Haupteingang der Chirurgischen Klinik in Heidelberg – die Leitung gab nun manipulationen ihrer Ärzte bei Herztransplantationen zu Foto: dpa

Gestern wurde der Verdacht öffentlich, dass an der Uniklinik in Heidelberg Manipulationen der Vergabe von Spenderherzen stattfanden. Die Klinik gab das nun zu – nicht nur die Akten wurden offenbar manipuliert.

Heidelberg - Im Herztransplantationszentrum der Uniklinik Heidelberg haben Ärzte die Warteliste für Patienten manipuliert. Sie hätten Schwerkranken bewusst wichtige Medikamente nicht wie vorgeschrieben verabreicht, die ihren Herzmuskel stärken sollten. Dadurch sollten die Betroffenen schneller an ein Spenderorgan kommen, bestätigte der Leitende Ärztliche Direktor, Guido Adler, am Freitag. „Es ist gegen die Regeln verstoßen worden.“

33 Fälle in den Jahren 2010 und 2011

Es gehe um 33 Fälle in den Jahren 2010 und 2011. „Wir müssen davon ausgehen, dass Ärzte das verordnet haben“, sagte Adler. Er gehe nicht davon aus, dass die Patienten davon wussten. Ob andere Schwerkranke deshalb später als berechtigt an ein Spenderherz kamen, sei unklar. „Es ist extrem schwer nachweisbar, dass irgendein anderer Patient dadurch einen Schaden erlitten hat“, sagte Adler.

Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen des Verdachts der versuchten gefährlichen Körperverletzung. Die Klinik hatte im August selbst Anzeige gegen Unbekannt erstattet. Die bei der Bundesärztekammer angesiedelte Prüfungs- und Überwachungskommission hatte zuvor März Unregelmäßigkeiten bei der Medikamentengabe und Dokumentation festgestellt.

Bundesweit waren in den vergangenen Jahren Manipulationen vor der Vergabe von Spenderorgangen bekanntgeworden. Im Mai sprach das Landgericht Göttingen einen Transplantationsmediziner vom Vorwurf des versuchten Totschlags frei, der wegen Manipulationen von medizinischen Daten in der Göttinger Uniklinik angeklagt war. Der Mann habe zwar gegen moralische Wertvorstellungen verstoßen, seine Handlungen seien aber nicht strafbar gewesen, begründete die Kammer.

Seit 1989 wurden in Heidelberg nach Angaben der Uniklinik mehr als 500 Spenderherzen verpflanzt. 2014 seien es 18 gewesen. Das Herztransplantationszentrum gehört zu den größten in Deutschland.

Hintergrund Organspende-Skandale in Deutschland

In Deutschland haben mehrere Skandale das Vertrauen in die Transplantationsmedizin erschüttert:

Juli 2012: Es wird bekannt, dass zwei Mediziner der Göttinger Universitätsklinik im großen Stil Akten gefälscht und die eigenen Patienten beim Empfang von Spenderlebern bevorzugt haben sollen.

August 2012: Nach neuen Erkenntnissen soll einer der verdächtigen Mediziner schon von 2004 bis 2006 an der Regensburger Uniklinik vor Leber-Transplantationen Krankendaten manipuliert haben.

September/Oktober 2012: Prüfer am Münchner Krankenhaus rechts der Isar stellen Auffälligkeiten bei der Organvergabe fest. Laut Klinik wurden Laborwerte gefälscht, damit eigene Patienten auf der Warteliste nach oben rutschten und rascher ein Spenderorgan bekamen.

Januar 2013: Am Universitätsklinikum Leipzig werden Manipulationen aufgedeckt. Der Direktor des Transplantationszentrums und zwei Oberärzte werden beurlaubt.

Mai 2013: Das Klinikum rechts der Isar darf nach dem Willen der bayerischen Landesregierung künftig keine Lebern mehr verpflanzen. Strukturelle Veränderungen sollen neues Vertrauen schaffen, heißt es.

Juni 2013: Nach dem Willen des Bundestags sollen Betrügereien schärfer geahndet werden. Eine Änderung des Transplantationsgesetzes sieht Freiheitsstrafen bis zu zwei Jahren oder Geldstrafen vor.

August 2013: Der Prozess gegen den früheren Chef der Göttinger Transplantationsmedizin beginnt.

August 2014: Staatsanwälte ermitteln nach einer Selbstanzeige gegen Ärzte des Deutschen Herzzentrums in Berlin wegen versuchten Totschlags. Prüfer der Bundesärztekammer stellen fest, dass es von 2010 bis 2012 insgesamt 14 Fälle von Manipulation gegeben hat. So sollten Patienten auf der Warteliste nach vorne rutschen.

Mai 2015: Ein Gericht in Göttingen spricht einen Arzt vom Vorwurf des versuchten Totschlags frei. Trotz Manipulationen bei der Vergabe von Spenderlebern habe er sich nicht strafbar gemacht. Kurz darauf legt die Staatsanwaltschaft Revision ein.

Oktober 2015: Es wird bekannt, dass auch am Heidelberger Herztransplantationszentrum Ärzte die Warteliste für Patienten in den Jahren 2010 und 2011 manipuliert haben. Patienten sollten schneller ein Spenderherz erhalten - die Justiz ermittelt. Auch im Fall der Manipulationen bei der Organvergabe am Deutschen Herzzentrum Berlin dauern die Ermittlungen der Berliner Staatsanwaltschaft an.