Eine Impfung gegen Gürtelrose könnte weitere Schutzeffekte haben – gegen Demenz. Foto: imago/Christian Ohde

Laut einer neuen Studie kann eine Impfung gegen Gürtelrose (Herpes Zoster) das Risiko verringern, an einer Demenz zu erkranken – vor allem bei Frauen. Der Schutz tritt jedoch nur dann ein, wenn der nicht mehr gebräuchliche Lebendimpfstoff zum Einsatz kommt.

Die Gürtelrose-Impfung gegen das Varizella-Zoster-Virus schützt vor Demenz – zu diesem Ergebnis kommt zumindest eine Studie aus Großbritannien, die nun im Fachjournal „Nature“ veröffentlicht wurde. Bereits frühere Veröffentlichungen hatten einen Zusammenhang festgestellt, aber nicht eindeutig nachgewiesen, ob die Impfung wirklich die Ursache dafür war. Die aktuelle Studie zeigt jedoch, dass die Einführung der Gürtelrose-Impfung bei Personen ab 80 Jahren wahrscheinlich der Grund dafür war, dass in der ab 2013 sieben Jahre lang beobachteten Gruppe in Wales, die mit Ungeimpften verglichen wurde, seltener Demenz diagnostiziert wurde.

 

„Die aktuelle Studie bestätigt frühere Beobachtungen, dass Personen, die eine Zoster-Impfung erhalten haben, seltener eine Demenz entwickeln“, kommentiert Peter Berlit, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN), die Ergebnisse. Es habe sich „ eine relative Risikoreduktion von 20 Prozent“ gezeigt: „Der Effekt war bei Frauen deutlich ausgeprägter als bei Männern.“

Experte: Ein absolut neuer Prophylaxe-Ansatz

Nun sei Evidenz geschaffen, „dass Impfung gegen eine Viruserkrankung, hier Herpes Zoster, gegen neurodegenerative Erkrankungen oder Demenz helfen könnte“, fügte Konstantin Sparrer, Leiter der Arbeitsgruppe „Neurovirology & Neuroinflammation“ am Deutschen Zentrum für neurodegenerative Erkrankungen in Ulm, hinzu. „Das wäre ein absolut neuer Prophylaxe-Ansatz.“ Zudem betonten die Daten, dass Viruserkrankungen bei der Entstehung von Demenzen eine wichtige Rolle spielen könnten. „Diese Studie ist ein weiterer wichtiger Schritt in einem spannenden Forschungsfeld“, so Sparrer weiter. Man könne auf deren Grundlage in Zukunft sicher „Innovationen bei der Behandlung und Verhinderung von Demenzen erwarten“.

Das Varizella-Zoster-Virus ist ein Virus aus der Gruppe der Herpesviren und löst die Erkrankung Windpocken aus. Nach einer Infektion verbleiben die Viren in einem inaktiven Zustand in den Nervenzellen des Rückenmarks. Wenn sie wieder aktiv werden, kommt es zur Erkrankung Gürtelrose. Herpesviren wurden schon in der Vergangenheit mit der Entwicklung von Demenz in Verbindung gebracht, eine Schutzwirkung der Gürtelrose-Impfung wird seit einigen Jahren vermutet.

Virus löst Entzündungen aus

Wie das funktionieren könnte, erklärt Martin Korte, Dekan der Fakultät für Lebenswissenschaften an der Technischen Universität Carolo-Wilhelmina in Braunschweig: „Ich sehe drei Möglichkeiten eines Wirkmechanismus. Erstens: Das Virus selbst löst eine Autoimmunreaktion aus, die in diesem Fall Nervenzellen schädigt. So wurde es schon beim Eppstein-Bar-Virus für Multiple Sklerose nachgewiesen. Wenn dann noch andere Risikofaktoren hinzukommen, etwa wie Alterungsprozesse, werden diese Menschen eher für Demenz anfällig.“

Zweitens werde durch das Virus etwa unter Stress eine Entzündung im Nervensystem ausgelöst, wenn sich das Virus wieder ausbreitet: „Durch die Impfung wird die Wahrscheinlichkeit einer Entzündung im Nervensystem eingeschränkt“, sagt Korte. Drittens zeigten Daten, dass eine milde Form der Immunanregung „einen positiven Effekt auf die Widerstandskraft des Gehirns hat. Eine Impfung würde dementsprechend schützen“.

Allerdings wurde bei der Impfung im Jahr 2013 der Lebendimpfstoff verwendet: „Eine Aussage über den später entwickelten Totimpfstoff ist nicht möglich“, schränkt DGN-Generalsekretär Peter Berlit ein. Es sei in der Studie auch bei den Demenzdiagnosen nicht differenziert worden: „Das heißt, eine Aussage dezidiert zu Alzheimer ist ebenfalls nicht möglich.“

In Deutschland wird von der Ständigen Impfkommission (Stiko) seit 2018 gegen Gürtelrose der neue Herpes-Zoster-Totimpfstoff (Handelsname Shingrix) für alle ab 60 und Risikogruppen ab 50 Jahren empfohlen. Vorher war seit 2013 der Lebendimpfstoff Zostavax in Deutschland erhältlich, der auch in der Studie verwendet wurde.