Das einstige IBM-Gebäude auf dem Fichtenberg steht wohl noch eine Weile leer. Das Landespolizeipräsidium prüft, ob es als Fortbildungsstätte in Frage kommt. Foto: factum/Granville

Die Vorbereitungen für die geplante Landeserstaufnahmestelle, die nun nicht eingerichtet wird, seien nicht umsonst gewesen, sagen Ehrenamtliche wie Maya Wulz (Grüne). Von den Angeboten profitieren Zugereiste, die schon in der Stadt leben.

Herrenberg - Die am Mittwoch bekannt gegebene Entscheidung des Landes, keine Flüchtlingsunterkunft im ehemaligen IBM-Schulungszentrum einzurichten, kam für die Herrenberger nicht überraschend. Auch der Landrat Roland Bernhard hatte sie erwartet: „Sie zeichnete sich aufgrund der rückläufigen Flüchtlingszahlen ab und ist absolut logisch.“ Nichtsdestotrotz engagieren sich die zahlreichen Herrenberger Ehrenamtlichen auch weiterhin, um die Zugereisten zu unterstützen.

„Unsere Arbeit war und ist nicht umsonst“, betont Maya Wulz, die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Herrenberger Gemeinderat, die bereits seit den 1990er Jahren aktiv in dem 1988 gegründeten Verein „Flüchtlinge und Wir“ mitwirkt. In der Stadt würden derzeit rund 260 Flüchtlinge beherbergt, und es kämen möglicherweise durch einen neuen Verteilerschlüssel noch weitere hinzu.

Vorbereitungen liefen schon seit zwei Jahren

Seit nunmehr zwei Jahren hatten sich hunderte von Ehrenamtlichen auf den Tag X vorbereitet. „Wir konnten ja nicht abwarten, bis mehr als tausend Flüchtlinge vor unserer Tür stehen“, erklärt Maya Wulz. So viele – zuletzt war von 1250 die Rede – sollten in der anvisierten Landeserstaufnahmestelle unterkommen. Zu einer Informationsveranstaltung der Stadt hatten sich rund 500 Bürger eingefunden, 280 trugen sich in Listen für Arbeitsgruppen ein. Die Versorgung mit Kleidern stand auf der Agenda, Lese-Patenschaften wurden vorbereitet, Freizeitangebote und nicht zuletzt ein Sprachunterricht waren geplant. Auch wenn es nun in Herrenberg keine LEA gebe, werde die Arbeit in den Gruppen fortgesetzt, sagt Wulz.

Sie befindet sich in der Gruppe, die sich darum kümmert, dass die Neuankömmlinge künftig auch sprachlich im Alltag besser zurecht kommen. „Nun haben wir Mütter mit kleinen Kindern im Visier, die bereits in Herrenberg leben und um deren Probleme sich bisher noch kaum jemand kümmert“, sagt die engagierte Flüchtlingshelferin. Mit ihnen wird Kontakt aufgenommen, zwei Mal pro Woche soll ihnen die deutsche Sprache beigebracht werden. Die Angebote der Arbeitsgruppen werde künftig denjenigen zugute kommen, die bereits in Herrenberg leben.

Stadt stellte eine Flüchtlingsbeauftragte ein

„Wir waren und sind gerüstet“, sagt der Oberbürgermeister Thomas Sprißler. Beobachter wie die Landtagsabgeordneten Bernd Murschel (Grüne) und Sabine Kurtz (CDU) bestätigen das. Die Stadt habe sich vorbildlich auf die mögliche LEA vorbereitet. Herrenberg schuf sogar eine Stelle für eine Flüchtlingsbeauftragte. „Sie können wir auch künftig gut brauchen“, sagt Maya Wulz. Überhaupt sei sie eine große Hilfe bei der Koordinierung des bestehenden Netzwerks mit hunderten von Ehrenamtlichen. Auch die Diakonie engagiere sich bereits sehr stark für die Neuankömmlinge.

Deshalb sind für Wulz wie für Sprißler die Vorbereitungen auf die LEA keine verlorene Zeit – im Gegenteil. „Wir können unsere Flüchtlingsarbeit noch verstärken“, sagt der OB. Nach der nun etwa zwei Jahre langen Hängepartie begrüßt Sprißler die Nachricht über die LEA: „Es ist für uns gut, dass eine Entscheidung gefallen ist.“ Nun gelte es, eine alternative Nutzung zu finden. Laut Carsten Dehner, dem Pressesprecher im Innenministerium, liege dem Landespolizeispräsidium seit Mittwoch der Auftrag vor, zu prüfen, ob die Polizei in das Gebäudeensemble einziehen könnte.

Ein Ausbildungszentrum der Polizei?

Denkbar sei etwa die Einrichtung einer Aus- oder Weiterbildungsstätte. Erst wenn die Polizei für sich keine Verwendung sehe, müsse über eine neue Lösung nachgedacht werden. Im Raum steht dann freilich auch der Verkauf der Immobilie, die dem Land gehört. Der Landrat Bernhard signalisierte, dass sich der Kreis „konstruktiv einbringen möchte, wenn es um die künftige Nutzung des Standorts am Fichtenberg geht“. Gespräche dafür fänden in den nächsten Wochen und Monaten statt.

Bernhard hat aber auch schon schlechte Erfahrungen gemacht. Das Land hatte es zuletzt abgelehnt, in der geplanten LEA einen Bereich für Minderjährige einzurichten, für die der Kreis zuständig ist. Dies sah zunächst ein Konzept vor, das mit dem Land, dem Kreis und der Stadt Herrenberg besprochen worden war. Der negative Bescheid war im Lenkungsausschuss für Flüchtlingsfragen gefallen – ohne Rücksprache mit dem Landrat.

Immobilie:
Das ehemalige IBM-Schulungszentrum hat das Land vom Schweizer Fonds Real MGT dem Vernehmen nach zum Preis von 20 Millionen Euro erworben. Eine Landeserstaufnahmestelle (LEA) darin einzurichten, hätte einige Millionen Euro gekostet. Der Umbau ist dem Land aber zu teuer. Unter anderem sollte für unbetreute, minderjährigen Flüchtlinge ein separater Gebäudetrakt geschaffen werden. Das Land verwarf den Plan später. Das bestehende Ensemble bietet 25 000 bis 27 000 Quadratmeter Nutzfläche.

Heimbetrieb
: Ursprünglich sollte die LEA Herrenberg schon im kommenden Jahr sukzessive in Betrieb genommen werden. Das Stuttgarter Regierungspräsidium hatte bereits eine Hausmeisterstelle ausgeschrieben. Rund 300 Arbeitsplätze sollten in der LEA angesiedelt werden: Betreuer, Mitarbeiter des Gesundheitsamtes sowie Kräfte von Sicherheitsdiensten.