Milliardenschweres Hilfspaket in der Corona-Krise: Die Finanzminister der Eurozone haben sich auf einen Kompromiss verständigt. Foto: dpa/Oliver Berg

Nach langen und nervenaufreibenden Verhandlungen steht die gemeinsame europäische Antwort auf die Corona-Wirtschaftskrise. Die EU-Finanzminister haben sich auf milliardenschwere Hilfen für gefährdete Staaten, Firmen und Jobs geeinigt. Die wichtigsten Fragen und Antworten zum 500-Milliarden-Paket.

Brüssel - Nach langen und nervenaufreibenden Verhandlungen steht die gemeinsame europäische Antwort auf die Corona-Wirtschaftskrise. Die EU-Finanzminister haben sich auf milliardenschwere Hilfen für gefährdete Staaten, Firmen und Jobs geeinigt. Das Rettungspaket hat einen Umfang von 500 Milliarden Euro.

Warum haben sich die Verhandlungen hingezogen?

Erst im dritten Anlauf haben die Finanzminister der 27 EU-Mitgliedstaaten eine Einigung auf ein Finanzpaket mit einem Volumen von 500 Milliarden Euro erzielt. Am Donnerstag verzögerte sich der Start der Verhandlungen noch einmal um fünfeinhalb Stunden. In dieser Zeit erarbeiteten der Stab um die Finanzminister einen Kompromiss. Der deutsche Finanzminister sagte zum Abschluss der Verhandlungen: „Für die Bürger ist es eine gute Nachricht, dass die Staaten zusammen handeln und dass die Europäische Union funktioniert.“

Was wurde beschlossen?

Es wurde ein Finanzpaket mit einem Volumen von einer halben Billion Euro beschlossen. Es besteht aus drei Teilen. Das Paket soll zum einen EU-Mitgliedstaaten mit Krediten im Volumen von bis zu 200 Milliarden Euro helfen, die nationalen Rettungspakete zu finanzieren. Zudem stehen 100 Milliarden Euro bereit, um Kurzarbeit nach dem deutschen Muster zu finanzieren. Drittens sollen kleine und mittlere Unternehmen zinsgünstige Kredite bei der Europäischen Investitionsbank EIB bekommen, um die Krise zu überstehen.

Was genau soll der Euro-Rettungsfond ESM leisten?

Der Euro-Rettungsschirm ESM, der nach der Staatsschuldenkrise 2009 von den Regierungen eingerichtet wurde, hält vorsorgliche Kreditlinien im Volumen von 200 Milliarden Euro bereit. Dieses Geld ist gedacht für Mitgliedstaaten, die Finanzprobleme haben. Ihnen soll so erspart werden, dass sie hohe Risikoaufschläge bei der Aufnahme von Schulden an den Finanzmärkten zahlen müssen. Stattdessen bietet sich der ESM an, der jedem Mitgliedsland Kredite im Volumen von zwei Prozent der Wirtschaftsleistung zur Verfügung stellt.

Worum ging der erbitterte Streit?

Das Programm zur Kurzarbeit sowie die Überbrückungskredite der EIB waren unumstritten. Streit gab es beim Rettaungsfond ESM. Der ESM vergibt Kredite üblicherweise nur unter strengen Auflagen. So mussten sich Griechenland und die anderen Programmländer zu Strukturreformen am Arbeitsmarkt und in der Rentenversicherung verpflichten. Kontrolleure kamen regelmäßig ins Land, um die Erfüllung der Auflagen zu überprüfen. Italien bestand jetzt darauf, dass es keinerlei Auflagen für die Kredite geben soll. Die Niederlande legten dagegen zunächst ihr Veto ein. Sie forderten, dass die Länder zu wirtschaftlichen Reformen verpflichtet werden. Etwa eine Anhebung des Rentenalters wurde gefordert.

Wie wurde der Streit gelöst?

Die Niederlande gaben nach. Sie sind nun einverstanden, dass Staaten Hilfskredite gewährt werden, ohne dass sie dafür nennenswerte Vorbedingungen erfüllen müssen. Sie müssen sich einzig verpflichten, das Geld zur Bekämpfung von Corona zu benutzen – zur Stärkung des Gesundheitswesens, zur Behandlung von Patienten oder für die Prävention.

Was ist mit Corona-Anleihen?

Schon nach den letzten Verhandlungsrunden war klar, dass es gemeinsame Schulden der EU-Mitgliedstaaten nicht geben würde. Zwar hatten dies neun Mitgliedstaaten darunter Italien, Spanien, Frankreich, Portugal und Belgien gefordert. Doch vier Länder - Deutschland, Niederlande, Finnland und Österreich – lehnen eine gesamtschuldnerische Haftung kategorisch ab. Eine gemeinsame Haftung würde bedeuten, dass der deutsche Steuerzahler zur Kasse gebeten würde, wenn ein anderes Land Pleite geht. Die EU-Verträge lassen gemeinsame Staatsanleihen auch nicht zu. In Deutschland und in den Niederlanden wäre es bei den derzeitigen Mehrheitsverhältnissen zudem undenkbar, eine Zustimmung für die sogenannten Euro-Bonds zu bekommen. Auch das Bundesverfassungsgericht würde nach Einschätzung von Experten widersprechen.

Haben die Anhänger von Euro-Bonds aufgegeben?

Sie wurden vertröstet. Die Finanzminister haben sich verständigt, einen Fonds aufzulegen, der nach der akuten Gesundheitskrise solidarisch den Wiederaufbau der darniederliegenden EU-Volkswirtschaft finanzieren soll. Wie dieser Fonds finanziert wird, ist noch nicht entschieden. Die Befürworter von Euro-Fonds setzen darauf, dass es dann zur gemeinsamen Aufnahme von Schulden kommt. Eine Verabredung dazu haben die EU-Staaten aber nicht getroffen. Es ist auch nicht davon auszugehen, dass die Bundesregierung Euro-Bonds zustimmt. Sie sagt, dass gemeinsame Schulden nur dann möglich seien, wenn die Wirtschafts- und Haushaltspolitik gemeinsam von allen Mitgliedstaaten betrieben wird. Eine Verlagerung der Kompetenzen aus den Mitgliedstaaten nach Brüssel zur EU wäre ein großer Schritt der europäischen Integration, der viele Jahre politischer Verhandlungen bedingen würde.

Ist das Finanzpaket damit beschlossene Sache?

Nein, die Staats- und Regierungschefs müssen noch zustimmen. Einstimmigkeit ist erforderlich. Allerdings dürfte dies nach der Grundsatzeinigung der Finanzminister, bei der sich zeitweise auch die „Chefs“ eingeschaltet haben, kein Problem mehr sei. Die Beschlüsse müssen teilweise aber noch von den nationalen Parlamenten abgesegnet werden.

Reicht das Geld aus?

Das kann derzeit niemand sagen. Die EU-Kommission geht davon aus, dass die Wirtschaftsleistung in der EU 2020 um zehn Prozent einbrechen wird. Die Europäische Zentralbank (EZB) befürchtet, dass insgesamt Hilfen von anderthalb Billionen Euro nötig sind. Neben den Hilfen von 500 Milliarden Euro, auf die sich die EU nun geeinigt hat, legen die Mitgliedstaaten jeweils noch eigene Rettungspakete auf. Die Bundesregierung etwa hat Maßnahmen beschlossen, die den Haushalt 350 Milliarden Euro kosten. Frankreich etwa will 100 Milliarden ausgeben, das sind vier Prozent der Wirtschaftsleistung des Landes.