Herbert Wursthorn in seiner Zeit als Mittelstreckler beim VfB Stuttgart. Foto: imago//Sportfoto Rudel

Ex-Europameister Herbert Wursthorn zieht sich nach 40 Jahren von den VfB-Leichtathleten zurück. Wursthorn war Mittelstrecken-Läufer und arbeitete später auch erfolgreich als Trainer.

Stuttgart - Es war wohl das einzige Mal, dass Herbert Wursthorn auf die Nase gefallen ist. Mit einem Zielsprung war der damals 24-jährige Läufer des VfB Stuttgart 1981 in Grenoble im 800-Meter-Rennen über die Ziellinie gestürzt. Das Ergebnis: der Gewinn der Goldmedaille, der Titel als Hallen-Europameister sowie ein Kahnbeinbruch im Handgelenk. Der EM-Titel war eine Sensation, denn der kantige Läufer von der Schwäbischen Alb hatte zu dieser Zeit nicht einmal Sporthilfe bezogen. Dafür hatte er die beiden DDR-Athleten Achim Busse und Detlef Wagenknecht, beides Olympiafinalisten, überraschend besiegt.

Rückzug nach 40 Jahren beim VfB Stuttgart

Erst jetzt nach 40 Jahren vollzog Wursthorn seinen Rückzug von den Leichtathleten des VfB. Zehn Jahre war er Aktiver, danach wurde er auch ein erfolgreicher Trainer, und die letzten 25 Jahre war er als stellvertretender Abteilungsleiter ehrenamtlich tätig. „Herbert Wursthorn ist als Sportler, als ausgleichender Mensch mit hervorragendem Sachverstand zu einer Institution beim VfB geworden“, ist Abteilungsleiter Dieter Göggel voll des Lobes über den 62-Jährigen.

Mit seinem EM- und vier deutschen Staffel-Meister-Titeln, als der VfB Stuttgart mit Matthias Assmann, Hans Allmandinger, Andreas Baranski noch eine Mittelstrecken-Hochburg in Deutschland war, und seinem Engagement neben der Kunststoffbahn steht Wursthorn in der Reihe zweier VfB-Ikonen: Helmar Müller, Olympiadritter 1968 in der 4x400-Meter-Staffel und später Fußball-Abteilungsleiter bei den VfB-Amateuren, sowie Karl Honz, dem 400-Meter-Europameister von Rom 1974.

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Prominentester Schützling, den Herbert Wursthorn in die Weltspitze führte, war die 800-Meter-Läuferin Sabine Zwiener, die 1988 in Budapest Hallen-Europameisterin wurde und 1992 in Barcelona und 1993 in Stuttgart Olympia- und WM-Teilnehmerin war. „Die Trainertätigkeit war eine sehr anspruchsvolle Zeit“, erinnert sich Wursthorn. Täglich stand er zusätzlich zu seinem Beruf auf dem Platz, täglich fuhr er von seinem Heimatort Würtingen nach Stuttgart, was vor allem im Winter mühsam sein konnte.

Laufbahnberater im Olympiastützpunkt Stuttgart

Ab 1988 war Wursthorn als Laufbahnberater im Olympiastützpunkt Stuttgart angestellt. „Jungen Sportlern in der Doppelbelastung von Sport und Ausbildung beziehungsweise Beruf beste Bedingungen zu vermitteln ist bis heute meine Aufgabe“, sagt der Diplompsychologe. Der Sport habe sich gegenüber seiner aktiven Zeit sehr verändert, die Medien hätten dies mit verursacht. Das Geld spiele immer noch eine verhältnismäßig geringe Rolle in der Leichtathletik. „Die Leichtathletik interessiert die Menschen bei Olympischen Spielen und Welt- und Europameisterschaften relativ stark, wie man bei der WM in Doha gesehen hat, danach verschwindet sie leider wieder“, bedauert er die geringe Aufmerksamkeit.

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Als Höhepunkte seiner Zeit als Abteilungsleiter bezeichnet er die Tatsache, dass der VfB Stuttgart 2016 in Rio de Janeiro mit Marie-Laurence Jungfleisch, Gregor Traber, Fabian Heinle und der Rumänin Alina Rotaru gleich vier Olympiateilnehmer stellen konnte – einmalig in der Vereinsgeschichte. Die Bindung des jahrelang besten deutschen Sprinters Tobias Unger an den VfB am Ende von dessen Karriere habe ihn stolz gemacht, so Wursthorn. Er nennt den Aufbau der Schüler-Leichtathletik mit derzeit 270 Teilnehmern als einen wichtigen Schritt für den Verein.

„Ich bin glücklich, dass die Leichtathleten im Großverein VfB Stuttgart viel von dessen Netzwerk profitiert haben“, lautet sein Bekenntnis zum Fußball-Verein. Und was macht einer, der 30 Jahre ehrenamtlich im Sport tätig war, danach? Herbert Wursthorn bläst seit fast 50 Jahren die Trompete im Würtinger Posaunenchor, und die will er noch lange nicht aus der Hand legen.