Wegweiser für Geflüchtete aus der Ukraine am Stuttgarter Hauptbahnhof Foto: Max Kovalenko

Immer mehr Geflüchtete aus der Ukraine suchen Halt in Deutschland – eine neue berufliche Tätigkeit kann da viel helfen. Privatinitiativen reagieren mit eigenen Jobbörsen wie „Job Aid Ukraine“.

Etwa 150 000 Kriegsflüchtlinge sind bereits in Deutschland registriert worden. Schon jetzt wächst der Druck, ihnen frühzeitig eine sichere Perspektive aufzuzeigen. Nicht nur auf staatlicher Seite, auch in der Privatwirtschaft ist eine große Dynamik entstanden. Es scheint, als könnte aus der Tragödie in der Ukraine und dem dringenden Arbeitskräftebedarf der Unternehmen etwas Sinnvolles entstehen.

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So schießen immer mehr Privatinitiativen aus dem Boden, um die Geflüchteten in Jobs zu bringen. Seit eineinhalb Wochen ist eine Jobplattform für Menschen aus der Ukraine online, die von der zu Beginn der Coronapandemie entstandenen Initiative „Händler helfen Händlern“ rein ehrenamtlich entwickelt wurde. Auf www.jobaidukraine.com können Geflüchtete nach bezahlter Arbeit forschen – und Unternehmen kostenfrei offene Stellen anbieten. „Es fehlen in Deutschland über eine Million Arbeitskräfte in Pflege, Landwirtschaft, Gastronomie und Digitalwirtschaft“, sagt einer der Initiatoren, Marcus Diekmann. Zugleich gelinge eine Integration von Geflüchteten nur, wenn man ihnen Jobs besorge. Besonders interessant sei das Angebot einerseits für Seniorenheime und andererseits für Unternehmen, die IT-Fachkräfte suchen – auch weil viele von ihnen ihre IT-Abteilungen in den vergangenen Jahren in die Ukraine ausgelagert hätten.

Mehr als 3300 Stellenanzeigen online gestellt

Mehr als 3300 Stellenanzeigen sind seither auf dem Portal erschienen. 15 000 Besucher werden jeden Tag registriert. Die Plattform soll weiter ausgebaut und in Zukunft auch in der Ukraine beworben werden. Demnach halten zum Beispiel Kliniken nach Verstärkung Ausschau, zudem Physiotherapeuten, Gastronomen, Einzelhändler, Floristen – bunter geht die Mischung kaum. Viele bekannte Marken sind darunter. Auch Personaldienstleister wittern eine Chance.

Nicht jede Ausschreibung ist für Ukrainer verständlich

Auffällig sind auch die zahlreichen hoch spezialisierten Aufgaben wie der IT-Administrator. Mercedes-Benz Vans hat die Suche nach einem IT Product Owner/Service Manager online gestellt. Wer das Inserat anklickt, erhält die Erläuterungen allerdings nur in bestem Stellenanzeigen-Deutsch – obwohl auf der Seite ausdrücklich darum gebeten wird, genau dies zu vermeiden. Fraglich also, dass damit ukrainische IT-Spezialisten erreicht werden. Auch für eher abseitige Aufgaben wie die Gleisinstandsetzung gibt es Bedarf. Manches riecht sehr nach prekärer Arbeit – in einer Barküche oder einem Kiosk zum Beispiel.

Jobplattform von Ukrainern für die Landsleute

Konkurrenzlos ist die Seite nicht. So haben zwei ukrainische Unternehmer aus Berlin die Jobplattform „UA Talents“ für ihre Landsleute vorige Woche an den Start gebracht. Auch dort können Unternehmen aus ganz Europa – und selbst in der Ukraine – ihre offenen Stellen ausschreiben. Der Fokus liegt zunächst auf Stellen im Technologiesektor, doch soll das Angebot rasch erweitert werden. Auch dieses von bekannten Unternehmen unterstützte Portal agiert nicht gewinnorientiert: Alle Einnahmen würden für ukrainische Belange gespendet, heißt es.

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Und der Staat? Die Bundesregierung will mit einer neuen App den Kriegsflüchtlingen die Orientierung in Deutschland erleichtern. Die Regierung arbeite „gerade daran, eine solche Plattform ‚Germany4Ukraine’ zu entwickeln, wo man auf einen Blick alle Hilfsmaßnahmen dann als Geflüchteter hat“, sagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) am Sonntagabend im ZDF. Geflüchtete sollen sich auf Deutsch, Englisch, Ukrainisch und Russisch über Hilfsangebote schlau machen können. Sie hoffe, dass „wir das in den nächsten Tagen fertiggestellt haben“. Allerdings wird die Information weit über Arbeitsmarktfragen hinausgehen.

Neun regionale Welcome Center

Neu Im Land kommen die staatlichen Instrumente etwas langsamer auf Touren. „Zum jetzigen Zeitpunkt steht die humanitäre Hilfe ganz klar im Fokus“, sagt eine Sprecherin des baden-württembergischen Wirtschaftsministeriums. Um die Arbeitsmarktintegration werde es verstärkt in der Zukunft gehen.

Damit kommen die neun regionalen Welcome Center sowie das landesweit zuständige Welcome Center Sozialwirtschaft ins Spiel. Diese können auf Mitarbeiter mit vielfältigen Sprachkenntnissen zurückgreifen. Eingerichtet wurden diese Center einst als branchenübergreifende Kompetenzzentren für die Integration internationaler Fachkräfte. Sie sensibilisieren die kleinen und mittleren Unternehmen für das Fachkräftepotenzial und unterstützen bei der betrieblichen Integration. „Sie können in diesem Zusammenhang auch Firmen beraten, die gerade Interesse an der Beschäftigung von ukrainischen Fachkräften haben“, so die Sprecherin.

Gezielte Angebote für Frauen

Die Welcome Center bieten eine Erstberatung zu Themen wie Arbeitssuche, Aufenthaltsrecht, Arbeitsrecht, Spracherwerb, Berufsanerkennung oder Qualifizierung an und vermitteln dann an die zuständigen Stellen. Zudem weist das Wirtschaftsministerium auf gezielte Angebote für Frauen: Demnach können die Kontaktstellen Frau und Beruf im Rahmen des Mentorinnen-Programms für Migrantinnen Ansprechpartner für Frauen aus der Ukraine sein.

Ferner will das Land den Menschen den Einstieg in eine berufliche Ausbildung ermöglichen und stimmt gerade die nächsten Schritte ab. Auch das Kümmerer-Programm „Integration durch Ausbildung“ kann einen Beitrag leisten, so die Sprecherin.

Integrationsmanager stehen bereit

Mit einem aktuellen Erlass hat es die Landesregierung zudem ermöglicht, dass Geflüchtete die Beratung durch die flächendeckend tätigen Integrationsmanager beanspruchen können. Diese knapp 1200 Experten – zumeist Sozialarbeiter – sollen dafür sorgen, dass die Ukrainer in der Anschlussunterbringung Angebote zum Deutschlernen, zur Berufsqualifizierung und zur Integration in den Arbeitsmarkt erhalten.

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