Bis Waren ins Ausland geliefert werden dürfen, haben Unternehmen einige Formulare auszufüllen. Im Bild das Containerterminal Altenwerder im Hamburger Hafen. Foto: dpa

Unternehmen, die Waren exportieren wollen, stoßen auf unzählige Vorschriften. Oft wird von Firmen Unsinniges verlangt, aber manchmal werden umständliche Regelungen auch schnell wieder abgeschafft.

Stuttgart - „Die Deutschen und die Europäer wollen die Forderung nach einem möglichst freien Welthandel künftig stärker vertreten, darüber waren sich alle einig.“ Diesen Eindruck jedenfalls gewann Tassilo Zywietz jüngst beim Deutschen Außenwirtschaftstag in Bremen, zu dem die Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft geladen hatten. „Dann könnte vielleicht auch wieder Bewegung in die WTO kommen“, meint der für die Außenwirtschaft zuständige Geschäftsführer der Industrie- und Handelskammer (IHK) Region Stuttgart.

Doch statt einem freieren Welthandel im Rahmen der Welthandelsorganisation (WTO) den Weg zu ebnen, suchen immer mehr Länder ihr Heil im Protektionismus. 40 Prozent aller bei einer Umfrage der Deutschen Industrie- und Handelskammern befragten Unternehmen klagten über bestehende und neue Handelshemmnisse – ein Wert, der zuletzt in der Wirtschaftskrise im Jahr 2008 erreicht worden war.

„Die Unternehmen hätten es in einer Welt ohne Zölle und andere Handelshürden natürlich am einfachsten“, meint Marc Bauer, der Leiter des Referats internationaler Warenverkehr bei der Stuttgarter Kammer – dann nämlich müssten sie in vielen Fällen auch keinen Formularkrieg führen. So aber müssen sie sich etwa mit unterschiedlichen Zulassungsvorschriften für Autos in der EU und den USA herumschlagen – oder nachweisen, woher denn ihre Ware kommt, wollen sie beispielsweise Vorteile beim Zoll bekommen, wenn sie in Länder außerhalb der EU exportieren.

Wasserhähne und Duschen tatsächlich aus einem EU-Land?

Mit solchen Nachweisen ist auch Sabine Fromkorth vom Stuttgarter Badarmaturenhersteller Hansa Armaturen beschäftigt. Will das zur finnischen Oras Group (Umsatz zuletzt 249 Millionen Euro) gehörende Unternehmen Waren in Länder außerhalb der EU liefern, mit denen es Abkommen für eine Vorzugsbehandlung bei den Zöllen gibt, muss es nachweisen, dass seine Wasserhähne und Duschen tatsächlich in einem EU-Land gefertigt wurden. Die Kunden verlangen diese Lieferantenerklärungen auch von Firmen, die selbst gar nicht exportieren, wohl aber eine Komponente für ein Produkt herstellen, das später ausgeführt wird.

„Mir hilft beim Ausfüllen der Lieferantenerklärungen meine Software, aber ein kleines Unternehmen von der Alb kann sich eine solche oft nicht leisten“, sagt die Außenhandelsfachfrau von Hansa. Umfangreich können die Listen werden, weil für jedes einzelne Produkt eine eigene Erklärung nötig ist. Und zudem gelten für die Exportländer außerhalb der EU die unterschiedlichsten Regelungen. Etwas einfacher wird es manchmal, weil die Bestimmungen auch für bestimmte Ländergruppen gelten können.

Erklärungen von Lieferanten, Vorlieferanten und Vorvorlieferanten

Besonders schwierig wird es aber beispielsweise, wenn ein Teil eines Produkts aus Asien bezogen wird, weil es dort besonders günstig produziert werden kann. Dann nämlich müssen die Unternehmen zeigen, in welchem Verhältnis der Einkaufspreis der Komponente zum Endpreis des kompletten Produkts steht – und ob dieses Verhältnis der Gestalt ist, dass das Gesamtprodukt noch als „made in EU“ betrachtet werden kann. Die Relationen aber können für jedes Produkt und jedes Land außerhalb der EU, in das exportiert werden soll, unterschiedlich sein.

„Das war ja alles schon kompliziert genug, doch dann hat die EU noch eins draufgesetzt“, sagt Fromkorth, die auch als Referentin für Zollfragen bei der IHK Stuttgart auftritt. Zum Stichtag 1. Mai 2016 nämlich änderte die EU eine Regelung bei der Lieferantenerklärung: Diese konnte nun nicht mehr für das komplette Kalenderjahr ausgestellt werden. Das war üblich, unterschrieben wurde aber oftmals erst im April, weil erst dann die Erklärungen von Lieferanten, Vorlieferanten und Vorvorlieferanten vorlagen. Doch seit dem 1. Mai 2016 verlangte Brüssel nun eine Erklärung für die Zeit vor der tatsächlichen Unterschrift, also etwa für den Zeitraum von Januar bis Mitte April, und eine weitere für den Rest des Jahres. „Das war dann für die Unternehmen die doppelte Arbeit“, kritisiert Fromkorth.

Stolze 90 Seiten Ausfuhrerklärung

Da Unternehmer in der Regel aber findig sind, wurde die Lieferantenerklärung manchmal zwar erst im April tatsächlich unterschrieben, aber auf den ersten Januar datiert. Das wiederum aber kam bei manchem Zollamt gar nicht gut an: „Am ersten Januar arbeitet niemand, am ersten Januar hatte Ihr Unternehmen also auch keinen Wareneingang“, hieß es bei den Behörden. Folge: Die Bescheinigung wurde nicht anerkannt, die Ware behandelt, als käme sie von jenseits der Grenzen der EU. Damit aber kam sie auch nicht in den Genuss von Zollpräferenzen, die die EU mit anderen Ländern ausgehandelt hatte.

Die neue Regelung war zwar ein Ärgernis für die Firmen – aber aus Sicht der IHK ist sie auch ein Beispiel dafür, dass Unsinniges aus der Welt geschafft werden kann. Mit einer bundesweiten Umfrage konnte die Stuttgarter Kammer belegen, wie stark die Belastung der Unternehmen durch zwei Erklärungen für ein einziges Jahr war. Dies wirkte auch in Brüssel: Zum 14. Juni 2017 erklärte die EU die neue Regelung für ungültig. Firmen müssen seither wieder, wie schon zuvor, nur noch eine Erklärung ausfüllen, die für das gesamte Jahr gilt.

Natürlich dürften die meisten Lieferantenerklärungen etwas kürzer sein, doch wenn Hansa an einen Großhändler liefert, der auch mal in die Schweiz exportiert, kann die Erklärung durchaus auf die stolze Länge von 90 Seiten anwachsen. Beim Ausfüllen hilft die Software, „aber ich muss alles nachprüfen“, sagt Zollexpertin Fromkorth; die Unterschrift unter ein unrichtiges Formular könnte im schlimmsten Fall sogar strafrechtliche Folgen haben.

Dass Vorschriften wie die Lieferantenerklärung den Unternehmen Arbeit machen, sieht IHK-Geschäftsführer Zywietz indes eher gelassen. „Ohne diese Erklärung kann doch gar nicht nachgewiesen werden, weshalb man die Zollvorteile bekommen soll, die die EU mit bestimmten Ländern ausgehandelt hat.“ Doch weil jeder neue Vertrag mit einem Drittland eine weitere Erklärung nötig macht, hofft der IHK-Geschäftsführer darauf, dass die WTO-Gespräche endlich wieder vorankommen. Und im Gespräch mit den zuständigen Stellen über eine Vereinfachung der Lieferantenerklärungen sei man ohnehin. „Da könnte schon noch einiges getan werden“, meint Bauer.