Der Wettkampf zwischen Donald Trump und Hillary Clinton um das Präsidentenamt gilt als einer der heftigsten in der Geschichte der USA. Foto: AFP

Die gescheiterte US-Präsidentschaftskandidatin gibt in einem neuen Buch Einblicke in ihr Gefühlsleben. Warum sie gegen Donald Trump verloren hat, hat sie selbst noch nicht richtig begriffen.

Washington - Die Erwartungen sind hoch. Monatelang hüllte sich Hillary Clinton in Schweigen. „Ich hatte das Gefühl, in der Öffentlichkeit vorsichtig sein zu müssen. Ich fühlte mich wie auf einem Hochseil ohne Netz“, berichtet die gescheiterte Kandidatin für das US-Präsidentenamt. Doch das sei vorbei: „Nun schiebe ich meinen Schutzschild beiseite.“

Noch immer ist die desaströse Niederlage gegen Donald Trump bei den US-Demokraten nicht wirklich aufgearbeitet. Auch deshalb warten viele Amerikaner gespannt auf Clintons Erinnerungsbuch „What Happened“ (auf Deutsch: „Was geschah“), das am nächsten Dienstag erscheint. Doch einzelne Zitate sind schon in den vergangenen Tagen an die Öffentlichkeit gelangt. Und nun hat ein CNN-Korrespondent eine Ausgabe des 494-seitigen Bandes aufgetan. Er bietet interessante Einblicke in das Denken und Seelenleben der Ex-Kandidatin.

Vorsichtige Kritik an Obama und Biden

Den Berichten zufolge übernimmt Clinton in gewissem Umfang die Verantwortung für ihre Wahlniederlage. „Ich war die Kandidatin. Es war meine Kampagne. Es waren meine Entscheidungen“, schreibt die 69-Jährige. Sie beklagt aber auch einen unterschwelligen Sexismus, der ihr geschadet habe. Eher vorsichtig kritisiert sie Ex-Präsident Barack Obama und seinen Stellvertreter Joe Biden. Doch eine kaum verhüllte Breitseite feuert Clinton gegen den linken Senator Bernie Sanders ab, der unfreiwillig den Weg für Trump geebnet habe.

Als ihren eigenen Hauptfehler gesteht Clinton – laut CNN mal in trotzigem, mal in versöhnlichem und selten in verletztem Ton – ein, dass sie das Umfeld ihrer Bewerbung falsch eingeschätzt habe: „Ich habe nicht bemerkt, wie schnell sich der Boden unter unseren Füßen veränderte.“ In der Folge habe sie eine traditionelle Präsidentschaftskampagne mit verantwortungsvollen Versprechen und gewissenhaft austarierten Koalitionen gefahren.

„Ich bin ratlos“

Ihr Gegenkandidat Trump aber habe „eine Reality-TV-Show veranstaltet, die meisterhaft und unerbittlich die Wut und die Feindseligkeiten vieler Amerikaner befeuerte“. Konkret räumt Clinton ein, es habe schlecht ausgesehen, dass sie nach den Erfahrungen der Finanzkrise bezahlte Reden vor Wall-Street-Bankern gehalten habe. Die Nutzung des privaten E-Mail-Kontos während ihrer Zeit als Außenministerin sei „dumm“ gewesen. Am meisten bedauere sie aber ihre im Wahlkampf gemachte Ankündigung: „Wir werden viele Kohle-Kumpel um ihre Arbeit bringen.“

Doch ganz lässt sich ihre mangelnde Popularität auch nach Meinung Clintons mit diesen Fehltritten nicht erklären. In einer aktuellen Umfrage des Senders NBC und des „Wall Street Journal“ sinkt Präsident Trump zwar auf ein neues Tief mit nur 36 Prozent Zustimmung, aber seine einstige Gegenkandidatin wird auch nach sechs Monaten des Chaos im Weißen Haus von gerade mal 30 Prozent der Befragten positiv beurteilt. „Was macht mich zu einem solchen Blitzableiter für den Zorn der Menschen?“, fragt Clinton selbst in dem Buch: „Ich bin ratlos. Ich denke, es hängt teilweise damit zusammen, dass ich eine Frau bin.“

Eine glückliche Ehe mit Bill Clinton

Auch ihrem linken Kontrahenten Bernie Sanders, gegen den sich Clinton bei den Vorwahlen der Demokraten durchsetzte, schreibt sie eine erhebliche Verantwortung für die Niederlage der Demokraten zu. Er habe verantwortungslose Versprechen gemacht und ihren Charakter in Zweifel gezogen. „Diese Angriffe haben dauerhaften Schaden angerichtet, es schwerer gemacht, die progressiven Kräfte im Wahlkampf zu bündeln und letztlich den Weg für Trumps Kampagne gegen die ‚betrügerische Hillary‘ geebnet“, schreibt Clinton. Sanders habe nicht das Weiße Haus für die Demokraten erobern, sondern die Demokratische Partei erschüttern wollen.

Geschockt und betäubt habe sie dann am Wahlabend das Debakel aufgenommen, während ihr Ehemann Bill nervös auf einer kalten Zigarre herumgekaute. Ihre Ehe habe ihr „viel, viel mehr glückliche als unglückliche Tage“ beschert, gewährt die Politikerin einen raren Einblick in ihr Privatleben. Während der Lewinsky-Affäre habe sie sich gefragt, ob sie ihren Mann noch liebt: „Die Antwort war Ja.“