Das Publikum des Rohrer Seefests ist treu. Seit 42 Jahren feiern die Fans sogar, wenn das gesamte Wochenende verregnet ist. Foto: Privat

Das 48er-Festival ist für das Jahr 2017 abgesagt – mindestens. Die Organisatoren leiden unter den gleichen Schwierigkeiten wie die anderer kostenloser Open-Air-Konzerte, aber im Grund sind sie Opfer ihres Erfolges.

Herrenberg - Der Erfolg frisst ein weiteres seiner Kinder. Das 48er-Festival in Herrenberg ist abgesagt, ob nur für dieses Jahr oder für immer, ist derzeit völlig offen. Auf der Liste der Gründe stehen die gleichen Schwierigkeiten, unter denen andere Open-Air-Festivals immer wieder leiden, deren Macher auf Eintrittsgeld verzichten: knappe Kasse, zu wenige ehrenamtliche Helfer. Aber letztlich ist den Organisatoren ihr 48stündiges Freiluft-Konzert schlicht entwachsen. In den vergangenen Jahren strömten stets Tausende auf das Gelände beim Herrenberger Jugendhaus, aus dem einst die Idee entsprang. Offizieller Veranstalter ist der Verein MuKS. Das Kürzel steht für Musik, Kultur und Straßenkunst.

Der Vereinsvorsitzende Simon Russky weiß zur Absage des Festivals nicht allzu viel zu sagen. Aus einem schlichten Grund: Er ist seit wenig mehr als einer Woche im Amt. „Geld und Helfer waren ein Thema“, sagt Russky. „Aber der große Faktor ist, dass wir keinen Nachwuchs für das Orga-Team hatten.“ Die bisherigen Macher seien nach mehr als 15 Jahren eben keine Jugendlichen mehr, sondern beruflich eingespannt und haben Familie. „Wir haben ein neues Team zwischen 16 und 22 Jahren“, sagt Russky, „aber zur Zukunft des 48er kann ich noch nichts sagen“.

Die Festival-Konkurrenz bedauert die Absage

„Das ist schade“, sagt Roland Brömmel. Er ist gleichsam der Großvater der Szene, die einst dem politisch linken Rand entsprang und begann, kostenlose Partys zu organisieren. Brömmel gehört seit 35 Jahren zu den Organisatoren des alljährlichen Umsonst & Draußen, kurz U & D an der Universität in Stuttgart-Vaihingen. Diesen Sommer wird zum 38. Mal die Musik über die Festwiese wummern.

Am Herrenberger Jugendhaus wird ebenfalls keine Ruhe herrschen. „Es wird auch in diesem Jahr eine Veranstaltung geben, aber nicht in den Dimensionen“, sagt Russky. Irgendwie kleiner, lokaler soll das Festival werden, und damit weniger Publikum locken. Alles andere ist offen, sogar der Name der Veranstaltung. Fest steht: 48 Stunden soll sie weiterhin dauern, aber nicht mehr 48er heißen. Alles andere „bleibt abzuwarten“, sagt Russky. „Wir standen auch schon auf der Kippe“, sagt Brömmel. Mal protestierten Naturschützer gegen die Party am Waldrand, mal fehlten die Helfer, mal war in der Kasse nur noch das Regenwasser der Wolkenbrüche, die das Publikum fernhielten. „Irgendwie haben wir’s immer hingekriegt“, sagt Brömmel, mit Spendenaufrufen, Solidaritätskonzerten oder Schmähschriften gegen das „Verräterbier“. Das Festival finanziert sich, wie alle seiner Art, aus dem Verkauf von Essen und Getränken. Wer Bier mitbringt, gilt als sein natürlicher Feind.

Das Rohrer Seefest war noch nie in Finanznot

Bester Dinge ist Martin Gerlich. Er gehört zu denjenigen, die das Rohrer Seefest organisieren. Das Festival ist sogar noch einmal fünf Jahre älter als das Umsonst und Draußen. Am zweiten Juniwochenende wird das Publikum zum 43. Mal in den Park des ansonsten beschaulichen Stuttgarter Stadtteils Rohr strömen. Die Freiluftparty ist einst entstanden im selbstverwalteten Jugendclub. Aus dem „kommen auch heute noch die Helfer“, sagt Gerlich. Und das Publikum ist treu. Selbst bei Regenwetter „kommen wir auf Null raus“. Ein einziges Mal stand unter dem Strich ein Minus in der Kasse. Wegen Bauarbeiten war das Festgelände nicht mit der Bahn zu erreichen. Jeder Überschuss fließt für wohltätige Zwecke, weshalb die Bands keine Gage verlangen, sondern nur Fahrtgeld.

Eine mögliche Treue des 48er-Publikums gehört zu den Unbekannten, mit denen Russky rechnen muss. Wenn zum Nachfolger-Festival wider Erwarten die gleichen Massen verköstigt werden wollen wie in den letzten Jahren, sagt er, „dann geben wir einfach unser Bestes“.