Silvesterkarte vom Eisvergnügen auf dem Neckar bei der König-Karls-Brücke zwischen Stuttgart und Cannstatt. Foto: Sammlung Wolfgang Müller

Ein Prosit auf das alte Stuttgart! Mit Sehenswürdigkeiten der Stadt hat man früher seine Wünsche für das neue Jahr verschickt. Unser Stuttgart-Album zeigt historische Grußkarten, die Geschichten erzählen.

Der Schneemann mit der Pfeife im Mundwinkel ist gut drauf. Lächelnd grüßt er aus einem Winter, in dem es in Stuttgart noch reichlich geschneit hat. Zwischen Weihnachten und Silvester war’s damals noch weiß. Das Leben des coolen Gesellen war noch nicht vom Klimawandel bedroht. Heute geht zum Jahreswechsel auf 16 Grad hoch. Der Schneemann hat noch gut lachen. Um seinen Hals hängt eine Tafel, die zeigt, wo sich vor über hundert Jahren schon das Herz der Stadt befand.

Der Schlossplatz ist mit kraftvollen Bäumen reich bestückt, der Musikpavillon steht nicht an der Königstraße, sondern noch bei der Jubiläumssäule. Stuttgarts Hügel liegen im Schnee und sind kaum bebaut. „Prosit Neujahr“ hat der Absender oder die Absenderin mit dieser schönen Karte gewünscht. Beschrieben ist sie auf der Vorderseite, wie’s zu jener Zeit üblich war.

1905 wurden Cannstatt und Stuttgart vereint

Ein Jahr geht – und wir wünschen uns gegenseitig Glück. Denn das neue Jahr hat eine Chance verdient, besser zu werden.

Einst war zum Jahreswechsel der Neckar zugefroren, wie auf einer weiteren Silvesterkarte zu sehen ist. Schlittschuhläufer vergnügen sich darauf bei der König-Karls-Brücke . Diese Karte ging auf dem Postweg mit Glückwünschen zum neuen Jahr weit über die Stadt hinaus. „Gruß aus Stuttgart“ steht auf der Vorderseite. Damit steht fest, von wann sie stammt. Muss nach 1905 gewesen sein, denn da erfolgte der Zusammenschluss von Cannstatt und Stuttgart. Sonst wäre dort gestanden: „Gruß aus Cannstatt“.

1933 ist Cannstatt zu Bad Cannstatt geworden. Den Titel Kur- und Heilbad trägt der älteste und größte Stadtbezirk von Stuttgart nicht umsonst: Bad Cannstatt hat mit mehr als 500 Litern pro Sekunde nach Budapest die zweitgrößte Mineralwasserausschüttung in Europa.

Blicken wir auf eine Silvesterkarte, die 1902 verschickt worden ist: Auf dem Tisch steht eine dampfende Suppenschüssel, der Rotwein ist zum Anstoßen eingeschenkt. In der Wohnstube, die mit dem Schlossplatz auf der Neujahrskarte abgebildet ist, die 1902 verschickt wurde, sieht man keine Menschen. Und wer Menschen vor dem Neuen Schloss entdecken will, muss ganz genau hinschauen.

Worauf die Menschen damals stolz waren

Alte Grußkarten erzählen Geschichten. Oftmals sind vier Zahlen groß zu lesen. „Herzlichen Glückwunsch zum neuen Jahr sendet Karl Zing“, steht in akkurater Kurrent-Schrift auf der Karte aus dem Jahr 1903. Damals durften Postkarten nur auf der Vorderseite beschrieben werden. Bis 1905 gehörte die Rückseite allein der Postadresse und der „Freimachung“, wie dort vermerkt worden ist.

Wer die Fotos in den verzierten Zahlen der 1903er Karte genau betrachtet, erkennt, worauf die Menschen in Stuttgart vor 120 Jahren sehr stolz gewesen sind. Die Sehenswürdigkeiten also waren: der Eugensbrunnen, der Nachtwächterbrunnen, die Johanneskirche, der Schlossplatz – und das Interimstheater. Wie sich alles wiederholt! Wegen der dringend notwendigen Sanierung des Opernhauses braucht Stuttgart erneut eine Interimslösung.

Die Ausgangslage vor über 100 Jahren war eine andere: Im Januar 1902 war das Hoftheater, das sich an jener Stelle befand, auf dem heute der goldene Hirsch über dem Kunstgebäude thront, abgebrannt. In nur neun Monaten ließ König Wilhelm II., ein Freund der Künste, auf dem Platz des heutigen Landtags ein Ersatztheater bauen. Bis 1912 war das Provisorium die Heimat der Bühnenwelt, ehe das Doppeltheater nach den Plänen von Max Littmann fertig war – mit Großem Haus und Kleinem Haus, wie man zur Oper und zum Schauspiel sagte.

1902 ist das Hoftheater abgebrannt

Prosit Neujahr! Viel hat sich geändert in der Stadt – nicht aber der schöne Brauch, seinen Mitmenschen zum Jahresende ein gutes Neues zu wünschen. Damals wie heute gilt: Ein Jahr ist für alle gleich lang. Und niemals weiß man vorher, was man daraus machen kann und was nur ein Traum bleibt.

Diskutieren Sie mit unter: www.facebook.com/Album.Stuttgart. Abonnieren Sie kostenlos den Newsletter „StZ Damals“!