Bildungsreformen haben Schülern, Lehrern und Eltern die Übersicht nicht unbedingt erleichtert. Foto: Jan Tomaschoff/tooonpool.com

Jedes Bundesland hat sein ganz eigenes Schulsystem, eigene Vorgaben für Lehrer und Schüler. Wer umzieht, steht ratlos davor. Doch auch ohne Umzug kann ein Schulwechsel Ärger bringen.

Stuttgart - Plötzlich zehn Wochen Sommerferien. Das Schreckgespenst für berufstätige Eltern kann durchaus Wirklichkeit werden. Man braucht nur umzuziehen und dabei das Bundesland wechseln. Das berichtet eine Familie, die von Berlin nach Stuttgart kam. „Für die Kinder war es toll, für uns Eltern ein echtes Betreuungsproblem“, sagt der Vater.

Eine deutlich ausgedehnte Sommerferienzeit müssen auch in diesem Jahr die meisten Familien überbrücken, die aus anderen Bundesländern in den Südwesten kommen. Nur mit Bayern passen die Termine. Extrem wäre es mit Hessen und Rheinland-Pfalz. Dort sind vom 25. Juni bis 3. August Sommerferien. In Baden-Württemberg dagegen fangen die Ferien im August erst so richtig an. Das würde für die von dort herziehenden Schulkinder sogar elf Wochen Dauerfreizeit bedeuten.

Was ist eine Oberschule, was eine Stadtteilschule?

Mit Schulkindern umzuziehen ist nicht so ohne. Die Schularten sind nicht unbedingt vergleichbar. Besonders in den vergangenen knapp zehn Jahren haben umtriebige Bildungsreformer in nahezu allen Bundesländern nicht nur neue pädagogische Konzepte und Schulformen, sondern dafür auch jeweils eigene Bezeichnungen entwickelt. Wer jetzt von der bayerischen Mittelschule kommt, wird in Baden-Württemberg zunächst ratlos vor den hier üblichen Haupt-, Werkreal-, Real- und Gemeinschaftsschulen stehen.

Was genau entspricht der Mittelschule? Ist eigentlich eine Oberschule, wie man sie in Niedersachsen kennt, dasselbe wie eine Gemeinschaftsschule im Südwesten, oder kommt dem doch eher eine Realschule näher? Wo ist ein Schüler richtig, der in Hamburg eine Stadtteilschule besuchte? Und entspricht die nordrhein-westfälische Gesamtschule der baden-württembergischen Gemeinschaftsschule?

Schulwechsel in einem Land kann auch Ärger machen

Dazu kann noch die unterschiedliche Dauer kommen. Die Gemeinschaftsschule in Baden-Württemberg beginnt im Regelfall in der fünften Klasse, in Berlin kann sie bereits mit der ersten Klasse anfangen. Und die Grundschule dauert in 14 von 16 Bundesländern von der ersten bis zur vierten Klasse, nicht jedoch in Berlin und Brandenburg. Dort sind es sechs Jahre.

Auch ganz ohne Umzug müssen sich Eltern aller Grundschüler mit einem Schulwechsel befassen. Nach der vierten Klasse geht es für alle Kinder an eine weiterführende Schule. Auch das geht vielerorts nicht ohne Reibereien ab. So kann das gewünschte Gymnasium einfach voll sein. Ärger macht aktuell etwa die Platznot am Wilhelms-Gymnasium in Stuttgart-Degerloch. Dort werden zum kommenden Schuljahr wohl Kinder abgewiesen und nach Möhringen verwiesen werden.

Unmut über die Schulempfehlungen

Unmut entfacht immer noch, dass Eltern seit diesem Frühjahr bei der Anmeldung ihrer Viertklässler an einer weiterführenden Schule wieder die Grundschulempfehlung vorlegen müssen. Darin raten die Grundschullehrer zum Wechsel auf das Gymnasium, die Realschule oder die Hauptschule. Die Gemeinschaftsschule gilt als geeignet für alle Niveaustufen. Die Vorzeigepflicht hat die grün-schwarze Koalition durchgesetzt und so eine Entscheidung der grün-roten Vorgängerregierung rückgängig gemacht. Die meisten Schulen begrüßen das neue Vorgehen. Es erleichtere den Lehrern von Anfang an die individuelle Förderung.

Doch einige Eltern empfinden die Vorgabe als Einmischung in ihre Rechte. Der Landeselternbeirat spricht von einem Affront. Sein Vorsitzender Carsten Rees argwöhnt, „Schulen könnten die Empfehlung dazu nutzen, Kinder frühzeitig zu sortieren und einen Wechsel etwa vom Gymnasium an die Realschule vorzubereiten“. Dennoch bleibt den Eltern die letzte Entscheidung über die Schule ihrer Kinder.