Betretene Mienen: die Landtagsabgeordnete Nicole Razavi, Göppingens OB Guido Till, der Bundestagsabgeordnete Hermann Färber und Dietrich Birk (Ex-MdL) Foto: Michael Steinert

Hermann Färber (CDU) hat im Kreis Göppingen wieder das Ticket nach Berlin gebucht. Eitel Freude herrscht bei den Christdemokraten dennoch nicht.

Kreis Göppingen - Hermann Färber scheint das Desaster gerochen zu haben. „So lange wir noch glücklich sind und hoffnungsfroh, möchte ich sie ganz herzlich begrüßen“, erklärte er auf der CDU-Wahlparty im Stauferpark. Kurz darauf gab es lange Gesichter. Die erste Hochrechnung zeigte, wohin die Reise bundesweit ging. Auch im Kreis Göppingen hat die CDU deutlich an Rückhalt verloren. Sie bekam 33,3 Prozent der Stimmen. Bei der Bundestagswahl vor vier Jahren waren es noch 45,8 Prozent gewesen. Hermann Färber, der mit 37,6 Prozent der Stimmen das Direktmandat wieder errang, schnitt zwar etwas besser ab als seine Partei, doch auch er bekam 11,5 Prozent weniger als beim letzten Mal. „Ich musste Stimmen abgeben an die AfD und die FDP, das freut mich nicht, aber ich muss das so hinnehmen“, sagte er. Natürlich habe er sich ein anderes Ergebnis erhofft.

Das gute Abschneiden der AfD bewertete Färber, der im Jahr 2013 erstmals in den Bundestag gewählt worden war, als „erschreckend und Besorgnis erregend“. Dieser Partei sei es gelungen, „mit Angstparolen Stimmung zu machen und auch viele Nichtwähler zu mobilisieren“. Für die kommende Legislaturperiode bedeute dies, dass die etablierten Parteien Flagge zeigen müssten. „Wir müssen aus diesem Ergebnis unsere Lehren ziehen und fragen, ob wir Fehler gemacht haben“, so Färber, der im Bundestag Zustände wie im baden-württembergischen Landtag befürchtet. „In Stuttgart ist die AfD-Fraktion ausschließlich mit sich selbst beschäftigt.“

Dass die AfD so viele Wähler für sich gewinnen konnte, führt nicht nur Hermann Färber auf das Thema Flüchtlinge zurück. Das sieht auch die Geislinger CDU-Landtagsabgeordnete Nicole Razavi so. Nach dem Fernsehduell zwischen den Kanzlerkandidaten Angela Merkel und Martin Schulz vor drei Wochen, bei dem es in erster Linie um dieses Thema gegangen sei, habe die AfD einen enormen Aufwind bekommen. Das sei spürbar gewesen. „Jetzt müssen wir alle zusammen klug darauf reagieren, nicht nur die Politik, sondern die ganze Gesellschaft“, fordert Razavi, die vor allem auch die Medien in der Pflicht sieht, die das Thema Flüchtlinge über Gebühr „hochgekocht“ hätten.

Da die AfD vor allem Ängste schüre und Stimmung mache, sei es schwierig, die Menschen mit Argumenten zu erreichen. „Man erreicht die Leute gar nicht mehr im Gespräch, alle haben Angst, etwas von ihrem hohen Lebensstandard abgeben zu müssen“, bedauerte Razavi. Ähnlich beurteilt dies auch Hermann Färber. Er habe bei den mehr als 60 Wahlveranstaltungen in den vergangenen Wochen die Atmosphäre als gut empfunden, sagte er und fügt dann doch etwas bitter an. „Aber natürlich kann ich nicht sagen, wer dann trotzdem sein Kreuzchen bei der AfD gemacht hat.“