Die Anlagen im Schotterwerk Böttinger sind in die Jahre gekommen. Sie sollen erneuert werden. Die Umweltbelastung werde sinken, verspricht der Betreiber. Foto: factum/Granville

Der Betreiber des Schotterwerks möchte sein Gelände um 5,7 Hektar erweitern. Dafür muss er umfangreiche Gutachten vorlegen. Die Anwohner befürchten, dass Staub und Schadstoffe in die Luft gepustet werden.

Herrenberg - „Es hat wieder ziemlich gewackelt. Die Tassen im Geschirrschrank klapperten“, berichtet Claudia Mauch. Ihr Haus steht etwa 300 Meter vom Schotterwerk Böttinger in Herrenberg-Haslach entfernt, in dem täglich Sprengungen stattfinden. Das sei aber nicht das Schlimmste, sagt die 55-Jährige, die ein Mandat für die Grünen im Ortschaftsrat wahrnimmt und bei der Kommunalwahl wieder kandidiert. Es stellt sich die Frage, wie viel Staub und Schadstoffe in die Luft gepustet werden, wenn Dynamit zum Zuge kommt. Erst recht, wenn der Betreiber seine Erweiterungspläne verwirklicht.

Nachfrage nach Muschelkalk ist groß

Die Konjunktur brummt nach wie vor, im Schotterwerk werden jährlich rund 300 000 Tonnen Muschelkalk abgebaut. Laut dem Geschäftsführer Hans-Martin Kübler entspreche das im Durchschnitt zwischen 1000 und 1500 Tonnen an Werktagen. Die Nachfrage sei groß, geliefert und verkauft werde an Tiefbau- und Hochbaufirmen. „Die Abnehmer befinden sich zumeist im engeren Umkreis von Herrenberg“, sagt Kübler. Oft werde das Steinmaterial aus seinem Werk für den Straßenbau gebraucht. „Auftraggeber sind letztlich die Städte und Gemeinden. Bekanntlich gibt es im Kreis Böblingen da großen Handlungsbedarf: Bei der Sanierung der Straßen und auch was den Bau neuer Trassen anbetrifft“, erläutert Kübler.

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Das Gestein auf der derzeit 26 Hektar großen Fläche des Schotterwerks reiche zwar noch für die nächsten zehn Jahre, kalkuliert Kübler. Doch müsse er weiter in die Zukunft schauen. Wenn er danach noch für genügend Baumaterial sorgen wolle, müsse die Abbaufläche vergrößert werden. Kübler plant mit 5,7 Hektar zusätzlich: „Diese würden dann wohl für weitere 20 Jahre reichen.“ In das Werk sollen 5 bis 7,5 Millionen Euro investiert werden. „Es wird eine völlig neue Anlage errichtet“, lässt Kübler wissen. Durch die Modernisierung werde die Belastung durch Staub und Lärm deutlich geringer. Den Neubau soll es aber erst geben, wenn den Werksbetreibern die Erweiterung genehmigt wird.

Wenn es in Haslach tagsüber dunkel wird

Im Landratsamt fand jüngst eine Anhörung statt mit Vertretern von Behörden, Verbänden, Haslacher Ortschaftsräten und dem Ortsvorstand Dieter Ulmer, der unverblümt kund tut: „Wir sind nicht begeistert von dem Ausbauvorhaben.“ Wenn gesprengt werde, liege die Gemeinde an einem trockenen Tag unter einer riesigen Staubwolke. „Dann wird es in Haslach dunkel“, berichtet der Ortsvorsteher.

Kübler indes hofft, von der Kreisbehörde bis Ende nächsten Jahres die Genehmigung für sein Vorhaben zu erhalten. Dafür hat er aber Auflagen erhalten. Der Ausbauantrag muss mit Gutachten über den Wasserschutz, den Lärm und die Naturbelastung unterfüttert werden. Laut Benjamin Lutsch, dem Pressesprecher des Landratsamts, müssen im Zuge der Umweltverträglichkeitsuntersuchung und des landschaftspflegerischen Begleitplans auch der Artenschutz geprüft und die vorhandenen Habitate von Tieren erfasst werden.

Geänderte Abbautechnik

Eine besondere Rolle spielen freilich die Schadstoffimmissionen. Der Schotterwerk-Chef versichert, dass derzeit sämtliche Grenzwerte eingehalten werden. Nach den Angaben des Haslacher Ortsvorstehers werden alle drei Monate Sprengstoffprotokolle über die Zahl der Detonationen vorgelegt. „Es gab noch nie etwas zu beanstanden“, sagt Ulmer. Nun werde auch nicht mehr so häufig gesprengt, manchmal nur einmal alle zwei Wochen. Das sei auf eine geänderte Abbautechnik zurückzuführen: „Es werden mehr Sprenglöcher gebohrt – und es wird mehr auf einmal gesprengt.“

Einige Bürger, darunter auch Claudia Mauch, beklagen trotzdem ein Informationsdefizit. „Wir wissen nicht, ob der Staub auch mit Sprengstoffresten vermischt ist und welche gesundheitlichen Risiken damit einhergehen“, sagt sie. Das letzte Gutachten über die Schadstoffbelastung sei bei der Erweiterung vor rund zehn Jahren angefertigt worden, erinnert sich Ulmer. Laut Benjamin Lutsch, dem Pressesprecher des Landratsamts, werde der Staub alle drei Jahre gemessen und untersucht. Die letzte Kontrolle sei 2017 gewesen. „Es war nichts zu beanstanden“, sagt auch Lutsch. Messungen bei Sprengungen seien seines Wissens jedoch nicht vorgenommen worden, teilt der Sprecher mit.

Ob alle Landwirte ihre Grundstücke verkaufen, ist offen

Vor etwa einem halben Jahr, als der Geschäftsführer Kübler bereits beim Landratsamt wegen seiner Pläne vorstellig geworden war, hatte das Herrenberger Bauverwaltungsamt zu den bisherigen Überprüfungen Stellung bezogen und bestätigt: „Es werden keine Grenzwerte überschritten.“ Bis dato scheint Kübler also gute Karten für seine Ausbaupläne zu haben. Dennoch gibt es ein großes Fragezeichen – was den Landerwerb anbetrifft.

„Ich weiß von zwei Bauern, die ihre Wiesen nicht verkaufen wollen“, berichtet Ulmer. Die Flächen, die für den Steinbruch benötigt werden, seien in Privatbesitz. „Sie können wohl nicht enteignet werden, vermutet der Ortschef. Für die Haslacher und die Familie Mauch gibt es also noch Hoffnung, dass das Schotterwerk so schnell nicht erweitert wird. Dessen Ausdehnung ist in westliche Richtung geplant – das Gelände rückt dann noch näher an das Mauchsche Heim heran. Die Erschütterungen könnten dann noch heftiger werden und die Kaffeetassen womöglich noch lauter klappern.