Wenn es um „seine“ Wilhelmshilfe ging, hat Herbert Nill klare Worte noch nie gescheut. Foto: Horst Rudel

Als Herbert Nill vor mehr als 30 Jahren die Geschäftsführung bei der Göppinger Wilhelmshilfe übernommen hat, hießen Seniorenresidenzen noch Altersheime. Auch sonst hat sich, wie Nill im Gespräch mit Andreas Pflüger von der StZ deutlich macht, in dem Bereich viel verändert.

Göppingen – - Bei der Göppinger Wilhelmshilfe, dem größten Betreiber von Altenhilfeeinrichtungen im Kreis Göppingen, endet eine Ära. Der Vorstandsvorsitzende Herbert Nill geht nach 30 Jahren, in denen es unzählige Reformen und Veränderungen im Pflegebereich gegeben hat, zum 31. Dezember in den Ruhestand. An diesem Freitag wird Nill offiziell verabschiedet. Grund genug für eine Bilanz.
Herr Nill, haben Sie so unmittelbar vor Ihrer Pensionierung eigentlich Bammel vor dem plötzlichen Altern – oder gar davor ein „Pflegefall“ zu werden?
(lacht) Nein, das habe ich nicht. Meine einige Jahre jüngere Frau wohl schon eher. Gesagt hat sie bisher allerdings nichts.
Aber dennoch endet in diesen Tagen für „Mister Wilhelmshilfe“ ein Lebensabschnitt. Glauben Sie nicht, dass Ihnen da nach mehr als 30 Jahren in Amt und Würden etwas fehlen könnte oder gar langweilig wird?
Natürlich wird mir etwas fehlen. Insbesondere auch, weil ich nie mit Widerwillen ins Geschäft gegangen bin und mich meine Arbeit insgesamt gefordert und interessiert, ja bisweilen sogar Spaß gemacht hat. Dinge, die mir Spaß machen, gibt es aber viele. Neue Herausforderungen in der von mir gesteuerten Dosierung anzunehmen, kann ich mir deshalb gut vorstellen. Einen Masterplan vom 1. Januar 2017 an habe ich bis heute aber noch nicht erstellt und um ganz ehrlich zu sein, freue ich mich auch auf ein bisschen Faulenzen.
Blicken wir mal auf die Anfänge zurück: Als sie 1986 bei der Wilhelmshilfe das Amt des Vorstandsvorsitzenden übernommen haben, gab es zwar auch schon Altersheime. Vom demografischen Wandel, von einer Pflegeversicherung oder gar einem Pflegenotstand war damals aber noch keine Rede.
Da haben Sie Recht. Mein Beginn bei der Wilhelmshilfe fiel volkswirtschaftlich gesehen in eine gute und prosperierende Zeit. Vielerorts hat man die Altenhilfe erstmals in die Sozialplanung einbezogen und durch staatliche Subventionen entstand zum Beispiel unser Pflegeheim und die Altenwohnanlage in Süßen mit Multiple-Sklerose-Wohngruppe und Tagespflege. Leider hat sich bereits zu dieser Zeit, und das gilt in verstärktem Maße bis heute, die öffentliche Hand insbesondere um die Baulichkeiten und um die Überwachung unserer Arbeit gekümmert. Der laufende Betrieb und dessen Refinanzierung über die uns zugebilligten Pflegesätze war dagegen schon immer unser Problem als Unternehmensdiakonie.
Wie und mit wie vielen Einrichtungen war die Wilhelmshilfe in Ihren Anfangszeiten im Kreis Göppingen am Start?
In Göppingen an der Hohenstaufenstraße und in Bartenbach wurden stationäre Einrichtungen betrieben. In Ursenwang gab es eine bundesweit als Modell bezeichnete Kurzzeitpflegeeinrichtung und die Sozialstation in Trägerschaft der Wilhelmshilfe.
Und wie sieht es heute aus?
Heute sind wir Träger von sieben stationären Pflegeeinrichtungen, neun Anlagen des sogenannten Betreuten Wohnens, nach wie vor der Sozialstation in Ursenwang, und wir sind als Gesellschafter beim Diakonischen Institut als Träger unserer 1972 gegründeten Altenpflegeschule beteiligt. Zudem betreiben wir ein Dialogcenter, in dem unter anderem Hausnotrufe entgegen genommen und bearbeitet werden.
Beschreiben Sie doch bitte mal in knappen Worten was sich, mit Blick auf den Stauferkreis, beim Thema Pflege insgesamt verändert hat.
Insgesamt hat sich die inhaltliche Arbeit der Altenpflege in hohem Maße gewandelt. Eine Vielzahl betreuerischer und pflegerischer Konzepte wurden bedarfsgerecht entwickelt und laufend fortgeschrieben – denken wir nur an die stetig wachsende Anzahl von Menschen mit Demenz. Ansonsten freue ich mich, dass viele Träger unserem Vorbild gefolgt sind, mit kleinen Einrichtungen zur örtlichen Versorgung in die Fläche zu gehen. Im ländlich geprägten Stauferkreis ist dies sehr wichtig.
Das hört sich nach großen Herausforderungen an. Kann das ein Träger der Altenhilfe, wie es die regional verankerte Wilhelmshilfe einer ist, überhaupt stemmen?
Die aktuellen Herausforderungen für uns als regional verankerte und tarifgebundene Einrichtung der Diakonie liegen in der Umsetzung der Forderungen nach der Landesheimbauverordnung und der, gemäß Pflegestärkungsgesetz, geforderten Umstellung von den bisherigen Pflegestufen auf Pflegegrade ab 2017 sowie der damit einhergehenden Unsicherheit zur Refinanzierung unserer Dienste. Ich anerkenne natürlich, dass sowohl die Landesheimbauverordnung wie auch das Pflegestärkungsgesetz für die Menschen in unserem Land viele Verbesserungen bewirken. Für uns als Dienstleister gibt es aber noch zu viele ungelöste und unbeantwortete Fragen.
Haben Sie sich bei all diesen Veränderungen und Bemühungen durch Politik und Gesellschaft ausreichend unterstützt gefühlt?
Die Politik verkauft verständlicherweise alle Verbesserungen zu Gunsten betreuungs- und pflegebedürftiger alter Menschen als einen großen sozialen Erfolg. Als Träger unserer Einrichtungen und als Arbeitgeber von mehr als 700 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern fühlen wir uns von politischer Seite allerdings wenig unterstützt.
Ohne dass ich Sie jetzt zu weisen Ratschlägen für Ihren Nachfolger nötigen möchte: Was sind die größten Hürden, vor der die Wilhelmshilfe in der nächsten Zeit steht?
Neben den bereits angesprochenen aktuell aufgestellten Hürden, wird für uns in Zukunft die Suche nach Fachpersonal eine große Herausforderung sein. Und die politisch gewünschte, aber praktisch noch nicht umsetzbare Auflösung der Trennung zwischen ambulanter und stationärer Altenhilfe wird neue inhaltliche Konzepte unserer Arbeit erforderlich machen.
Und das alles läuft wirklich ohne einen Herbert Nill ab? Oder werden Sie sich in irgendeiner Weise weiterhin einbringen?
Es werden ohne mich die Lichter bei der Wilhelmshilfe nicht ausgehen. Der kompetent besetzte Vorstand und die vielen engagierten und motivierten Beschäftigten, werden dafür Sorge tragen, da bin ich mir sicher. Inwiefern ich dabei mitwirke, weiß ich heute noch nicht. Mit dem Herzen bin ich jedenfalls immer bei der Wilhelmshilfe.