SPD-Chefin Andrea Nahles gerät durch die Hessen-Wahl weiter unter Druck. Foto: AFP

Zum zweiten Mal innerhalb von zwei Wochen werden Union und SPD bei einer Landtagswahl abgewatscht - zur Freude von Grünen, FDP und AfD. Wie es jetzt weitergeht.

Berlin - Das Wahlergebnis der SPD in Hessen ist so schlecht wie noch nie, auch die CDU erleidet massive Verluste. Die Grünen legen dagegen erneut mächtig zu, die AfD kommt auch ins 16. Landesparlament und ist nun überall vertreten. Die FDP gewinnt ebenso wie die Linke dazu.

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An diesem Montag wird in Wiesbaden und in Berlin intensiv analysiert, wie geht es weiter. Klar ist wohl allen in der GroKo: So kann es nicht weitergehen. Die Koalitionsparteien im Bund sind sichtlich bemüht, Ruhe zu bewahren. Aber ob das mittelfristig gelingt, darf bezweifelt werden.

Was bedeutet die Hessenwahl für die Union?

In den Wahlergebnissen von Bayern und Hessen sieht CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer „einen klaren Befund von Unzufriedenheit“ der Wähler mit der großen Koalition im Bund. FDP-Chef Christian Lindner wird da deutlicher: „Das ist ein Misstrauensvotum gegen die Regierung von Frau Merkel.“

Einziger Lichtblick, der wohl auch der CDU-Vorsitzenden, Kanzlerin Angela Merkel, etwas Zeit verschaffen könnte, ist die Chance, dass Volker Bouffier weiter als CDU-Ministerpräsident eine Koalition anführen könnte. Die parteiinterne Kritik an Merkel und der Ruf nach Erneuerung dürfte aber nicht verstummen.

Gesundheitsminister Jens Spahn, ein Merkel-Kritiker aus dem konservativen Parteilager, machte schon klar: „Wir müssen Debatten führen, über die Fragen, die anstehen, und dann entscheiden. Und nicht Debatten für beendet erklären.“ Das gilt klar der CDU-Chefin.

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Es kann nicht mehr ausgeschlossen werden, dass Merkel am Ende beim CDU-Parteitag Anfang Dezember von sich aus auf eine erneute Kandidatur für den Parteivorsitz verzichtet, auch wenn sie eine Trennung von CDU-Führung und Kanzlerschaft bislang strikt ausgeschlossen hat. Die Antwort von Kramp-Karrenbauer auf Journalistenfragen zur Zukunft der Parteichefin am Wahlabend lässt aufhorchen: „Die Bundesvorsitzende hat ganz klar erklärt, dass sie auf dem Parteitag noch mal antreten wird. Und ich habe bis zur Stunde keine anderen Signale.“ Bis zum Parteitag ist es noch lange hin.

Wie geht SPD-Chefin Andrea Nahles mit der Schlappe um?

Auch Nahles versucht, Zeit zu gewinnen. Sie gibt als Losung aus: „Erstens: In der SPD muss sich etwas ändern. ... Wir müssen klarer werden, wofür die SPD in den großen Fragen jenseits der Regierungspolitik steht.“ Und zweitens: Der Zustand der Regierung sei nicht akzeptabel. Und ein bisschen lenkt sie die Blicke auf die Union: „Wir legen unser Schicksal aber nicht in die Hände des Koalitionspartners.“

Im Vorstand will sie an diesem Montag einen Vorschlag für einen Koalitionsfahrplan bis zur Halbzeitbilanz im Herbst 2019 machen. Dann will die SPD ohnehin beraten, ob sie in der Koalition bleibt. Doch viel Zeit zur Ruhe wird ihr nicht bleiben. Juso-Chef Kevin Kühnert sagt: „Die Mitglieder wollen nicht mehr an der langen Leine gehalten werden mit Aussagen „so geht es nicht weiter“, sondern sie wollen wissen: Unter welchen Bedingungen arbeiten wir weiter und wann machen wir einen Schlussstrich darunter?“ Und er erwartet vor allem von Nahles Antworten.

Die Grünen sind die Gewinner - was nun?

Nicht nur in Bayern und Hessen, sondern auch im Bund sind die Grünen in Umfragen bis auf wenige Prozentpunkte an die Union herangerückt, die SPD haben sie schon längst überholt. Das zeigt, dass die frühere Ökopartei eine echte Alternative für unzufriedene bürgerliche Wähler geworden ist. Interessanterweise sind die meisten Wähler, die die CDU in Hessen verloren hat, zu den Grünen abgewandert, nicht zur AfD.

Doch so schnell dürften die Blütenträume in Berlin keine Früchte tragen. Zwar können sich auch in der CDU einige eine von den Grünen tolerierte Minderheitsregierung vorstellen. Doch entscheidende Strömungen in der CDU-Spitze gehen davon aus, dass eine Minderheitsregierung so oder so nach wenigen Monaten platzen würde. Und ein neuer Anlauf für ein Jamaika-Bündnis wäre wohl nur ohne Merkel möglich, sagt jedenfalls FDP-Chef Christian Lindner.

Schafft es die FDP in Hessen doch noch in ein Jamaika-Bündnis?

Am Sonntagabend hatte zeitweise nur eine Jamaika-Koalition aus CDU, Grünen und FDP eine Mehrheit. Für Bouffier wäre auch das ein gangbarer Weg. Und eine in Wiesbaden ähnlich geräuschlos laufende Jamaika-Koalition wie in Schleswig-Holstein könnte auch die Ängste vor solchen Dreierkonstellationen im Bund nehmen. Lindner und die FDP-Spitze betonen immer wieder, dass ein solches Bündnis in Hessen nach dem Kieler Vorbild laufen müsse, wo jeder dem anderen Partner auch Erfolge gönnt.

Profitiert die AfD von der Schwäche der Union und der SPD?

Die AfD konnte nun auch in den hessischen Landtag einziehen - sie sitzt damit im Bundestag und in allen 16 Landesparlamenten. Doch gerade die Wahlen in Bayern und Hessen haben gezeigt: Durch die Decke gehen die Ergebnisse der Rechtspopulisten auch nicht. Die Partei dürfte sich jetzt vor allem auf die Europawahl im Mai und die drei Landtagswahlen im Osten - Brandenburg, Sachsen und Thüringen - konzentrieren.

Die Linke - im Westen immer noch nichts Neues?

Die Linke dürfte erneut die Chance verpassen, erstmals in einem westlichen Bundesland mitzuregieren, auch wenn es in Hessen am Wahlabend zunächst zeitweise so aussah, als ob Rot-Grün-Rot oder Grün-Rot-Rot klappen könnten.

Und Seehofer?

Gut möglich, dass nach dem Burgfrieden bis zur Hessen-Wahl nun in der CSU die Personaldiskussion über den Parteivorsitzenden und Bundesinnenminister Horst Seehofer mit voller Wucht losbricht. Nicht ausgeschlossen wird in der Union, dass der 69-Jährige schon vor einem Sonderparteitag im Dezember von sich aus den Vorsitz zur Verfügung stellt. Spätestens dann dürfte sich die Frage stellen, ob er noch Innenminister bleiben kann.

Sehen Sie im Video: Die Hessen-Wahl sorgt für lange Gesichter bei den GroKo-Parteien.