Stuttgarter Hells Angels präsentieren ihr Protestlogo nach dem Kutten-Verbot Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Seit einem halben Jahr ist dem Rockerclub Hells Angels in Baden-Württemberg das Tragen seiner Abzeichen verboten. Interne Anweisungen zeigen: Die Behörden sind sich der Rechtmäßigkeit des Verbots durch das Innenministerium alles andere als sicher.

Stuttgart - Erst kürzlich sind sie wieder mit 60 Mann aufgelaufen. Die Hells Angels gaben sich ganz als die harten Kerle. Zur Filmpremiere von „Ein Hells Angel unter Brüdern“, einer Stuttgarter Dokumentation über den hiesigen Hells-Angels-Chef Lutz Schelhorn, sind sie ohne ihre Kutten mit dem geflügelten Totenkopf gekommen. Denn seit Juli vergangenen Jahres ist das Symbol der Höllenengel in Baden-Württemberg verboten, wie mittlerweile in allen anderen deutschen Bundesländern auch.

Eine an die Polizei gerichtete Dienstanweisung des Innenministeriums, die den Stuttgarter Nachrichten vorliegt, zeigt jetzt: Die Landesbehörde ziert sich, den angekündigten harten Kurs gegen Rockerkriminalität voll durchzuziehen. In dem Schreiben heißt es: „Von Beschlagnahmungen (der Kutten) ist aus Gründen der Verhältnismäßigkeit und im Hinblick auf die höchstrichterliche Rechtsprechung abzusehen.“ Das heißt: Kein Mitglied der Hells Angels, das verbotenerweise eine Kutte mit den Vereinszeichen trägt, hat mit einer Festnahme oder einer Beschlagnahmung seiner Uniformierung zu rechnen. Was eine schwere Kränkung der Rocker-Ehre darstellen würde.

Foto von der Kutte als Beweis

Das Polizeipräsidium Stuttgart bestätigt, dass die Anweisung des Innenministeriums wortwörtlich befolgt wird: „Unsere Beamten sind angehalten, genau nach diesem Plan zu verfahren“, sagt Thomas Geiger von der Polizeipressestelle. Lediglich Lichtbilder soll die Polizei von kuttentragenden Rockern anfertigen, sollten sie erwischt werden. Die Beweisfotos landen dann auf dem Schreibtisch der Staatsanwaltschaft. „Im Einzelfall“, heißt es weiter, könne zudem eine Identitätsfeststellung erfolgen.

Man braucht keine Kutte, es reicht ein Foto davon: Mit diesem Verfahren möchte die Staatsanwaltschaft einen Präzedenzfall finden, der die umstrittene Rechtslage höchstrichterlich klären soll. Das Prozedere könnte bis zum Europäischen Gerichtshof gehen. Dazu benötigt die Staatsanwaltschaft Dokumente, die ein Rockermitglied in der Öffentlichkeit zeigt, dessen Vereinskutte den „Schriftzug Hells Angels in der Schrift Hessian Regular, den stilisierten Totenkopf mit den Engelsflügeln sowie den Namen eines real existierenden Ortes als Vereinsnamen“ trägt. So heißt es in dem Schreiben des Innenministeriums.

Die Rechtslage beurteilen das Innenministerium und die Generalstaatsanwaltschaften Stuttgart und Karlsruhe immer noch unterschiedlich – auch nach Hintergrundgesprächen, die im September 2014 stattgefunden haben. „Es trifft nicht zu, dass sich die Generalstaatsanwaltschaft Stuttgart der Argumentation des Innenministeriums angeschlossen hat. Die Rechtslage ist aus unserer Sicht nach wie vor unklar“, sagt Oberstaatsanwältin Tomke Beddies.

Hells Angels bleiben vorsichtig

Dagegen gibt sich das Innenministerium optimistisch, dass sich der Kuttenstreit zu Ungunsten der Rocker entscheidet – obwohl die Staatsanwaltschaft Norderstedt in Schleswig-Holstein im November 2014 eine Niederlage hinnehmen musste. Das dortige Amtsgericht gab einem Mitglied der Hells Angels, das trotz Verbots seine Kutte trug, recht, indem es die Klage abgewiesen hatte.

Vergangenen Oktober protestierten die Stuttgarter Hells Angels mit einem verfremdeten Logo auf einem Rockerfest im Leonhardsviertel. „Wir wollen auf die Sinnlosigkeit des Verbots aufmerksam machen und das Pauschalurteil, dass alle Rocker kriminell seien, anprangern“, sagte Lutz Schelhorn damals.

Ob die Hells Angels die juristische Konfrontation mit der Staatsanwaltschaft annehmen und ihre Kutten aus der Kiste holen, ist fraglich. Auch die Höllenengel sind vorsichtig. Kurz nach dem Symbolverbot hatte Schelhorn eigentlich vor, in voller Montur mit Vereinsinsignien ins Polizeipräsidium Stuttgart zu marschieren und sich festnehmen zu lassen. Hätte der Rockerchef sein Vorhaben wahr gemacht, wäre das der Präzedenzfall gewesen. Doch noch bleiben alle in der Deckung. Des Rockers Kutte bleibt bis dahin tabu.