„Bekommt ihr auch schöne Fotos?“, fragt ein aufgekratzter Trump die Reporter nach der Unterzeichnung der Vereinbarung von Singapur. Foto: AFP, Getty

Der US-Präsident ist stolz auf seinen historischen Handschlag mit dem nordkoreanischen Diktator. Aber was hat das Treffen tatsächlich gebracht? Und welche wesentlichen Vereinbarungen fehlen?

Singapur - Auch wenn US-Präsident Donald Trump sich als Macher darstellt und Diktator Kim Jong-un großzügig ins Weiße Haus eingeladen hat, hat der Nordkoreaner beim Treffen in Singapur nach Ansicht von Experten das bessere Geschäft gemacht. „Die gemeinsame Erklärung enthielt noch weniger konkrete Details als die Erklärung von Panmunjom in der vergangenen Woche“, sagt Ben Forney vom Asan Institute for Policy Studies in Seoul. Zwar erklärte sich Kim zur „vollständigen Denuklearisierung“ bereit. „Doch es fehlen überprüfbare Kriterien dafür.“ Stattdessen konnte Kim sich als wichtiger Führer bestätigt fühlen. Beide haben eine Reihe von schwierigen Fragen angerissen und eine Vereinbarung unterzeichnet.

Wird die atomare Abrüstung gelingen?

Die Denuklearisierung war Kernthema des Treffens. Offenbar war hier die Grundlinie längst klar. Beide Seiten haben sich letztlich auf eine weiche Formulierung geeinigt, die eine Verbannung von Kernwaffen von der Koreanischen Halbinsel vorsieht. Kim hatte das schon vor Wochen angeboten, Trump hatte es gefordert, es passte also alles zusammen. Letztlich fanden sich die entscheidenden Sätze auch im Abschlussdokument wieder: Nordkorea verpflichtet sich verbindlich, sein Arsenal abzubauen. Trump zufolge betrifft das auch die Trägerraketen und eine Testanlage für Raketentriebwerke, die mit als Erstes außer Betrieb gehen soll. Dies sei besonders gut überprüfbar, weil sich die Hitze der Triebwerke mit Satelliten nachweisen lasse.

Gibt es konkrete Zeitpläne, wurden Inspektionen vereinbart?

Das Abschlussdokument enthält keine konkreten Termine und Meilensteine für den Abbau des atomaren Arsenals. Trump besteht darauf, dass dies nicht so wichtig sei: Wenn die Verschrottung einmal beginne, sei sie praktisch sofort unumkehrbar. Eine logische Begründung lieferte er nicht, nur den Verweis auf einen Professor, der das behauptet. Ebenso enttäuschend ist die Auslassung von Regeln für die Überprüfung des Atomabbaus. Der gängige Mechanismus sind Inspektionen durch unabhängige Experten. So können Aufseher der Internationalen Atomenergie-Organisation die Außerbetriebnahme der Reaktoren beiwohnen und die Gerätschaften versiegeln. Die Zulassung von Inspektionen gilt als Goldstandard für ehrliche Abrüstung. Das Dokument wäre deutlich wertvoller, wenn sich darin zumindest eine Erwähnung der Überprüfungsmechanismen fände.

Stimmt Trumps Eigenlob, historisch Einmaliges erreicht zu haben?

Sein Erfolg, erklärt Trump nach dem Gipfel, gehe weit über das hinaus, was andere Präsidenten vor ihm mit Nordkorea erreicht haben. Experten widersprechen. Bereits 1993 und danach noch mehrfach haben Kims Vater und Großvater ähnliche Vereinbarungen unterschrieben – und stets wieder gebrochen. Deshalb wollten Trumps Vorgänger George W. Bush und Barack Obama den Nordkoreanern keine Zugeständnisse machen, ohne dass diese konkret in Vorleistung gehen. Hier sieht Forney ein großes Defizit des Gipfels. Trump hat von Kim bisher nur ein Versprechen bekommen. Im Gegenzug habe er sich leichtfertig bereit erklärt, gemeinsame Militärmanöver mit Südkorea aufzugeben. Das Zugeständnis hätte Trump teurer verkaufen sollen, meint Experte Forney.

Was bedeutet das Ende der Manöver in koreanischen Gewässern?

Trump begründet die Abkehr von den traditionellen Manövern der USA mit Südkorea auch mit den hohen Kosten. Offenbar war das ein Herzenswunsch Kims. Kein Wunder: Die USA haben die Leistungsschau ihres Kriegsgeräts direkt vor Kims Haustür abgehalten und damit jedes Mal eine Drohung an seine Adresse geschickt. Die Aufgabe der Manöver entspricht Experten zufolge einer Schwächung der Militärpräsenz, die Südkoreas und Japans Sicherheit garantiert. Trumps Ankündigung hat in Seoul überrascht. An diesem Punkt sei es nötig, die „Bedeutung und Absicht“ der Bemerkungen zu klären, so das Präsidialamt.

Wie stellt sich Trump die Zukunft Nordkoreas vor?

Trump hat Kim ein Video gezeigt, das ihm PR-Experten gebastelt haben. Darin zeigt er eine Skyline von Pjöngjang mit geschwungenen Wolkenkratzern, glücklichen, wohlgenährten Koreanern. Er wollte Kim damit sagen, dass die Zukunft Nordkoreas so aussehen könne, wenn er mitspiele. Konkret fordert er Kim auf, die Grenzen zu öffnen und japanische und chinesische Investitionen zu akzeptieren. „Vielleicht wollen sie auf diese Vision hinarbeiten, vielleicht nicht“, sagte Trump und unterstellte, das sei auch die Entscheidung des nordkoreanischen Volkes. Dabei wird es vor allem in Kims Interesse liegen, eine lückenlose Kontrolle über die Grenzen und alle Teile der Gesellschaft aufrechtzuerhalten.

Ging es bei dem Gipfel auch um die Menschenrechte?

Trump behauptet, die Behandlung der Nordkoreaner durch ihren Staat zum Thema gemacht zu haben. Was er genau gefordert hat, ist jedoch nicht bekannt. Im Abschlussdokument sind sie nicht erwähnt. Zu einem guten Teil waren es die Handelsschranken, die Kim an den Verhandlungstisch zwangen. Trump hat wohl die Chance verspielt, wirklich Zugeständnisse zu gewinnen – etwa in Menschenrechtsfragen. Schließlich befinden sich immer noch Staatsbürger von verbündeten Staaten in Nordkorea in Gefangenschaft. Die Unklarheit über die Sanktionen ist fatal. China hat bereits angedeutet, ja bald wieder den Handel mit Nordkorea aufnehmen zu können – gebe es doch einen Friedensprozess und einen Handschlag mit Trump.