Wertvolle Zeit: Marijana Jovicic hat die Kinder in Honduras ins Herz geschlossen. Foto: privat

Mal voll ganz für andere da sein - das wollten eine Stuttgarter Kita-Leiterin und ihr Mann. Der Weg führte sie für ein Jahr nach Honduras.

Stuttgart - Na, wie heißt die Hauptstadt von Honduras? Tegucigalpa ist es. Wie vielen Deutschen war das auch Marijana und Danijel Jovicic fremd. „Wir konnten das nicht einmal aussprechen“, erzählt der 42-Jährige lachend. Ausgebremst hat es das Ehepaar aber nicht: Gemeinsam sind sie für ein Jahr Sonderurlaub in die lateinamerikanische Republik gereist, um dort Kinder zu unterrichten und Menschen psychologisch zu helfen. Jetzt sind sie zurück - und haben viel zu erzählen.

„Wir haben in der kurzen Zeit tiefere Beziehungen aufgebaut als hier in vielen Jahren“, berichtet die 36 Jahre alte Kita-Leiterin der „Wilden Hilde“ an der Olgastraße in Stuttgart. 5000 Einwohner habe das nächste Dorf in Honduras. Gelebt haben sie auf einem Campus – mit rund 40 Studenten, Medizinern und Missionaren, dafür ohne Strom. „Man ist dort wach mit dem ersten Sonnenstrahl – und bis zum letzten im Dienst“, sagt sie.

Die ärmlichen Verhältnisse in den Bergen lassen die beiden kaum los. Wasser gibt es nur vom Bach. „Wenn es regnet, ist es braun. Die Wäsche wird dort gewaschen, und nebenbei werden die Karotten geschält“, berichtet die Erzieherin. In den winzigen Hütten leben die Menschen häufig mit abgemagerten und schmutzigen Tieren zusammen.

Von „Downtown Stuttgart“ in die Natur

Nach den aufregenden ersten vier Wochen mit vielen neuen Eindrücken hätten sie in den folgenden zwei Monaten manchmal ganz schön die Zähne zusammenbeißen müssen. „Ich mag Kochbananen - aber nicht nur“, bilanziert die Kita-Leiterin und lacht. Dazu kam der Wechsel „von Downtown Stuttgart mitten in die Natur“, wie Danijel Jovicic es nennt. Frösche, Skorpione, Stechmücken gebe es dort reichlich. „Schwer gefallen ist es uns auch, immer von anderen abzuhängen. Es gab zum Beispiel nur ein Auto für alle“, so Danijel Jovicic.

Dann allerdings kam irgendwann der Zeitpunkt, wo dem Paar die ganzen äußeren Umstände egal wurden. Was dann zählte, waren die Beziehungen. Beziehungen zu den Erwachsenen, von denen einige selbstmordgefährdet waren und dringend Ansprache brauchten. Und zu den etwa 60 Kindern in der bilingualen Schule, die noch im Aufbau ist. Die 25 Euro Schulgeld im Monat können von den Eltern mit 25 Arbeitsstunden abgeleistet werden. „Die Kinder dürstet nach Anerkennung“, erzählt Marijana Jovocic. Die Familien seien oft sehr groß, der Einzelne gehe da schnell unter. „Es war ein Segen, dass ich jeden sehen konnte. Man hat gemerkt, wie nah sie zu mir sind.“ Ihr Mann bestätigt: „Man sieht, dass man etwas bewegt hat: Die Menschen sind traurig, wenn man geht.“

Die Kinder brauchen viele Anerkennung

Doch was treibt ein Ehepaar dazu, den ganzen deutschen Wohlstand für ein Jahr hinter sich zu lassen und unentgeltlich in ärmlichen Verhältnissen zu arbeiten? „Mein Mann ist 40 geworden - damit hat alles angefangen“, erinnert sich die Frau. In dem Moment entschied das christlich geprägte Paar, mal etwas für andere tun zu wollen - und zwar nicht halbherzig, sondern richtig.

Lange Suche nach einem passenden Projekt

Für ein Jahr sollte es sein, das war klar. Sonderurlaub wollten sie nehmen, eine Kündigung kam nicht in Frage. Doch das Vorhaben war nicht so leicht. „Wir haben in kein Projekt gepasst“, berichtet die 36-Jährige. Meist lag die Altersgrenze bei 27-Jahren. Bei den freikirchlichen Siebenten-Tags-Adventisten, zu denen sie sich zählen, stießen sie schließlich auf den Campus in Honduras. Und der war ein Volltreffer, sind sich beide einig - so sehr, dass sie jetzt ihr künftiges Leben darauf abstellen wollen. Sobald sie ihr Haus in Deutschland abbezahlt hätten, wollten sie wieder hin – vielleicht für immer. Man bezahle dort für nichts, wenn man sich für ein Jahr oder länger verpflichte, und ab zwei Jahrenbekomme man sogar ein kleines Taschengeld.

Mit den Mieteinnahmen von ihrem Haus reiche es fürs Leben. Die Kita-Leiterin schwärmt: „Wir haben tiefere Wurzeln geschlagen, als wir es uns vorgestellt haben. Ich fühle mich richtig gesegnet.“