Wohin die Wege für die Ankömmlinge nach der Erstaufnahme im einstigen IBM-Domizil führen, ist völlig offen. Foto: factum/Granville

In der künftigen Erstaufnahmestelle soll es an nichts fehlen. Doch die Unterkunft darf auf keinen Fall eine Art Ghetto werden, darüber ist man sich einig.

Herrenberg - Mit breiter Zustimmung und Erleichterung ist bei den Fraktionen des Herrenberger Gemeinderats die Nachricht aufgenommen worden, dass das Land im einstigen IBM-Schulungszentrum eine Erstaufnahmestelle für Flüchtlinge einrichtet. „Wir müssen den weiteren Zustrom bewältigen“, sagt der SPD-

Fraktionschef Bodo Philipsen. Sowohl die Politiker als auch die Verwaltung halten die Immobilie mit einer Nutzfläche von rund 20 000 Quadratmetern für ideal, um bis 1000 Zugereiste aufzunehmen. Außerdem sei es für den Eigentümer, den Schweizer Fonds Real MGT, mit dem Vertragsabschluss wohl günstig gelaufen, weil er nach dem Auszug der IBM-Mitarbeiter einen Leerstand habe vermeiden können, sagt Thomas Deines, der Vorsitzende der Freien Wähler. Die Stadt hatte zuvor schon einen neuen Nutzer gesucht – ohne Erfolg.

Das Schulungszentrum am Fichtenberg betrieb der Computerhersteller seit dem Jahr 1983. Anfang Juli dieses Jahres waren Pläne bekannt geworden, wonach das Unternehmen seinen Standort aufgeben wolle. Offiziell bestätigt wurde der Rückzug aber nie. Das Integrationsministerium hatte das Zentrum kurz darauf besichtigt und die Verhandlungen mit MGT aufgenommen. Dass der Vertrag erst kurz vor Weihnachten geschlossen wurde (wir berichteten), wertet Thomas Deines als ein gutes Zeichen. Zunächst galt eine Anmietung als Option, danach ging es aber nur noch um den Kauf des Objekts. „Dass das Land sich so lange Zeit gelassen und hartnäckig verhandelt hat, zeigt, wie verantwortungsvoll hier mit unseren Steuergeldern umgegangen wurde“, meint der Freie-Wähler-Chef. Dem Vernehmen nach blätterte das Land 20 Millionen Euro hin.

Einrichtung soll Modellcharakter haben

Die Kosten für den nun geplanten Umbau des Gebäudeensembles stehen noch nicht fest. Die konkreten Planungen der Lenkungsgruppe für die Flüchtlingsaufnahme des Landes laufen erst im Januar an. Die Stadt Herrenberg, die Fraktionen und die Asylarbeitskreise haben jedoch bereits erste Anforderungen formuliert. Zu vermeiden sei auf jeden Fall eine Ghetto-Situation in der Landeserstaufnahmestelle (LEA). Ein Gedanke ist zum Beispiel, für die Flüchtlinge einen Shuttlebus zur Verfügung zu stellen, damit sie auch in die Innenstadt gelangen. Dennoch soll es ihnen in der LEA an nichts fehlen. Bodo Philipsen denkt an eine Einrichtung mit „Modellcharakter“. Asylanträge sollen abgewickelt werden können, auch eine umfassende gesundheitliche Versorgung mit einer Krankenstation soll gewährleistet sein.

„Für die Kinder ist an eine regelmäßige Betreuung gedacht“, sagt der Herrenberger Baubürgermeister Tobias Meigel. Auch um die älteren Heranwachsenden, für die keine Schulpflicht bestehe, müsse man sich kümmern. Insgesamt könnten in der LEA rund 200 Arbeitsplätze entstehen, vor allem für Sozialarbeiter. Wenn die ersten Planungen des Landes abgeschlossen seien, schlage die Stunde der Herrenberger Asylarbeitskreise, die sich auch mit der Freizeitgestaltung der Flüchtlinge beschäftigen würden, sagt Meigel. Allerdings sieht der CDU-Fraktionschef Hermann Horrer die Bemühungen als begrenzt an: „Wir können den Ankömmlingen nur einen guten Start ermöglichen. Sie sind nach kurzer Zeit bereits wieder weg. Eine Beziehung zu ihnen aufzubauen, wird schwierig.“ Denn nach nur wenigen Wochen sollen sie in Unterkünfte im Landkreis verteilt werden.

Flüchtlingsbeauftragter kommt

Mit dem Umbau der LEA wird in Kürze begonnen, damit die Flüchtlinge in der zweiten Hälfte des nächsten Jahres einziehen können. Es gilt, weitere sanitäre Anlagen zu schaffen sowie eine Raumaufteilung, die alleinstehenden Männern und Frauen, mit und ohne Kinder, sowie Familien ein gutes Miteinander ermöglicht. Dazu zählen auch Aufenthaltsräume und eine Mensa mit Küche. Die Politiker wie auch die Verwaltung pochen darauf, höchstens 1000 Ankömmlinge aufzunehmen, um einen geregelten Betrieb zu gewährleisten.

Hermann Horrer macht sich auch diesbezüglich nichts vor: „Wenn Not am Mann ist, werden es sicher mehr werden.“ In diesem Fall ist besonders der Flüchtlingsbeauftragte der Stadt gefragt, der möglichst rasch eingestellt werden soll und als Bindeglied dient zwischen der LEA, der Verwaltung und den Asylarbeitskreisen. Das Land will der Stadt für die kommenden drei Jahre einen Zuschuss von insgesamt 105 000 Euro gewähren.