Ins Esslinger Frauenhaus kommen Frauen, die misshandelt wurden und um ihr Leben fürchten müssen. Doch immer wieder müssen Hilfesuchende abgewiesen werden, weil es keinen Platz gibt. Aber auch bei der Beratung stößt der Trägerverein an Grenzen.
Es sind nicht nur Schläge. Häusliche Gewalt gegen Frauen hat viele Facetten, und der körperlichen Gewalt gehen häufig psychische Repressionen voraus wie Drohungen, Demütigungen, emotionale Erpressung, soziale Isolation oder finanzieller Druck durch den Täter. Der ist kein fremder Mann, sondern meistens der Ehemann oder Freund. Dass die Übergriffe und Grenzverletzungen in ihrem eigenen Zuhause stattfinden, ist für die betroffenen Frauen besonders belastend – einem Ort, der sie eigentlich schützen sollte. Vielen bleibt nur die Flucht in ein Frauenhaus.
23 Frauen finden mit ihren Kindern in Esslingen Schutz
Eine solche Einrichtung betreibt der Verein „Frauen helfen Frauen“ seit mehr als 40 Jahren; er ist auch Träger der Beratungsstelle für Frauen, die Gewalt erlebt haben. Nicht erst zum 40. Jahrestag 2022 hatten die Gründerfrauen sich gewünscht, dass ihre Arbeit irgendwann überflüssig sein wird.
Dem ist nicht so, stattdessen steigt der Bedarf sogar weiter, wie der jetzt vorgelegte Jahresbericht 2023 des Vereins „Frauen helfen Frauen“ zeigt. Demnach musste das Frauenhaus 104 Frauen und 120 Kinder abweisen, weil keine Plätze mehr frei waren. 2023 lebten 23 Frauen und 27 Kinder im Esslinger Frauenhaus. Die meisten Frauen waren zwischen 23 und 40 Jahre alt, der Großteil der Kinder war jünger als zwölf Jahre.
Die Zahl der Beratungskontakte ist im Vergleich zum Vorjahr um 16 Prozent und damit deutlich gestiegen. Die Fallzahlen hingegen sind laut Bericht kaum mehr geworden. Insgesamt wandten sich 216 Personen an die ambulante Beratungsstelle in Esslingen, in diesem Zusammenhang gab es 755 Kontakte.
Der Anlass, die Beratungsstelle aufzusuchen, sei zwar nach wie vor häusliche Gewalt, die Frauen und Kinder hätten aber oft noch mit vielen anderen Problemen zu kämpfen, etwa Schulden, drohende Obdachlosigkeit oder gesundheitliche Probleme. „Die Fülle der Themen hat stark zugenommen und damit auch der Bedarf an umfassender und ganzheitlicher Unterstützung“, erklärt der Jahresbericht den Anstieg der Kontakte. Die Ressourcen der sechs hauptamtlichen pädagogischen Mitarbeiterinnen, die mit einem Arbeitszeitvolumen von 480 Prozent für Frauenhaus, Beratungsstelle und Interventionsstelle zuständig sind, würden damit an ihre Grenzen stoßen. Der Anspruch, den Betroffenen in Krisensituationen „Hilfe aus einer Hand“ anbieten zu können, müsse immer häufiger aufgegeben werden, gleichzeitig sei die Arbeitsbelastung der Mitarbeiterinnen sehr hoch, heißt es weiter.
Dies liege auch an der prekären Finanzierung. „Trotz vieler Bemühungen reichen die Zuschüsse von Land, Stadt und Landkreis nicht aus, um die Kosten der ambulanten Beratungsstelle zu decken“, kritisiert der Verein und fordert ein Umdenken in der Politik, man sei daher weiterhin auf Spenden angewiesen. Immerhin hat der Verein 2024 eine 20-Prozent-Stelle für Öffentlichkeits- und Präventionsarbeit geschaffen, die die Kolleginnen von diesen Aufgaben entlasten soll. Eine weitere halbe Stelle sei geplant, deren Finanzierung aber noch nicht bewilligt sei.
Wie sehr ist die Frau gefährdet?
Bei einem Polizeieinsatz wegen häuslicher Gewalt informieren die Beamten die betroffenen Frauen noch in der akuten Situation vor Ort über die Hilfe der Interventionsstelle. Mit dem Einverständnis der Gewaltopfer gibt die Polizei deren Kontaktdaten an die Interventionsstelle weiter. „So werden auch die erreicht, die von sich aus keine Beratung in Anspruch nehmen würden“, nennt der Bericht als Vorteil, die Frauen müssten nicht mehr initiativ werden. In dem Gespräch mit den Frauen wird vor allem deren Gefährdungslage abgeklärt. 48 solcher Einverständniserklärungen gingen 2023 in der Esslinger Interventionsstelle ein. Bei der Hälfte dieser Fälle hatte die Polizei einen Wohnungsverweis für den Täter ausgesprochen.