Ohne Autoverkehr und Parkplatzprobleme: So sah es im Hörnle aus, als die meisten Häuser noch nicht bezogen waren. Foto: Stadtarchiv

Die Sammlung im Marbacher Stadtarchiv wurde um historische Fotos, aber auch ein Kleid ergänzt, das der Gattin eines Schultes gehört hatte.

Für alle, deren Herz für Lokalgeschichte schlägt, ist das Marbacher Stadtarchiv eine echte Fundgrube. Man kann sich dort über Bilder, Nachlässe und Schriften in längst vergangenen Epochen verlieren. Jahr für Jahr vermeldet Stadtarchivar Albrecht Gühring zudem Neuzugänge für die Sammlung, die das Stöbern in den Bergen von Unterlagen und den Blick in die Lagerräume noch attraktiver machen.

Mehr als 100 Jahre altes Brautkleid

Ein besonderes Schmankerl darunter ist ein Brautkleid, das Gühring unlängst in Empfang nehmen konnte. Es gehörte einst der Gattin des ehemaligen Marbacher Bürgermeisters Johannes Härtner, der von 1903 bis 1907 den kommunalpolitischen Takt in der Schillerstadt vorgab. „Das Kleid ist in einem superguten Zustand“, konstatiert Gühring. Es sei schwarz und nicht weiß – was durchaus typisch für die Zeit war. „Früher hat man so geheiratet“, sagt der Fachmann. Das Kleid hätten Verwandte verwahrt gehabt, ehe es dem Archiv übergeben wurde.

Nur kurz am Ruder

Dass es bei dem Namen Härtner womöglich nicht bei jedem sofort klingelt, mag daran liegen, dass nach dem einstigen Bürgermeister in Marbach kein Gebäude und keine Straße benannt ist. Außerdem war er nur kurze Zeit am Ruder. Nach nur vier Jahren im Amt sei Härtner 1907 verstorben, berichtet Gühring.

18 Jahre nach seinem Ableben entstand ein Foto, das Gühring ebenfalls aus einem Privatbesitz übernommen hat: Es zeigt eine Außenansicht der noch heute in Marbach beheimateten Apotheke Palm und liefert auch einen kleinen Eindruck davon, wie die Marktstraße anno 1925 ausgesehen hat. 1926 ist eine weitere interessante Aufnahme entstanden, die das Archiv seit Neuestem bereichert. Aufgereiht haben sich für das Foto vor einer Treppe auf der Schillerhöhe Damen und Herren des Arbeiter-Radfahrvereins Marbach. Im Hintergrund erkennt man das Schiller-Denkmal, damals noch eingezäunt. Das Rielingshäuser Pendant des Vereins der Radliebhaber sei relativ gut dokumentiert, sagte Gühring nun im Verwaltungsausschuss des Gemeinderats, wo er seinen Jahresbericht vorstellte. Im Hinblick auf Zeugnisse zur Geschichte der Pedaleure in der Kernstadt sei man indes noch relativ schwach auf der Brust. Umso mehr freut er sich also über Fotos wie dieses.

Stadtteil vor dem Bezug

Aufschlussreich ist auch eine Postkarte, die das Hörnle 1960 aus der Luft zeigt. Und zwar in einem frühen Stadium, als die meisten Häuser gar nicht bezogen waren. Man könnte fast meinen, es handele sich nur um ein Modell der Siedlung.

Bürger schreibt Erinnerungen nieder

Wertvolle Einblicke in die Alltagsgeschichte liefert die Biografie „Mein Leben“ des inzwischen verstorbenen Rielingshäusers Günter Trefz, die jetzt ebenfalls im Archiv liegt. „Da steht sehr viel über Rielingshausen aus früherer Zeit drin. Das würde man sich von noch mehr Bürgern wünschen“, meinte Gühring und appellierte sogleich in seiner bekannt-süffisanten Art an die Runde, doch „die Erinnerungen aus der beschaulichen Zeit als Gemeinderäte“ zu Papier zu bringen.

Ein Thema, das der Stadtarchivar immer im Blick hat, sind die anstehenden Jubiläen. 2023 steht demnach ganz im Zeichen des Wissenschaftlers Tobias Mayer, der heuer seinen 300. Geburtstag gefeiert hätte. Gar 500 Jahre werden 2025 seit dem Bauernkrieg vergangen sein. „Da hat Marbach eine extrem wichtige Rolle gespielt“, sagte Gühring. Er ist deshalb in Kontakt mit dem Hauptstaatsarchiv, ob man dazu gemeinsam eine Ausstellung auf die Beine stellen könnte.