Der Ortsvorsteher (li.) und Ehrenamtliche vor dem einstigen Schafstall Foto: factum/Weise

In Oberjesingen weist eine Tafel vor dem ehemaligen Schafstall auf frühere Bewohner hin. Vielen war die Geschichte mit den griechischen Zwangsarbeitern gar nicht bekannt.

Herrenberg - Für Walter Wolf war das völlig neu. „In Interviews mit älteren Ortsansässigen haben wir erfahren, dass im Winter 1944/45 griechische Zwangsarbeiter im Schafstall untergebracht gewesen waren“, sagt der Freizeithistoriker, der mit anderen Ehrenamtlichen in Herrenberg-Oberjesingen die Ortsgeschichte erforscht. Insgesamt acht Tafeln sind im Flecken aufgestellt worden, die an frühere Wirtshäuser erinnern, an das Treiben rund um das Backhaus und an vieles mehr. Eine Gedenktafel steht auch an der Calwer Straße. Vor jenem Schafstall, wo 20 bis 30 junge Griechen – die Zahlen gehen darüber auseinander – nachts auf Stroh schliefen und tagsüber Straßen, einen Hilfsflughafen für die Nazis unweit vom Ort und Unterstände gegen alliierte Angreifer bauen mussten.

Transport aus Athen

„Wenn ein Lastwagen mit Steinen ankam, mussten die Zwangsarbeiter diese rasch herunterschippen“, berichtet Johannes Roller. „Das musste zack, zack gehen“, weiß der Oberjesinger Ortsvorsteher. Schließlich drohten den braunen Machthabern während des Zweiten Weltkriegs vor allem Fliegerattacken.

Die Griechen waren mit einem Transport aus Athen gekommen, wo sie im Sommer 1944 während einer Razzia zusammengetrieben worden waren. Manche waren von den Nazi-Häschern an griechischen Stränden aufgegriffen und verschleppt worden. Überliefert ist, dass einer von ihnen einen Sack über den Kopf bekam und auf Kameraden deuten musste, die in der Kommunistischen Partei waren oder ihr nahestanden. Die Betroffenen wurden sofort hingerichtet. 1040 Griechen, so geht aus einer Liste des Roten Kreuzes hervor, kamen nach Deutschland, wo sie von den Nazis zur Zwangsarbeit an diverse Einsatzorte verteilt wurden.

Nazis bauten Flugplätze aus

Nach der Landung der Alliierten in der Normandie hatten sich die Nazis daran gemacht, ihre Flugplätze zu ertüchtigen. 350 junge Griechen waren deshalb für das KZ-Lager in Hailfingen-Tailfingen bestimmt. Von August 1944 an mussten sie den dortigen Nachtjägerflugplatz ausbauen. „Wie wir von einem Zeitzeugen wissen, war der Aufenthalt in Oberjesingen um vieles besser als in Hailfingen-Tailfingen“, berichtet die örtliche Geschichtsforscherin Doris Dengler. Dort mussten die Lagerhäftlinge nicht nur schwere Steinarbeiten verrichten, sondern auch Eisenschienen für eine Lorenbahn verlegen und schwere Hölzer im Laufschritt durch den Regen schleppen. Eine Gruppe von ihnen, jene 20 bis 30 jungen Männer, zumeist zwischen 16 und 20 Jahren alt, wurde im Winter 1944 nach Oberjesingen verlegt. „Sie waren verlaust, zerlumpt und ausgemergelt“, so Dengler. Hinter dem Schafstall kochten sie Essen. „In dem Kessel brühten sie auch ihre Kleider ab“, weiß Roller. Wenn es an Nahrung mangelte, brachten Einheimische Reste von Mahlzeiten vorbei. Ein deutscher Major organisierte wärmere Kleidung.

Laut Dengler hat ein Zwangsarbeiter die Zeit in Oberjesingen nicht überlebt: „Er hatte Zahnprobleme und kam ins Krankenhaus nach Nagold. Dort ist er gestorben, weil sie keine Medikamente hatten.“ Nikos Skaltsas, damals unter den Zwangsarbeitern, war jüngst zu Besuch. Er sei damals nur auf freundliche Menschen getroffen, berichtete er. Aber auch die Griechen zeigten sich hilfsbereit. „Als Kinder in der Calwer Straße Schlitten fuhren, haben die jungen Männer sie wieder den Berg hinaufgezogen“, weiß Roller. Anfang April 1945 – kurz vor dem Einmarsch der Franzosen – transportierten die Nazis sie nach Stetten bei Haigerloch (Zollernalbkreis). Amerikanische Truppen befreiten sie.