Fredi Bobic hat vor dem Kellerduell gegen den VfB Stuttgart viel zu sagen. Im Interview mit unserer Zeitung spricht der Geschäftsführer von Hertha BSC über Sorgen, Hoffnungen – und den neuen Vorstandschef bei seinem Heimatverein.
Fredi Bobic (50) ist lange im Geschäft, den Geschäftsführer Sport von Hertha BSC kann so schnell nichts mehr schocken. Nicht das Theater bei seinem Club – und auch nicht das Abstiegsendspiel gegen seinen Ex-Verein an diesem Sonntag (17.30 Uhr). Entspannt nimmt er sich vor dem Heimspiel gegen den VfB Stuttgart Zeit für ein Interview – und spricht Klartext.
Herr Bobic, mit einem Sieg gegen den VfB könnte die Hertha den direkten Klassenverbleib fast schon sicher machen. Für Ihren Heimatverein wäre der Zug bei dann vier Punkten Rückstand so gut wie abgefahren . . .
Das sehe ich nicht so, da muss ich widersprechen. An diesem Wochenende wird noch gar nichts entschieden. Klar könnten wir mit einem Sieg gegen den VfB einen Schritt machen. Aber danach stehen noch drei Spiele an, wir spielen als Nächstes dann in Bielefeld beim nächsten direkten Konkurrenten um den Klassenerhalt.
War der 1:0-Sieg in Augsburg die lang ersehnte Trendumkehr bei der Hertha?
Wir haben es in diesem Spiel geschafft, kaum individuelle Fehler zu machen und sind von Anfang bis Ende als Team aufgetreten. Aber auch die Spiele zuvor unter Felix Magath waren schon ordentlich – von der bitteren Pleite im Derby gegen Union einmal abgesehen.
Welchen Anteil hat Felix Magath, dass es wieder besser läuft?
Er geht ehrlich und klar mit den Jungs um. Er legt sehr viel Wert auf die Basics, die einfachen Dinge. Und um die geht es, gerade in unserer Situation. Und die sind immer noch wichtig im Fußball. Das vergessen die Jungs heutzutage oft: Fußball ist ein Beruf, Fußball ist auch harte Arbeit.
Kamen Sie deshalb auf die Idee, den Schleifer Magath als Retter zu holen?
Mir war in der Situation schnell klar, welchen Trainertypen diese Mannschaft braucht. Jemand mit einer komplett anderen Hand, mit einer anderen Ansprache als das, was die jungen Burschen bei den jüngeren Trainern gerne haben, womit sie aber nicht immer umgehen können. Ich habe mich nach jemandem umgeschaut, der viel Erfahrung, dementsprechende Ruhe und Ausstrahlung mitbringt. Felix Magath hatte ich für solch einen Fall schon länger im Hinterkopf. Für mich war er nie weg vom Geschäft.
Mussten Sie ihn überreden?
Überhaupt nicht. Er hat gesagt: lass’ mich den Trainer machen und kümmere du Dich um den Rest. So war es damals auch in Stuttgart, als ich Huub Stevens verpflichtet habe. Es hat wunderbar funktioniert.
Als Reaktion auf die Magath-Verpflichtung gab es aber auch viel Hohn und Spott.
Wer mich kennt, der weiß, dass mich das null interessiert. Und ich lese auch nicht, was in der Blase der sozialen Medien alles geschrieben wird. Da tummeln sich sehr viele, die eh alles besser wissen. Nicht erst im Nachhinein, sondern auch schon vorher.
Bleibt Felix Magath Hertha-Trainer, sollte er den Klassenverbleib schaffen?
Ich halte mich im Fußball mit Aussagen zur Zukunft immer ein bisschen zurück. Die Absprache zwischen uns lautet, dass wir uns dann unterhalten, wenn der Klassenerhalt gesichert ist. Und nur darauf sind wir derzeit fokussiert.
Wie kam es überhaupt dazu, dass Sie zum zweiten Mal in der Saison den Trainer wechseln mussten? Anders gefragt: Was läuft alles falsch bei der Hertha?
Der vergangene Sommer war schwierig: Großer Kader, hohe Kosten, der durch die Pandemie sehr schwierige Transfermarkt. Die Startvoraussetzungen waren also ungünstig. Sportlich lief es dann von Anfang an unrund. Speziell unsere erfahrenen Spieler haben unerklärlich viele Fehler gemacht, an denen letztlich auch Tayfun Korkut (der im März entlassene Coach, d. Red.) ein Stück weit verzweifelt ist.
Wenn Sie die Startvoraussetzungen beklagen: Jeder andere Club wäre froh über einen Investor, der 370 Millionen Euro zuschießt.
Natürlich sind wir froh über das Investment von Tennor seit Sommer 2019. Aber Sie müssen schon auch genau drauf schauen, wann welches Geld zur Verfügung stand und investiert wurde. Als ich nach meinem Arbeitsbeginn im Sommer 2021 zum ersten Mal in die Bücher schauen konnte, war klar: Wir müssen Transferüberschüsse machen. Das war so nicht geplant, hatte aber natürlich auch mit der Pandemie und der entsprechenden Ungewissheit zu tun.
Welche Fehler kreiden Sie sich selbst an? Der Plan, Pal Dardai durch Tayfun Korkut zu ersetzen, ging nicht auf.
Natürlich hinterfragt man sich auch immer selbst, ganz klar. Aber die Signale damals waren eindeutig. Wir mussten handeln. Und der Start von Tayfun mit sieben Punkten in vier Spielen, inklusive des Siegs gegen Borussia Dortmund, war durchaus vielversprechend.
Sie haben selbst die große Lautstärke beklagt, die die Hertha ständig produziert. Haben Sie sich schon mal gefragt: Wo bin ich denn hier bloß gelandet?
Dass einiges schieflief, will und kann ich gar nicht bestreiten. Die Tonalität und die Lautstärke, die hier bisweilen rund um den Club herrschen, sind sicher nicht förderlich für eine Leistungskultur. Das muss sich dringend ändern. Aber ich begreife das als ständige Herausforderung. Und bevor Sie auf Eintracht Frankfurt anspielen: Da war am Anfang auch nicht alles einfach.
Beim VfB Stuttgart war das „schwierige Umfeld“ in der Vergangenheit fast schon so eine Art „Running Gag“. Wie würden Sie das Umfeld von Hertha BSC beschreiben?
Beim VfB hat ja jetzt Alex Wehrle das Sagen, deshalb bin ich da sehr positiv, was den VfB betrifft. Wir hatten hier in Berlin auch viele Nebenschauplätze und Energiefresser. Letztlich steckt Hertha BSC in einem Teufelskreis aus hohen Erwartungen, öffentlichen Störgeräuschen, sportlich enttäuschten Hoffnungen und vielen personellen Wechseln. Aus diesem gilt es so schnell wie möglich auszubrechen. Aber vieles hier im Club stimmt mich auch hoffnungsfroh – etwa unsere Nachwuchsarbeit.
Sie spielen auch auf den öffentlich ausgetragenen Zwist zwischen dem Investor Lars Windhorst und Präsident Werner Gegenbauer an. Auf welcher Seite stehen Sie?
Ich stehe auf der Seite von Hertha BSC. Ich versuche, immer Brücken zu bauen. Es ist stets besser, miteinander zu reden statt übereinander. Ich appelliere immer wieder, zusammenzurücken, sonst wird es irgendwann einen Knall geben. Die vergangenen Monate haben auch mich diesbezüglich viel Kraft gekostet, da muss man nicht drum herumreden.
Windhorst fordert das Aus von Präsident Gegenbauer. Hat er recht?
Ich bin auch wegen Werner Gegenbauer zu Hertha BSC gekommen. Er hat mir aufgezeigt, was hier alles möglich ist. Auf der anderen Seite hat Lars Windhorst als Investor das Recht, sich zu Wort zu melden. Ich glaube nicht, dass bis Saisonende noch große Äußerungen von ihm getätigt werden.
Weil Sie Klartext mit den Streithähnen gesprochen haben.
Ich denke, dass jeder inzwischen begriffen hat, dass es in den kommenden Wochen nur ein Ziel gibt.
In Stuttgart gab es zuletzt ebenfalls viel Theater in der Clubführung. Was darf der VfB von seinem neuen Vorstandschef Alexander Wehrle erwarten?
Für den VfB ist Alex ein Sechser im Lotto. Er hat unheimlich starke kommunikative Fähigkeiten und agiert auch unter Stress gut und zielorientiert. Beim 1. FC Köln hat er sich sensationell entwickelt, hat auch einen guten Draht zu den anderen Vereinen und Verbänden. Mit seiner Power und seiner Klarheit kann Alex den VfB voranbringen.
Und wie wollen Sie die Hertha auf Sicht voranbringen? Der Weg zum viel zitierten Big City Club scheint weit sein.
Nach der Saison wird es sicher noch mal einen großen Umbruch im Kader geben müssen. Unser Ziel muss die obere Tabellenhälfte sein. Das ist das Fundament, um irgendwann andere Ziele in Angriff nehmen zu können. Erfolg geht aber nur über organisches Wachstum, den kann man sich nicht mit Geld kaufen. Das hat im Fußball noch nie funktioniert. Außer vielleicht bei Paris Saint-Germain – aber selbst die schaffen ihr ganz großes Ziel in Europa ja nicht.