Vor allem Frauen und Kinder flüchten vor dem Krieg in der Ukraine zunächst nach Polen. Foto: dpa/Bryan Smith

Zurzeit kümmern sich vor allem private Initiativen im Rems-Murr-Kreis um Unterschlupf für die Kriegsopfer. Doch auch das Landratsamt bereitet sich auf einen Ansturm von Putin Vertriebener vor.

Rems-Murr-Kreis - Die Anfrage von der Ukraine-Hilfe des Gospel-Forums in Stuttgart kam kurz vor dem Wochenende in Winterbach an. Den Segen, den vereinseigenen Kleintransporter nutzen zu können, um Kriegsflüchtende an der polnisch-ukrainischen Grenze abzuholen, haben sich die Verantwortlichen des örtlichen Christlichen Vereins Junger Menschen (CVJM) quasi am Sonntagmorgen beim Gottesdienst in der Kirche eingeholt. Und nicht nur das: In kürzester Zeit gab es zahlreiche Zusagen, die Aktion finanziell, personell und mit der Bereitstellung von Unterkünften zu unterstützen. Am Sonntagabend machte sich eine kleine Delegation mit unterdessen bereits zwei Fahrzeugen auf den Weg in das mehr als 1200 Kilometer entfernte Korczowa.

Winterbacher nehmen 14 Flüchtende mit

Bernd Hanak, der Erste Vorstand des CVJM Winterbach, ist mit dabei gewesen. Und er ist nicht nur beeindruckt von der Hilfsbereitschaft in der eigenen Heimat. Auch in dem Ort im Südosten Polens würden die vielen Flüchtenden mit offenen Armen empfangen. Doch der Bedarf, die ersten Anlaufstellen – in Korczowa ein vom Roten Kreuz und dem Militär umfunktioniertes Einkaufszentrum – zu entlasten, sei groß.

Der Winterbacher Konvoi hat sich 14 Personen, laut Bernd Hanak „zu 95 Prozent Frauen und Kinder“, angenommen. Ein Fahrgast wurde auf dem Weg bei Bekannten in Krakau abgesetzt, drei in Dresden. Der Rest ist seit Montagabend bei Familien in Winterbach, Rohrbronn und Nellmersbach untergekommen.

Über die „offiziellen Wege“, formal als Asylsuchende, sind bisher im Landkreis indes noch keine Flüchtenden aus der Ukraine angekommen. Doch Kreis und Kommunen bereiten sich darauf vor – zumal sich seit dem Wochenende wohl auch die sogenannten Erstaufnahme-Einrichtungen des Landes entsprechend füllen.

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Rund 90 Reserveplätze werden laut dem Waiblinger Landratsamt unabhängig von den jüngsten Ereignissen als Puffer in den bestehenden Gemeinschaftsunterkünften freigehalten. Durch Zuweisungen in die Anschlussunterbringung bei den Kommunen und die geplante Inbetriebnahme weiterer Unterkünfte würden aktuell zusätzliche Plätze geschaffen.

Schullandheim als mögliche Reserve

Die meisten der in diesem Jahr dem Rems-Murr-Kreis zugewiesenen Flüchtlinge stammen bisher aus Nordmazedonien, Syrien und Afghanistan. Aufgrund der „sehr dynamischen Lage“ in der Ukraine könne man derzeit zwar nicht abschätzen, ob die bisherige Planung ausreichend sei und auf welche Personenzahlen man sich einstellen sollte, räumt das Landratsamt ein. Für die nächsten Monate sei aber ohnehin die Inbetriebnahme neuer Unterkünfte des Landkreises für die „reguläre“ Flüchtlingsunterbringung geplant und vorbereitet.

Um gegebenenfalls schnell handlungsfähig zu sein, werde nun das Schullandheim Mönchhof freigehalten, außerdem sei man in enger Abstimmung mit den Städten und Gemeinden bemüht, neue Kapazitäten zu schaffen. Diese Woche ist zu dem Thema eigens eine außerordentliche Bürgermeisterkreisversammlung anberaumt.

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Einige Kommunen, etwa Weinstadt und Backnang, haben ihrerseits die lokale Bevölkerung aufgerufen, mögliche vorübergehende Unterkünfte für Geflüchtete zu melden und sich für Übersetzungsdienste oder Alltagshilfen wie Behördengänge oder Arztbesuche anzubieten. In Fellbach soll sich darum eine schon erprobte Task Force kümmern. „Unser Krisenstab Corona wurde übergangslos in einen Krisenstab Ukraine umgewandelt“, so die Oberbürgermeisterin Gabriele Zull. Die ersten ukrainischen Flüchtlinge seien am Wochenende in der Stadt angekommen.

Unabhängig davon hat der Pflegeheimbetreiber Alexander-Stift bereits angekündigt, drei Zimmer für ukrainische Flüchtlinge in der Großen Kreisstadt bereithalten zu wollen, nachdem man sich zuvor mit einer großen Menge an Rollstühlen, Rollatoren, Arzneimitteln, Verbandsmaterialien und Decken an einer Ukraine-Hilfsaktion der Gemeinde Kernen beteiligt hatte.

Landrat sagt gemeinsame Hilfe zu

Diese und andere Privatinitiativen, die sich zum Teil spontan bildeten, gelte es zu bündeln und einzubinden, so das Landratsamt. Die Kreisbehörde beantwortet auf ihrer Internet-Homepage im Zusammenhang mit der Ukraine-Hilfe häufig gestellte Fragen und hat eine Seite verlinkt, die bundesweit private Zimmer an ukrainische Flüchtlinge vermittelt. Landrat Richard Sigel: „Der Rems-Murr-Kreis wird gemeinsam mit seinen Städten und Gemeinden alles tun, um Menschen in Not aus der Ukraine zu helfen. Die Welle der Hilfsbereitschaft, die uns im Landratsamt erreicht, macht mir Hoffnung in dieser schweren Zeit.“

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Im Rahmen der Winterbacher CVJM-Initiative ist die nächste Fuhre, mittlerweile sind es vier Fahrzeuge, bereits wieder unterwegs in Richtung polnisch-ukrainische Grenze. „Wir haben uns vorgenommen, so lange zu fahren, wie es nötig ist“, sagt Bernd Hanak. Und natürlich, wie es möglich ist: 30 Zusagen für Unterkunftsplätze hat man zurzeit noch in der Hinterhand. Von diesen Kapazitäten hängt alles maßgeblich ab. Doch am kommenden Sonntag könnte man sicher in der Kirche wieder um weitere werben.

Fragen rund um die Ukraine-Hilfe beantwortet das Landratsamt im Internet unter: www.rems-murr-kreis.de/ukraine

Wer die Winterbacher Initiative unterstützen möchte, kann sie telefonisch unter 01 60/96 03 94 37 oder per Mail unter info@cvjm-winterbach.de kontaktieren.