Die Sozialarbeiterin Chaimaa Hibaoui im Gespräch mit dem Gewaltopfer Maha. Foto: vv

Geflüchtete Frauen und ihre Kinder, die wegen häuslicher Gewalt in einer gesicherten Schutzunterkunft leben, sind Zielgruppe eines Projekts der Awo Stuttgart, das die Aktion Weihnachten unterstützt. Die Schicksale der Frauen sind teils erschreckend.

Es hat gedauert, bis Maha sich wieder „sicher“ gefühlt hat, selbst an diesem Ort. Maha, die eigentlich anders heißt, bewohnt eine ganz besondere Flüchtlingsunterkunft in Stuttgart. Ein Sicherheitsdienst ist hier 24 Stunden am Tag vor Ort, um zu überwachen, dass kein Mann den ersten Stock betritt. Die von der Arbeiterwohlfahrt (Awo) Stuttgart betreute Etage ist ausschließlich besonders schutzbedürftigen Frauen vorbehalten, die Opfer häuslicher oder sexualisierter Gewalt geworden sind. Sie leben hier mit ihren Kindern.

Maha ist hier mit ihrer Tochter seit bald zweieinhalb Jahren untergebracht – so lange wie keine andere Bewohnerin. Sie war bei ihrem Einzug vollkommen traumatisiert. Sie traute sich zum Beispiel lange nicht, das Fenster zu kippen, weil sie fürchtete, ihr Mann könnte darüber ins Zimmer gelangen. Auch zur Toilette ist sie die erste Zeit nur in Begleitung ihrer Tochter gegangen.

Ihr Mann wollte sie im Rausch mit einer Schere umbringen

Die 40-Jährige zieht ihr Kopftuch zur Seite, man sieht eine lange Narbe, die sich seitlich an ihrem Gesicht nach unten zieht. Sie fasst sich an den Rücken, an den Bauch, die Seite – überall dorthin, wo Narben sie für immer an den schrecklichen Tag im August 2022 erinnern werden, an dem ihr Mann versuchte, sie umzubringen.

Vor ihrer Flucht aus dem Gaza-Streifen sei er „ein guter Mann“ gewesen, sagt Maha. Aber in den drei Jahren, die sie in Griechenland im Flüchtlingslager waren, sei er alkohol- und drogenabhängig geworden. Dadurch habe er sich komplett verändert. An besagtem Tag im August, nicht lange nach ihrer Ankunft in Deutschland, habe er ihr eröffnet, sie würden zurückkehren nach Gaza. Sie habe geantwortet, dass sie ihn nicht begleiten werde, sondern hier bleibe. Da sei er mit einer Schere auf sie losgegangen.

Sie war sieben Tage nicht bei Bewusstsein

Wäre ihre Tochter nicht ebenfalls im Raum gewesen, sie hätte nicht überlebt. Die damals 16-Jährige habe den Vater schließlich festhalten können, sodass sie selbst sich ihm entwinden und zur abgeschlossenen Tür schleppen konnte – dahinter hörte sie die besorgten Nachbarn. Sie habe die Tür mit letzter Kraft öffnen können, dann sei sie bewusstlos zusammengebrochen. Sieben Tage später wachte sie im Krankenhaus auf.

„Ich hatte solche Angst um meine Tochter“, erinnert sich Maha an ihre ersten Gedanken. Sie ließ sich entgegen dem Rat der Ärzte entlassen, um diese wieder in ihre Arme zu schließen. Die Angst habe sie lange nicht losgelassen – auch nicht, als ihr Mann längst im Gefängnis saß. Mutter und Tochter werden bis heute psychologisch betreut.

„Wenn die Frauen hierher kommen ,ist schon sehr viel passiert“

Bei ihnen in der Frauenetage lebten Hochrisikofälle, oft gehe es um Leib und Leben, sagt die Sozialarbeiterin Chaimaa Hibaoui, die mit ihrer Kollegin Franziska Schubert die Frauen sozialpädagogisch betreut. Solch einen Schutzraum zu bieten sei enorm wichtig, betonen beide. Denn Frauen wie Maha hätten keinerlei Netz, das sie auffängt. Familienangehörige gäben meistens ihnen die Schuld, nicht den Tätern. Deshalb wären sie ganz allein, wenn sie sich von ihren Männern trennten. Wegen ihres Aufenthaltsstatus sei der Zugang in ein normales Frauenhaus zudem erschwert, ergänzt der Leiter der Flüchtlingshilfe der Awo Stuttgart, Johannes Engelhardt.

„Wenn die Frauen hierher kommen, ist oft schon sehr viel passiert“, berichtet Engelhardt. Bis zu 34 Personen können sie in dem Bereich aufnehmen, der im Oktober 2021 geschaffen wurde. Außerdem gibt es vier Notfallplätze für kurzzeitige Unterbringungen. Gerade diese Kurzzeitplätze seien hoch frequentiert, heißt es bei der Awo.

Die Frauen haben einen hohen Unterstützungsbedarf

Weil der Betreuungsbedarf der Frauen sehr hoch ist, hat sich der Träger an die Aktion Weihnachten gewandt mit der Bitte, ein spezielles „Empowerment“-Projekt zu unterstützen. Dieses soll ermöglichen, dass die Sozialarbeiterinnen noch mehr Zeit für die Frauen haben. Geplant sind gemeinsame Unternehmungen, die die Gedanken weg lenken von den Gewalterfahrungen. Es soll ein Frauencafé für den regelmäßigen Austausch etabliert werden, auch einen Selbstverteidigungskurs würde die Awo gerne anbieten. Für „absolute Notsituationen“, sagt Franziska Schubert, soll es ein Budget geben, damit kleine Hilfen an die Frauen ausgezahlt werden können. Die Benefizaktion will das Empowerment-Projekt zur Stärkung der Frauen unterstützen.

Sie sei sehr dankbar über die Frauenetage, sagt Maha. „Hier fühle ich mich geschützt“, sagt sie und bekräftigt: „Ja, hier fühle ich mich sicher.“ Inzwischen ist sie wieder so stabil, dass sie sich vorstellen kann, in eine eigene Wohnung zu ziehen – „ein Erfolg“, sagen die Sozialarbeiterinnen.

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