheibe darf. Auch an dem Tag, an dem das Geld verschwindet.

Zwei Hinweise helfen den Ermittlern

Am Telefon meldet sich eine Männerstimme, die behauptet, für die Volksbank in Markgröningen zu arbeiten. Man brauche 250 000 Mark, die am Autoschalter bereitgestellt werden sollen. Der Angestellte in der Tiefgarage tut, wie ihm geheißen. Und tatsächlich: Am nächsten Tag kommt ein Mann mit einem Aktenkoffer, der die Scheine abholt. Im Gegenzug legt er einen Scheck über die Summe auf den Schalter. Nur: Die Volksbank Markgröningen braucht gar keine Viertelmillion, und einen offiziellen Boten gibt es nicht. Doch das weiß der Bankangestellte zu diesem Zeitpunkt noch nicht.

Als die Polizei wenig später alarmiert wird, fehlt von allen Beteiligten jede Spur. Vom Mann, der das Vertrauen des Angestellten erschlichen hat, vom angeblichen Geldboten, und auch der Schalterangestellte selbst hat sich aus dem Staub gemacht.

Schnell ist aber klar, dass er nichts mit dem Verschwinden der 250 000 Euro zu tun hat, sondern in Panik die Flucht ergriff. Stattdessen gerät der Mann, der sich allzu oft an dem Autoschalter in der Tiefgarage herumgetrieben hat, in den Fokus der Ermittler. Offensiv bietet er sich als Zeuge an, immer wieder wird er befragt. Beweise oder Indizien gibt es keine – bis sich ein Gastwirt aus dem Rems-Murr-Kreis meldet.

Nach Jahren treffen sich Täter und Kommissar wieder

Er bringt die Kripo auf die Spur von mehreren Konten, die der Verdächtige unter falschem Namen bei verschiedenen Banken angelegt hat. Zusammengerechnet liegen dort 125 000 Mark. Im Verhör gesteht der Mann zwar, die Konten illegal angelegt zu haben, den Betrug leugnet er aber. Die Ermittler vermuten, dass er den Autoschalter ausspioniert hat, um eine günstige Gelegenheit für den Raubzug zu finden.

Es vergehen weitere Monate, ehe ein weiterer Hinweis den Beamten auf die Sprünge hilft. Er führt zu jenem Mann, der das Geld aus der Bank abgeholt hat. In seinem Hauptberuf ist er Jugendtrainer beim VfB Stuttgart, seine Leidenschaft für teure Autos und Sammlerobjekte finanziert er aber auf andere, illegale Art und Weise. Er gesteht im ersten Verhör. Beide Männer kommen vor Gericht, der Betrüger, der das Vertrauen des Bankmitarbeiters ausgenutzt hatte, muss viereinhalb Jahre in Haft.

Vor einigen Jahren hat Dengel den Mann wiedergetroffen. Böse sei er ihm nicht gewesen, sagt der Ex-Kommissar. Im Gegenteil: „Der nahm das sportlich.“

Die Kripo und die Kommunalpolitik

Karriere
1973 kam der gebürtige Tauberbischofsheimer Hermann Dengel zur Ludwigsburger Kriminalpolizei und dort in die Abteilung für Betrugs- und Wirtschaftsdelikte. Die Kripo hatte damals ihren Sitz in der Eberhardstraße – in dem Gebäude, in dem heute das MIK (Museum, Information, Kunst) untergebracht ist. 1991 wechselte Dengel in die Kriminalprävention und arbeitete dort bis 2008, als er mit 60 Jahren in den Ruhestand ging. Insgesamt war Dengel 36 Jahre im Dienst der Polizei. Im April wird er 71 Jahre alt.

Ehrenamt
Bei der Kommunalwahl 2014 zog der pensionierte Kommissar für die Freien Wähler in den Ludwigsburger Gemeinderat ein, ebenso sitzt er aktuell im Kreistag. Dort war er bereits zwischen 2004 und 2008 aktiv. Bei den kommenden Wahlen im Frühjahr tritt Dengel erneut an. Lange Jahre engagierte sich der ehemalige Erste Hauptkommissar für die Opfer von Verbrechen und Straftaten, inzwischen hat er sein Amt als Leiter der Außenstelle Ludwigsburg des Weißen Rings abgegeben.

Veranstaltung
Der Vortrag „Skurrile Kriminalfälle aus Ludwigsburg“ mit Hermann Dengel findet am Sonntag, 20. Januar, um 16 Uhr im MIK in der Eberhardstraße 1 statt. Der Eintritt kostet fünf Euro. Diese Veranstaltung wird dann nochmals am 21. Juli angeboten. Dengel bietet auch Führungen durch das Gebäude an oder lädt zum „Krimiabend mit dem Kommissar“ ein, bei dem er Fernseh-Kommissaren gemeinsam mit dem Publikum auf die Finger schaut. Beide Veranstaltungen sind auf Anfrage buchbar. Weitere Informationen gibt es im Netz unter www.mik.ludwigsburg.de.