13 500 Datenspeicher behaupteten die EN-Storage-Geschäftsführer gekauft zu haben. Der Insolvenzverwalter fand „wenige vorhandene Server“. Foto: tmn

Selbst skeptische Anleger ließen sich von Bestnoten und Zertifikaten für EN Storage überzeugen.

Herrenberg - Martin Borgstedt hätte besser seiner Eingebung gehorcht: „Das kann nicht funktionieren“, war sein erster Gedanke, als er in einem Wochenblatt eine Anzeige las, in der sieben Prozent Zins auf Wertpapiere der Herrenberger EN Storage versprochen wurden. Aber der Finanzberater, der die Anlage pries, war ein alter Bekannter aus dem Fußballclub, und er breitete scheinbar unwiderlegbare Dokumente auf dem Tisch aus.

Dies sollte das Geschäft sein: Borgstedt kauft einen Server und vermietet ihn an EN Storage. Das Unternehmen speichert auf diesem Server Daten für Daimler. Borgstedt bekommt seinen Teil der Gebühren für die Dienstleistung. Sein Finanzberater habe ihn gefragt: „Glaubst Du, dass Daimler pleite geht?“, erzählt Borgstedt. Das Zertifikat eines Wirtschaftsprüfers schien im Sinne einer Quittung zu beweisen, dass der Datenspeicher nur auf Kauf und Weitervermietung warte, „das war mit Unterschrift, Siegel und Gerätenummer“, sagt Borgstedt.

Anfangs floss das versprochene Geld pünktlich

Anfangs floss das versprochene Geld auf sein Konto, pünktlich alle drei Monate. Borgstedt schoss nach. Es war die erste Geldanlage seines Lebens und wird wohl die letzte bleiben. Inzwischen bangen mit ihm rund 2000 gutgläubige Anleger um ihr Geld. Die EN Storage ist pleite. Die Staatsanwaltschaft ermittelt. Ein Geschäftsführer ist verhaftet. „Mir scheint, das war ein von langer Hand vorbereiteter Betrug“, sagt Borgstedt. Da hat er wohl recht. Holger Leichtle von der Kanzlei Schultze und Braun ist zum Insolvenzverwalter bestellt. Rund 90 Millionen Euro sind für ihn unauffindbar. Genauso wie Borgstedts Server.

„Heute verwaltet die EN Storage ca. 13 500 Storage-Systeme für Wirtschaftsunternehmen und staatliche Institutionen, von denen sich 2500 in Eigenbesitz befinden – die restlichen Systeme werden von mehr als 1500 Anlegerkunden refinanziert.“ So ist es in einer Broschüre des Unternehmens zu lesen, die Anleger überzeugen sollte, nebst einem Hochglanzfoto der Geschäftsführer Lutz Beier und Edvin Novalic unter der Schlagzeile „Die EN Storage GmbH – eine Erfolgsgeschichte“. Leichtle spricht „von wenigen vorhandenen Servern“. Offenbar seien „die Gelder der Anleger nicht in die versprochene Infrastruktur investiert worden“.

Euler Hermes und Creditsafe vergaben Bestnoten

Zahlen schienen die Marketinglyrik der Broschüre zu untermauern. In einer Tabelle kletterte der Umsatzerlös binnen fünf Jahren von 240 000 auf 54 Millionen Euro, der Jahresüberschuss von 55 000 auf sieben Millionen Euro. Mehr als 30 Millionen Euro wollten Beier und Novalic in Datenspeicher investiert haben, Stand April 2016. Bis Jahresende sollten es 50 Millionen werden. Die Bilanzen waren testiert. Euler Hermes bescheinigte „beste Bonität“, Creditsafe vergab die Bonitätsnote 1,2.

Borgstedt hatte diese Bewertungen gelesen, nebst anderer, ebenso begeisterter Hymnen auf EN Storage. Sein Geld schien tatsächlich so sicher wie bei Daimler. Beier und Novalic hatten so ziemlich jeden beeindruckt, vom Herrenberger Oberbürgermeister Thomas Sprißler, der das Unternehmen besichtigte, bis zur international renommierten Gesellschaft für Unternehmensprüfung. „Ich hätte niemals gedacht, dass so etwas in Deutschland möglich ist“, sagt Borgstedt.

Der Insolvenzverwalter beschäftigt Experten damit, die verschwundenen Millionen aufzuspüren. Es gibt Hinweise, dass das Geld auf den Balkan geflossen sein könnte. EN Storage hatte einen Standort in der kroatischen Hauptstadt Zagreb gegründet, im Zagrebtower, einem pompösen Geschäftshochhaus. Dessen Betreiber werben auch gern mit Partyfotos leicht bekleideter Blondinen für die Vorzüge des Standorts. In der serbischen Hauptstadt Belgrad hat EN Storage augenscheinlich tatsächlich investiert. Dort entstehe ein hoch modernes Rechenzentrum, hatten die Geschäftsführer mitgeteilt und luden ein, den Bau live im Internet zu verfolgen. Die Kamera filmt nach wie vor unverdrossen. Das Bild zeigt ein rotbraunes Geschäftshaus am Rande eines Gewerbegebietes. Das einzige, was sich bewegt, ist ein Baustellenband, das im Wind flattert.