Zum 171. von Wilhelm II.: Geburtstagsdinner im Stadtpalais. Foto: Lichtgut/Achim Zweygarth

Für einen Abend hat das Stadtmuseum König Wilhelm II. auferstehen lassen. Gereicht wurde eine königliche Lieblingsspeise: Suppe, Wurst und Ofenschlupfer.

Stuttgart - Nachts im Museum feiern Königs Party. Genauer gesagt: Montagabends im Stadtpalais. Unter dem Applaus der Festgesellschaft lassen sich König Wilhelm II. und seine Gattin, Königin Charlotte auf prunkvollen Stühlen an der Festtafel im Foyer des Stadtpalais nieder, das bis vor kurzem noch Wilhelmspalais hieß. Er im schwarzen Frack, sie in einem mit weißer Spitze besetzten schwarzen Festkleid. Anlass ist der 171. Geburtstag von Wilhelm II. an diesem 25. Februar, den der König mit seiner inzwischen auch schon 154-jährigen Gemahlin und rund 100 Festgästen – vom Legationsrat über den Salzsteuerverwalter bis zur Hofschauspielerin – in seinem früheren Wohnhaus feierlich begeht.

Um der Wahrheit genüge zu tun, muss hinzugefügt werden, dass es sich bei Wilhelm II. um Marco Buchholz handelt, einen 38-jährigen Werbegrafiker und bei Königin Charlotte um Anja Laman, 42, Assistenz der Museumsleitung. Und die Festversammlung ist kein erlesener Kreis Hochmögender, sondern setzt sich in Wahrheit aus Bürgern zusammen, die für 18 Euro ein Ticket gelöst haben, um bei dem Geburtstagsdinner für den populären vierten und letzten württembergischen König dabei zu sein und mit ihm sein Lieblingsessen einzunehmen: Schwarzbrotsuppe, Stuttgarter Schützenwurst mit Kartoffelsalat und Ofenschlupfer mit Vanillesauce. Dazu läuft Wilhelms II. bevorzugte damalige Playlist: Händel, Brahms, Schumann, Chopin – nach einem überlieferten Hofkonzert von 1905.

Comeback der Wilhelms-Statue?

Die Idee zu diesem Historienspektakel stammt vom Stuttgarter Stadtmuseum, das im Wilhelmspalast, eine repräsentative Herberge gefunden hat. Mit diesem Erbe gehen die Museumsmacher geschickt um. Während seiner 22-jährigen Regierungszeit, die 1918 mit der Abdankung endete, hatte der leutselige König immer wieder zu Galatafeln, Festen und Konzerten in seinen Wohnsitz geladen. Warum also mehr als 100 Jahre später hier nicht auch ein Geburtstagsdinner feiern?

Edith Neumann, stellvertretende Museumschefin, führt als kundige Palastdame durch den Abend. Sie plaudert aus dem privaten und öffentlichen Leben des vielseitig interessierten, fortschrittsfreudigen und menschenfreundlichen Monarchen. Man erfährt, dass er in Stuttgart „für jeden den Hut hob“, die Stadt selber aber auch schon mal als „Rattennest“ bezeichnete. Nach seiner unfreiwilligen Übersiedlung nach Bebenhausen hat er sie nie wieder betreten.

In den Essenspausen brilliert Albrecht Ernst vom benachbarten Hauptstaatsarchiv mit königlichen Anekdoten. In Würdigung des „Bürgerkönigs“ empfiehlt er, die an den Rand des Grundstücks versetzte Statue Wilhelms mit dessen Spitzhunden Ali und Ruby wieder prominent vor dem Palais zu platzieren. Auch dafür gibt’s am Ende eines gelungenen Geschichts- und Geschichtenabends (bei dem lediglich an der kerzenlosen Tischdekoration Abstriche zu machen sind) viel Applaus.

Das Schlussbild gehört dem Monarchenpaar. Nachdem sie sich getrennt in ihre Gemächer verabschiedet haben, macht Wilhelm II. plötzlich kehrt und rennt Charlotte die Treppe hoch nach. Ganz schön rüstig für sein Alter.