Der 350 Kilogramm schwere Teodor ist nach Angaben des Herstellers Telerob der meistverkaufte Entschärfungsroboter der vergangenen Jahre. Das über Funk gesteuerte Fahrzeug verfügt über einen Greifer, der bis zu 100 Kilogramm schwere Lasten heben kann. Das Gerät, das Steigungen von 45 Grad überwindet, kann mit rund 40 verschiedenen Geräten bestückt werden. Im Angebot sind: Fensterbrecher, Sägen, Bohrmaschinen, Trennschleifer und verschiedene Schusswaffen bis hin zur Schrotflinte. Foto: Peter Petsch

Sie rücken an, wenn Armeen abziehen: High-Tech-Firmen aus dem Südwesten beseitigen Minen, Giftgas und Sprengstoff weltweit.

Baden-Württemberg ist eine der Kernregionen der deutschen Verteidigungsbranche. Im Windschatten klassischer Rüstungsfirmen wie Diehl oder EADS haben sich hier aber auch Firmen angesiedelt, die davon leben, die Hinterlassenschaften von Kriegen und Konflikten unschädlich zu machen.

Ostfildern - Manchmal ist es ein kleiner Ball, mit dem man große Räder drehen kann. Christian Herbst sitzt in seinem Büro in Ostfildern bei Stuttgart und redet über das ferne Brasilien. Im kommenden Jahr findet unter dem Zuckerhut die Fußball-Weltmeisterschaft statt. 2016 die Olympischen Spiele. „Brasilien ist in der Sicherheitsbranche gerade ein ganz heißes Thema“, sagt er. „Alle wollen da ins Geschäft kommen.“

In dem grauen Industriebau mitten im Ostfilderner Stadtteil Nellingen baut Herbst ferngesteuerte Roboter, die immer dann eingesetzt werden, wenn es brenzlig wird. Die kleinen Raupenfahrzeuge, die aussehen wie überdimensionierte Spielzeugpanzer mit Greifarm, gehören mittlerweile zur Standardausrüstung der Spezialeinheiten von Polizei und Militär fast überall auf der Welt. Wenn irgendwo Bombenalarm ausgelöst wird und auf einem Bahnsteig ein herrenloser Koffer steht, fahren die Systeme vor. Kameras inspizieren das Gepäckstück, und Sensoren prüfen auf Radioaktivität oder Kampfstoffe. Bestehen Unsicherheiten, wird meist gesprengt oder das Objekt durch einen gezielten Schuss per Fernsteuerung zerstört. Einer der Hauptabnehmer ist auch das Militär. 70 Raupen hat allein die Bundeswehr in Afghanistan als Minenentschärfer im Einsatz.

Aber der Konflikt am Hindukusch läuft ebenso aus wie die militärischen Operationen des Westens im Irak. Damit bricht den Roboterbauern die Nachfrage weg. Die Umsätze mit Oscar, Teodor oder Telemax, so heißen die Geräte, sind von 38 Millionen Euro im Jahr 2011 auf voraussichtlich 17 Millionen in diesem Jahr eingebrochen. Herbst blickt daher mit großer Hoffnung auf die zivilen Märkte. Fußball in Brasilien, Winterspiele in Sotchi – „wir versuchen, da überall reinzukommen“, sagt der gelernte Maschinenbauer. „Mit den Menschenmassen steigen die Gefahren und damit die Anforderungen an die Sicherheit.“

Gepanzerte Raupen hauen Schneisen ins Erdreich

Firmen wie Telerob gehören zu einer kleinen Gruppe innerhalb der Sicherheits- und Verteidigungsbranche, die sich mit Sprengmittelbeseitigung oder der Ortung und Zerstörung von Kampfstoffen beschäftigt. Was Terror und Krieg zurücklassen, finden sie und räumen es ab.

Auch Firmen wie Mine-Wolf-Systems aus Stockach nahe des Bodensees oder Eisenmann aus Böblingen gehören dazu. Mine-Wolf baut gepanzerte Raupen, die mit einer Art Fräse meterbreite Schneisen ins Erdreich hauen. In dieser können Truppenkonvois oder Soldaten vorrücken, ohne Gefahr zu laufen, von Minen zerfetzt zu werden. Das Hauptgeschäft der Stockacher liegt aber in der Beseitigung von Millionen von Minen, die in 72 (ehemaligen) Konfliktstaaten im Boden schlummern. Jedes Jahr töten oder verletzen sie rund 20.000 Menschen, die meisten davon Zivilisten.

Der Böblinger Anlagenbauer Eisenmann wiederum entschärft in speziellen Brennöfen Massenvernichtungswaffen, etwa Sarin, Senfgas oder das Nervengift VX. Auch konventionelle Munition – Minen oder Artilleriegranaten – können in Eisenmann-Anlagen vernichtet werden. Als einer der Technologieführer weltweit sind die Böblinger derzeit auch im Gespräch, die Arsenale von Syriens Diktator Baschar al-Assad zu vernichten. Zu dem brisanten Thema will man sich bei Eisenmann aber nicht äußern. „Politisch zu heikel“, heißt es.

Anders als die großen Rüstungsunternehmen wie Diehl, Rheinmetall oder EADS, die in Regionen wie dem Bodensee oder dem Schwarzwald Tausende Mitarbeiter beschäftigen, sind die spezialisierten Kampfmittelbeseitiger meist kleine Technologiefirmen. Als Zulieferer von Polizei- und Sicherheitsbehörden ist ihr Geschäft auch von zivilen Auftraggebern abhängig. Telerob baut mit 86 Mitarbeitern rund 50 Roboter im Jahr.

Zukunft Exportgeschäft

Bei den Stockacher Minenknackern von Mine-Wolf arbeiten etwa 30, meist hoch qualifizierte Fachkräfte. Weitere rund 30 Mann sind permanent in der Welt unterwegs, um die Fahrzeuge zu warten. Der Reutlinger Sensor-Spezialist Institut Dr. Foerster, einer der Marktführer der Kampfmittelräumung, wird auch schon mal von Geologen zur Beseitigung von Blindgängern aus dem Zweiten Weltkrieg gerufen. Mit 300 Mitarbeitern und einem Gruppen-Umsatz von etwa 100 Millionen Euro ist das Unternehmen für die Branche schon recht groß.

Generell kämpfen aber alle Firmen – egal ob groß oder klein – mit ähnlichen Problemen. In Deutschland und Europa rechnet die Branche mit weniger Aufträgen. Nach diversen Pannen werden Großprojekte wie die Drohne Eurohawk zunehmend kritisch gesehen. Dazu kommen klamme Haushalte und härterer internationaler Wettbewerb im Sicherheitssektor. Die Zukunft liege im Exportgeschäft, heißt es daher von den großen Rüstungsfirmen der Branche.

Und auch die kleinen Technologiefirmen versuchen ihr Glück anderswo. Manchmal komme er sich vor wie ein Nomade, der auf der Suche nach Geschäften um die Welt ziehe, sagt Telerob-Chef Christian Herbst. Deutschland, wo die Polizeibehörden und Anti-Terror-Spezialisten des Bundes insgesamt 100 seiner Geräte im Einsatz haben, reiche als Geschäftsbasis bei weitem nicht aus.

Langfristig hat er daher unter anderem Katar im Blick. Dort soll 2022 die Fußball-Weltmeisterschaft ausgetragen werden. Dazu knüpft Herbst jetzt schon Kontakte. Die staatlichen Sicherheitskräfte dort gelten als ziemlich penibel und versessen auf deutsche Technik. Herbst sagt: „Wir planen langfristig und rechnen uns gute Chancen aus.“