Die älteren Wohnhäuser (rechts) werden einem Neubau weichen. Foto: factum/Weise

Für die Inobhutnahmen fehlt es im Kreis an Wohnraum und Betreuung. Die Jugendhilfeeinrichtung Waldhaus will das nun ändern.

Hildrizhausen - Eines Tages war das Maß voll. Schon zuvor war Jonas K. (Name geändert) öfter mit seiner Mutter in Streit geraten, dann wurde der 17-Jährige vom Jugendamt in Obhut genommen. 171 Kindern und Jugendlichen ist im vergangenen Jahr im Landkreis dasselbe widerfahren. Ganze sechs Plätze gibt es für solche Fälle, vier davon in der Jugendhilfeeinrichtung Waldhaus. Doch manchmal reicht das nicht aus. „Bisweilen müssen die Betroffenen bei anderen Hilfeträgern außerhalb des Kreises untergebracht werden“, sagt der Jugendamtschef Wolfgang Trede. Das Platzangebot im Waldhaus sowie die Betreuung der Jugendlichen soll nun verbessert werden In Hildrizhausen ist ein Neubau für 1,6 Millionen Euro geplant.

Statt Gefängnis ein Aufenthalt im Waldhaus

In so genannten Intensivwohngruppen leben derzeit acht Jugendliche, „die kurz vor dem Gefängnisaufenthalt sind, weil sie sich etwas zu Schulden kommen lassen haben“, sagt Vanessa Frey, die Waldhaus-Pressesprecherin. „Sie werden rund um die Uhr betreut.“ Sie seien bis zu 21 Jahre alt. Und in den so genannten Regelwohngruppen wiederum sind im Waldhaus in Hildrizhausen sieben 14- bis 18-Jährige untergebracht, die teilweise ein Firmenpraktikum machen, eine Schule besuchen oder eine Ausbildung absolvieren. „Jonas K. ist an eine Intensivwohngruppe angegliedert“, erläutert die Waldhaus-Mitarbeiterin Daniela Bosch. Die Diplomsozialpädagogin ist für die Koordination und Aufnahme der Obhutsfälle zuständig. Auf die acht Jungs in der Intensivwohngruppe kommen genauso viele Betreuer. In der Regelwohngruppe ist stets ein Sozialpädagoge oder Heimerzieher tätig, um den misshandelten oder bisher in ihrer Lebensplanung gescheiterten Jugendlichen zu helfen.

„Sie leiden unter Traumata und benötigen einen geregelten Lebensalltag“, berichtet Bosch. Bei Jonas K., der eine Drogenkarriere und eine Therapie hinter sich habe, gehe es darum, ihn dazu zu bringen, morgens überhaupt aufzustehen, sagt Bosch. Der 17-Jährige hat zwar einen Hauptschulabschluss, danach sei er aber nicht auf die Beine gekommen. Er müsse sich nun erst selbst einmal klar darüber werden, was er überhaupt aus seinem Leben machen wolle. Alles, was man diesen Jugendlichen bieten könne, habe mit einer regelmäßigen Tagesstruktur zu tun.

Geregelter Lebensalltag

Das heißt um 7 Uhr aufstehen. Nach dem Frühstück werden Lerngruppen gebildet für diejenigen, die nicht in die Schule gehen. Manche haben häufiger geschwänzt und gelten als Schulverweigerer. Sechs bis zehn von ihnen arbeiten in der Metall- oder in der Bastelwerkstatt. Um 13 Uhr gibt es Mittagessen. Von 14 Uhr an stehen Fußball, Tischtennis oder Basketball auf dem Programm. An heißen Tagen gehen die Betreuer mit ihren Schützlingen ins Freibad oder ein Eis essen. Auch am Wochenende sind die Jugendlichen nicht alleine.

Die Betreuung soll mit einem dreigeschossigen Neubau noch erweitert werden. Bis zu acht Jugendliche, die in Obhut genommen worden sind, werden dort leben. Es sind auch Wohnungen vorgesehen für Waldhäusler, die entlassen werden sollen und auf dem freien Markt keine bezahlbare Bleibe finden. Bisher gibt es in den Wohngruppen Notrufknöpfe, um Hilfe zu holen. In dem neuen Gebäude können künftig auch Betreuer wohnen und – wenn nötig – direkt zur Stelle sein. Außerdem wird die Verwaltung mit 13 Mitarbeitern dort zentral angesiedelt. „Dann wird das Ganze übersichtlicher und wir können effektiver arbeiten“, sagt Hans Artschwager, der Geschäftsführer des Waldhauses.

Berufseinstiegsjahr an der Kaufmännischen Berufsschule

Die Betreuer können sich dann auch noch intensiver um Jonas K. kümmern, der seit rund zwei Monaten im Waldhaus ist. „Wir wollen ihn motivieren, im September ein Berufseinstiegsjahr an der Kaufmännischen Berufsschule zu absolvieren“, sagt Bosch. Angemeldet sei er dort schon.

Zur Zeit werden 65 unbegleitete, minderjährige Flüchtlinge betreut

Waldhaus:
Die sozialpädagogische Einrichtung der Jugendhilfe in Hildrizhausen, die sich unter anderem um schwer erziehbare Jugendliche kümmert, betreut im Kreis 112 Kinder und Jugendliche in Wohngruppen, die in der Regel zwischen 14 und 21 Jahre alt sind. Darunter sind 65 unbegleitete, minderjährige Geflüchtete. Insgesamt beschäftigt die Einrichtung rund 200 Mitarbeiter. Davon sind rund 40 in der ambulanten Familienhilfe im Kreis tätig.

Ziele
: Die Einrichtung bietet den Heranwachsenden ein vorübergehendes, sicheres Zuhause und gestaltet deren Lebensalltag. Manche besuchen eine Schule. Die Bewohner nehmen an Freizeitaktivitäten teil. In Hildrizhausen gibt es eine Metall- und eine Bastelwerkstatt. Die Mitarbeiter helfen den Jugendlichen in Krisensituationen, beraten und unterstützen Eltern.

Standorte:
Das Waldhaus gibt es im Kreis an acht Standorten, unter anderem auch in Herrenberg, Leonberg und Holzgerlingen.