Eine turbulente Truppe hat beim Herbstempfang der Stuttgarter Musicals Lieder aus „Mary Poppins“ gesungen Foto: Lichtgut / Oliver Willikonsky

Es reicht nicht, wenn eine Show gut ist – das Thema muss die Massen aufwühlen. Boxen gehört nicht dazu. Eine Lehre der Stage Entertainment aus dem Flop von „Rocky“. Beim Musical-Empfang für Stadt-Vips strahlten die Theaterleute dennoch. Wie gut, dass es die magische Mary Poppins und ewige Vampire gibt!

Stuttgart - Zu gern würde Stephan Jaekel, der Kommunikationschef des Musicalmarktführers Stage Entertainment, den Klassiker „West Side Story“ in einem seiner Häuser sehen. Doch der Spielplan richtet sich nicht nach seinem Geschmack. Die Massen sollen beglückt werden. Ohne einen Cent öffentlicher Förderung ist der Unterhaltungskonzern auf fortwährenden Gewinn angewiesen – umso mehr, seit Investoren aus Luxemburg das Sagen haben. Experiment haben nun keine Chance mehr. Zu Jaekles Lieblingen zählen außer der Story von West Side die Boxer von „Rocky“ und die Tänzer von „Chicago“ – ausgerechnet diese beiden Stücke fielen in Stuttgart durch. Die Misserfolge, so hat er beim Herbstempfang der Stage im Foyer des Apollo-Theaters versichert, sind rechtzeitig abgezogen worden oder werden in Kürze ausgetauscht, so dass es keine rote Zahlen bei den Schwaben gäbe.

Von einem Kurzurlaub war der PR-Mann aus Barcelona nach Stuttgart geflogen – braun gebrannt strahlte er, als würde für ihn immerzu die Sonne scheinen. Vergessen war Berlin, wo sein Arbeitgeber für das Theater am Potsdamer Platz lieber bis 2022 die Miete zahlt und es leer stehen lässt, als es zu bespielen. Keines der beiden Stuttgarter Bühnen wird nach Jaekels Worten das Schicksal eines leeren Haus erleiden – nicht zuletzt, weil man „Rocky“ im Januar aus dem Spielplan nimmt und durch „Tanz der Vampire“ ersetzt. Bald wird der Ruf aus der der Finsternis wieder erklingen: „Die Ewigkeit beginnt heut Nacht!“

Am 23. Oktober feiert „Mary Poppins“ Premiere

Die schnelle Eingreiftruppe der Blutsauger wäre wohl noch schneller gekommen, müsste sie nicht vom 5. Oktober bis 15. Januar im Deutschen Theater den Münchnern das Gruseln lehren. Kaum ist die Nachricht vom dritten Vampir-Gastspiel in Stuttgart bekannt, verbreitet sich rasant der Wunsch der Fans in den sozialen Netzwerken, Kevin Tarte, den ersten deutschen Krolock, in der Hauptrolle einzusetzen – zumindest zeitweise. Mit Rücksicht auf sein Alter muss er’s ja nicht mehr täglich tun. Klaus Schnaidt, einer der Fans, findet, die Stage sollte darüber nachdenken, „so eine Art Dauerkarte für alle Kevin-Auftritte“ anzubieten.

Noch sind die Rollen nicht besetzt, sagt Jaekel. Was sich in den sozialen Netzwerken tut, wird von der Stage aber hoch bewertet. So weist der PR-Mann beim Rundgang durch den Bühnenaufbau für „Mary Poppins“ (Premiere ist am 23. Oktober) die Stadt-Vips wie Flughafenchef Georg Fundel und Stuttgart-Marketing-Chef Armin Dellnitz darauf hin, sie dürften nun Fotos machen und diese bei Facebook posten.

Eine quirlige Truppe junger Menschen wirbelt sodann auf die Foyerbühne, um mitreißend Hits aus dem Musical vom weltberühmten Kindermädchen zu singen. Bei „Mary Poppins“, glaubt Jaekel, „klickt“ es bei den Menschen. Anders als bei „Rocky“ werden Kindheitserinnerungen geweckt.

Die Vampire bleiben sechs Monate in Stuttgart

Ann-Kathrin Bauknecht, die Honorarkonsulin von Nepal (sie kam mit Tochter Sonja Bauknecht), ist ein Fan dieser Show, die sie in London gesehen hat. Sie rühmt die Magie und die bunte Inszenierung. An diesem Abend wird auch über das Oktoberfest gesprochen. Frau Bauknecht sagt, dass sie der bayerischen Society-Lady Regine Sixt, geraten habe, ihre Damenwiesn in diesem Jahr wegen möglicher Terrorgefahr abzusagen. „Wenn 1000 Promifrauen zusammenkommen, wäre das ein Anschlagsziel“, meint sie.

Auch für Stuttgart hat Maxi von Bleyle ihren Damenwasen abgesagt, was nichts mit Terrorgefahr zu tun habe. „Wir nehmen eine Auszeit, um eine neue Konzeption zu erarbeiten“, sagt die Dekra-Protokollchefin.

Nach einer Auszeit ist die Freude üb er ein Comeback umso größer – bei den Vampiren sieht man’s. „Kevin Tarte sollte als Ur-Krolock dabei sein“, findet Kulturmanagerin Brigitte Stephan, die vor 20 Jahren für Rolf Deyhle gearbeitet hat. Ein halbes Jahr will die Stage den Tanz der dritten Zähne in Stuttgart spielen, ehe ein neues Musical Premiere feiert. Sollte auch dieses wie „Rocky“ scheitern, könnte man dann immer noch „Mamma Mia“ zum x-ten Mal bringen.