Wie man elegant auf High Heels läuft, kann man in der Volkshochschule lernen Foto: Lichtgut / Ines Rudel

Mühsam lernt der Mensch den aufrechten Gang. Der weibliche Teil dieser Spezies gibt sich damit nicht zufrieden und strebt nach Höherem. Auf High Heels. Dafür lernt er noch mal laufen. In der Volkshochschule.

Stuttgart - Wie machen die das bloß? Stolpern nicht, wackeln nicht, staksen nicht herum wie der Storch im Salat. Sondern stöckeln mit waffenscheinpflichtigen Mörder-Absätzen von mindestens zehn Zentimeter Höhe und noch mehr traumhaft sicher selbst übers Kopfsteinpflaster.

„Tja, manche Frauen sind in High Heels geboren“, sagt dazu Petra Wagner, die in der Volkshochschule mit den höheren Weihen dieses Auftritts vertraut macht. Denn hohe Schuhe seien ein Synonym für Weiblichkeit und bereits ein visueller Small Talk. Richtig. Die erotischen Signale sind nicht zu übersehen.

Ein Dutzend Damen, von sehr jung bis jung geblieben, hat sich an einem Freitagabend im Rotebühlzentrum eingefunden, um diesen Wunderwesen nachzueifern und die Anatomie auf die Spitze zu treiben. Endlich auf Du und Du mit dem Stöckelschuh.

„Warum möchten Sie hohe Absätze tra-gen“, fragt Petra Wagner nach der Motivation. „Es sieht eleganter aus“, seufzen Mutter und Tochter Baumbusch. „Ich möchte am liebsten den ganzen Tag Pumps tragen“, bekennt Tochter Maren. Aber dann siege jeden Morgen die Horrorvorstellung von schmerzenden Füßen, und sie schlupfe doch wieder in die bequemen Treter.

Der Schuh sollte auf Anhieb bequem sein

So weit reicht der Ehrgeiz der Freundinnen Verena Burkert (21) und Nadine Starzmann (22) gar nicht. Aber die langen Nächte, die in Clubs und Discos auch schon mal bis 6 Uhr früh dauern, sind offenbar grenzwertig: „Wie kann man die Schmerzen aushalten?“, heißt ihre Frage, die tapfer ausgestandene Marterqualen erahnen lässt. „Da helfen Einlagen und Kissen aus Silikon“, rät die Kursleiterin.

Anna Novak (64) genießt die tollen Stilettos offenbar schmerzfrei: „In denen habe ich kürzlich eine Nacht durchgetanzt“, präsentiert sie die eleganten Schwarzen. „Aber ich will mich sicherer fühlen.“ Zum Beispiel in den roten Peeptoe-Modellen. Sehen verdammt sexy aus, genau wie Christine Zellers schwarze Glitzerpumps, aus denen sie aber leider ständig rausrutscht.

Frauen und Schuhe: eine endlose Geschichte, nicht immer mit Happy End. Petra Wagners Lektion beginnt daher beim Schuhkauf: „Der Schuh sollte auf Anhieb bequem sein. Denken Sie nicht, da wird mein Fuß reinwachsen. Das tut er nicht. Vorher drohen Hühneraugen, Hammerzehen, Hallux, Senk- und Spreizfüße.“ Die Entscheidung erleichtert ein Tipp: „Heben Sie sich auf den Ballenstand.“ Wenn beide Fersen nur mit Anstrengung gehoben werden könnten, solle man sich besser mit Absatzhöhen von fünf bis sieben Zentimetern bescheiden.

Stechschritt oder Schleichgang?

„Jetzt will ich sehen, wie Ihr Gang ist“, fordert Petra Wagner nach der Theorie zur Promenade, noch in Ballerinas oder Sneakers durch den Raum auf. „Wie ist der Takt Ihrer Schritte, Stechschritt oder Schleichgang?“ Beides müsse man sich ganz schnell abgewöhnen, sonst werde es nichts mit dem selbstbewussten und eleganten Auftritt auf hohen Absätzen. Und bitte nicht hetzen. Ideal, so die Expertin, ist eine aufrechte und entspannte Körperhaltung, locker in den Schultern und Hüften. Das Becken weder vorschieben noch als Enten-Po wie Daisy Duck ausstellen.

Dann schlägt die Stunde der Wahrheit auf den High Heels. Zuerst im Raum, später draußen auf der Treppe. Gabriele Batsch, groß und schlank, schwebt fast perfekt auf ihren eleganten goldfarbenen Stilettos. Melanie Smital dagegen guckt verzagt und schiebt ihre super-sexy Sandaletten aus schwarzem Lack klammheimlich unter den Stuhl. „Die hat mir mein Freund geschenkt, und ich habe sie noch nie getragen“, bekennt sie. „Männerfantasien“, murmelt eine Nachbarin hörbar und verächtlich. Aber Petra Wagner lobt liebevoll: „Sieht doch toll aus!“

Klar, dass sie selbst ein Paradebeispiel abgibt. Wie wird man Expertin? Petra Wagner ist Stil- und Farbberaterin. Das richtige Körpergefühl trainiert sie bei Yoga und Pilates, außerdem habe sie sich bei Sportmedizinern und Physiotherapeuten informiert. Wie hoch sind ihre eigenen Stilettos? „Maximal zehn Zentimeter, sonst stimmt die Proportion zur Körpergröße nicht.“

Auf das harte Pflaster des Alltags entlässt Petra Wagner die Damen noch mit einer Menge guter Tipps: barfuß laufen, Füße massieren, Fußgymnastik treiben, Waden und Beine dehnen, immer ein zweites bequemes Paar Schuhe dabeihaben und den Ehrgeiz nach Höherem nicht übertreiben. Denn: „Weniger ist manchmal mehr.“

Laufen auf High Heels: Dieser Kurs der VHS ist so begehrt, dass erst am 12. Juni gerade noch zwei Plätze frei sind. Anmeldung unter Telefon 07 11 / 1 87 38 00, im Rotebühlzentrum am Rotebühlplatz oder unter www.vhs-stuttgart.de.