Psychische Störungen sind der häufigste grund für Krankschreibungen Foto: dpa

Die Zahl der Menschen mit psychischen Erkranktungen steigt. Sie sollen künftig möglichst in ihrer vertrauten Umgebung behandelt werden.

Stuttgart - Die Zahl der psychischen Erkrankungen hat in den vergangenen Jahren stark zugenommen. In Baden-Württemberg seien sie mittlerweile der häufigste Grund für eine Krankschreibung, sagte Sozialminister Manfred Lucha (Grüne) am Dienstag in Stuttgart. Nach Angaben der AOK Baden-Württemberg wurde 2016 jeder neunte ihrer Versicherten – rund 480 000 Personen – wegen einer Depression behandelt.

Mit dem neuen Landespsychiatrieplan, den das Kabinett am Dienstag verabschiedet hat, will die Landesregierung die Hilfen für Menschen mit Depressionen, Schizophrenie oder anderen psychischen Störungen erleichtern. „Die psychiatrische Versorgung verlagert sich immer mehr in die Gemeinde“, so Lucha. Die psychiatrischen Kliniken werden Versorgungszentren und bieten vor allem ambulante und tagesklinische Angebote.

Die Hilfe in der gewohnten Umgebung erspare nicht nur die Aufnahme in eine psychiatrische Klinik, sagte Lucha. Vielmehr könne auch „das Umfeld der erkrankten Person in die Behandlung einbezogen werden“. Eine wichtige Rolle bei der Beratung und Hilfe sollen auch die sozialpsychiatrischen Dienste in den Gemeinden spielen. Sie sollen finanziell besser gefördert werden. Zahlen nannte Lucha allerdings nicht.

Zwangseinweisungen sollen seltener werden

Damit Betroffene zügig Unterstützung finden, sollen die verschiedenen Hilfsangebote besser miteinander verknüpft werden. Die Regierung hofft, dass dadurch auch die Hemmschwelle sinkt, bei Bedarf Hilfe zu suchen. „Nach wie vor ist es in unserer Gesellschaft leider so, dass sich Menschen, die psychisch erkrankt sind, häufig dafür schämen und nicht darüber sprechen“, sagte Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne). „Diese Stigmatisierung müssen wir überwinden und Menschen mit psychischen Erkrankungen eine Teilhabe an allen Lebensbereichen ermöglichen.“

Ziel sei auch, die Zahl der Zwangseinweisungen weiter zu senken, sagte Lucha. Diese seien in Baden-Württemberg zwar „vergleichsweise selten“, dennoch sei „jede einzelne Krankenhausaufnahme gegen ihren Willen für die betroffene Person besonders eingreifend“. Die wohnortnahe Beratung, Betreuung und Behandlung soll dazu beitragen, dass Betroffene den Anschluss an ihre Umgebung nicht verlieren und möglichst wieder ins Arbeitsleben zurückkehren zu können. Sich im derzeitigen System der psychiatrischen Rehabilitation zurechtzufinden, sei oft schwierig.

Der neue Plan löst den aus dem Jahr 2000 ab. Bei der Erarbeitung wurde das Sozialministerium vom Landesarbeitskreis Psychiatrie beraten.