Der Bundesgerichtshof in Karlsruhe verhandelte am Donnerstag, ob verbotene Abzeichen von Rockerclubs auch verboten bleiben. Auch Innenminister Reinhold Gall (SPD) und Rockerchef Lutz Schelhorn melden sich zu Wort.
Stuttgart/Karlsruhe - Bis auf Weiteres ist diversen Rockergruppen das Tragen ihrer Abzeichen verboten – das hat Innenminister Reinhold Gall (SPD) im Juli 2014 angeordnet. Dass das Verbot für die in verschiedene Ortsgruppen aufgeteilten Organisationen pauschal gelten soll, halten einige Rechtsexperten für unrechtmäßig. Eine Klage zweier Bandidos aus Nordrhein-Westfalen wurde am Donnerstag vor dem Bundesgerichtshof in Karlsruhe mündlich verhandelt. Am 9. Juli fällt das Urteil in der wohl letzten Instanz.
Im Zuge der Verhandlung hat Gall bekräftigt, für wie gefährlich er die Rockergruppen in Baden-Württemberg und für wie wichtig er das Kuttenverbot hält: „Die Rockergruppierungen setzen nicht selten bewusst darauf, mit der Machtsymbolik und Drohkulisse ihrer Farben und Schriftzüge andere Gruppierungen und Unbeteiligte abzuschrecken.“ Schon das Auftreten in großen Gruppen mit ihren Abzeichen könne Außenstehende einschüchtern - auch wenn der Verein selbst nicht verboten ist.
Eine Haltung, die der Stuttgarter Hells-Angels-Präsident, der um mehr Anerkennung für die Rockerkultur wirbt, überhaupt nicht verstehen kann. „Was Herr Gall hier sagt undifferenziert über alle Rocker sagt, ist mir völlig unverständlich“, sagt Schelhorn, „seit wann muss sich denn in Deutschland jemand wegen seines Aussehens rechtfertigen? Zumal er mir persönlich bescheinigte, dass wir Stuttgarter Hells Angels rechtstreue Bürger seien.“ Im März 2013 saßen Gall und Schelhorn gemeinsam bei Sandra Maischberger im TV-Talk auf der Couch. Tatsächlich unterschied Gall damals scharf vom Stuttgarter Hells-Angels-Club und anderen – wie den von ihm 2011 verbotenen Pforzheimern.
Stuttgarter Hells Angels tragen Kutten weiter
Wie Pforzheim und viele andere Rockerclubs wurde auch die Hells-Angels in Hamburg verboten. Das dortige Oberlandesgericht urteilte, dass Hells-Angels-Schriftzüge und die einiger anderer Rockergruppen unabhängig ihres Ortsbezuges ab sofort verboten seien – ein Urteil dem sich alle Bundesländer im vergangenen Jahr angeschlossen haben. Urteile zuvor in ähnlich gelagerten Fällen hatten die Rechtslage jedoch ganz anders bewertet – der Grund, warum die Anwälte der Rocker Chancen sehen, das Kuttenverbot juristisch noch zu kippen.
Sollte das nicht gelingen, könnte es die Stuttgarter Hells Angels teuer zu stehen kommen. Überzeugt davon, im Recht zu sein, tragen sie seit März ihre Kutten trotz des Verbots wieder. Für das Tragen verbotener Abzeichen können empfindliche Geld- und sogar Freiheitsstrafen drohen.
Ursprünglich wollten die Stuttgarter Hells Angels mit der Aktion, sich wieder mit dem geflügelten Totenkopf zu zeigen, einen Präzedenzfall schaffen, der dazu dienen sollte, die Rechtslage zu klären. Der Fall der zwei Bandidos aus Nordrhein-Westfalen durchlief die richterlichen Instanzen bis zum Bundesgerichtshof schneller und ist nun auch für die Zukunft der Symbole der Hells Angels wegweisend.
Unbetroffen vom Prozess ist die als kriminelle Vereinigung ebenfalls von Gall verbotene Streetgang Red Legion. Diese Gruppierung ist anders als die Rocker-Clubs als Organisation verboten – und nicht nur deren Symbole. Die inoffizielle Nachfolgeorganisation der Red Legion, die sogenannten Stuttgarter Kurden, sind laut Polizei seit dem Verbot zahlenmäßig gewachsen.