Im Stadtwald bei Affstätt wird eine Buche gefällt – auf klassische Art mit Axt und Motorsäge. Um den Boden zu schonen, wird auf schweres Gerät verzichtet. Foto: factum/Granville

In der Mitmachstadt darf jeder mitreden, wie der Forst künftig genutzt wird. Viele meinen, dass zu viel abgeholzt wird. Sie plädieren dafür, mehr Refugien zu schaffen.

Herrenberg - Der Revierleiter im Herrenberger Stadtwald, Winfried Seitz, hat keinen leichten Job. Zu verschieden sind die Interessen: Viele Bürger meinen, es würden zu viele Bäume im Stadtwald abgeholzt, und äußern teils heftige Kritik, weil ganze Waldflächen in eine „Mondlandschaft“ verwandelt würden. Dabei müsse das

Forstamt dafür sorgen, dass genügend Geld in die Kasse komme, sagt Seitz. Doch gelte es auch, den Forst als Ort der Erholung zu erhalten. Radfahrer sollen genauso zu ihrem Recht kommen wie Spaziergänger. Gleichzeitig gelte es, Artenschutz zu betreiben und ökologische Refugien zu schaffen. Den Zielkonflikt stellte Seitz am Donnerstagabend bei einer Informationsveranstaltung vor rund 50 Bürgern in einem Schaubild dar. Denn alle in der Mitmachstadt Herrenberg sollen mitreden dürfen, welche Prioritäten im Stadtwald künftig gelten sollen.

„Diese Bürgerbeteiligung gibt es im Land nicht oft“, weiß Thomas Deines, Herrenberger Stadtrat der Freien Wähler und Ansprechpartner für die Öffentlichkeitsarbeit bei der Forstbehörde Baden-Württemberg. Das städtische Forstamt mit seinen acht Mitarbeitern und die Revierförster Winfried Seitz und Andreas Hank müssen sich deshalb einiges anhören: „Weshalb sind so viele Bäume am Fichtenberg gefällt worden und weshalb hat man nur ein paar wenige stehen lassen, von denen ein paar den jüngsten Sturmböen nicht standhielten und umgefallen sind? Weshalb sollen in diesem Jahr so viele Bäume an der Jahnhütte weichen? Überall gibt es Bodenschäden mit tiefen Spuren, die gefällten Stämme liegen kreuz und quer?“

Zehn-Jahresplan für den Holzeinschlag

Reinhold Kratzer, der Verantwortliche für die Forstreviere des Kreises im Böblinger Landratsamt, verweist auf den Zehn-Jahresplan für den Holzeinschlag: „Wir ernten im größten Waldgebiet des Kreises mit 2000 Hektar lediglich 13 000 Festmeter jährlich.“ Die Stadt Herrenberg plane in diesem Jahr mit Erlösen von 880 000 Euro, ergänzt der Kämmerer Stefan Metzing. Damit würden die Ausgaben gedeckt, und der Wald werde ökologisch bewirtschaftet. Der Einschlag sei zudem nötig, um den Bäumen Licht und Luft zu verschaffen, sagt Seitz. Es wachse unterm Strich mehr nach, als geschlagen werde. Und was die Bodenschäden anbetrifft, sagt Seitz: „Wir sorgen stets dafür, dass sie behoben werden. Wir können nicht auf Frost warten und müssen auch bei feuchter Witterung Holz ernten. Sonst erreichen wir das Ernteziel nicht.“ Kratzer und Seitz bieten den Bürgern an, die Arbeit im Forst bei einer Waldbegehung zu erläutern.

Mit den Einnahmen aus dem Holzverkauf werden nicht nur die Personal- und Gerätekosten finanziert, sondern auch der Bau eines Forstbetriebshofes für 1,2 Millionen Euro, an den ein waldpädagogisches Zentrum angegliedert wird. Das Gebäude soll im nächsten Jahr bezogen werden. Es wird als Anlaufstelle auch für die vier Auszubildenden dienen, die einzigen im Kreis, die den Beruf des Forstwirts erlernen.

Forstpädagogisches Zentrum geplant

Von dem waldpädagogischen Zentrum aus sollen Interessierte mit fachlicher Begleitung ausschwärmen, um etwa die rund 100 Habitate mit seltenen Bäumen zu besichtigen und so etwas über die spezielle Flora und Fauna zu erfahren. Auch der Anregung, Waldrefugien von mehr als einem Hektar zu schaffen, in denen sich seltene Tierarten ansiedeln können, will die Forstbehörde nachkommen.

Darüber hinaus wünschen sich die Bürger mehr kleinere Wanderwege – auch dies soll berücksichtigt werden. Ebenso wie die Idee, auf manchen Pfaden keine Radfahrer zuzulassen. Sie können sich auf der Downhill-Strecke an der Jahnhütte austoben, die Jugendliche durchgesetzt haben und mitgestalten durften.