Die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute wecken Hoffnungen auf einen Aufschwung. Dafür müsste die Bundesregierung aber noch viel tun, meint unser Autor.
Das sieht – auf den ersten Blick – fast freundlich aus: Für das nächste und übernächste Jahr erwarten die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute in ihrem Herbstgutachten ein Wachstum von 1,3 und 1,4 Prozent. Ist diese sich abzeichnende Dynamik der Beginn des ersehnten Aufschwungs? Tatsächlich bleiben die Prognosen fast unverändert gegenüber dem Frühjahr. So weit ist es demnach nicht her mit dem Stimmungsaufheller nach mehr als zwei Jahren der Rezession.
Sondervermögen könnte in die Irre führen
Ohnehin kann das „Aber“ nicht groß genug geschrieben werden: So konterkarieren wichtige Schwachstellen des Welthandels, wie die Probleme mit den USA oder China, weiterhin das deutsche Geschäftsmodell. Und hierzulande schieben vorerst nur die Milliarden aus dem Sondervermögen die Konjunktur an. Dieser Effekt kann sich als trügerisch erweisen. Resultiert aus der sich anbahnenden Auflösung des öffentlichen Investitionsstaus kein nachhaltiges Wachstum mit einer neuen Investitionsbereitschaft auch in der Wirtschaft, verpuffen die Ausgaben und bringen noch rasant wachsende Zinskosten mit sich.
Es braucht weitere starke Impulse – etwa zur Entlastung der Firmen bei der Energie und zur Fachkräftegewinnung, weil der Abgang der Babyboomer in Rente eine Hauptwachstumsbremse ist. Viele grundsätzliche Übel müssen behoben werden. Inflationär ist vom „Herbst der Reformen“ die Rede. Mit Schlagworten um sich zu werfen, bringt keinen Aufschwung. Wichtiger wären Reformen im Herbst. Da geht es ums Konkrete. Bisher kneift die Regierung. Es bräuchte die Botschaft an Bürger und Lobbyisten, dass Veränderungen auch weh tun können.
Erstes Zwischenzeugnis für den Kanzler
Die Gemeinschaftsdiagnose ist das erste Zwischenzeugnis der Wirtschaftsforscher auch für den Kanzler, der nach seiner Wahl weismachen wollte, dass schon im Sommer eine Verbesserung der Verhältnisse spürbar sein werde und viele enttäuscht hat. Daraus resultiert nun maximal ein „Ausreichend“. Kommt die Wirtschaft nicht in Fahrt, bleiben die Einnahmen aus. Dann steuert die Regierung in die finanzielle Handlungsunfähigkeit – ihre Versetzung wäre akut gefährdet.