Lutz Schelhorn, Fotograf und Präsident der Stuttgarter Hells Angels, findet, dass in der Öffentlichkeit ein falsches Bild seines Rockerclubs gezeigt wird. Foto: Lichtgut/Piechowski

Der Stuttgarter Hells-Angels-Chef Lutz Schelhorn (55) ist Hauptfigur eines Films. „Ein Hells Angel unter Brüdern“ wurde gestern in Stuttgart gezeigt. Bundesweit wollen allerdings nur zehn Kinos das Werk vorführen. Schelhorn glaubt, das liege an einer „Hetzkampagne“ gegen die Hells Angels.

Stuttgart - Fast 10 000 Facebook-Fans hat die Dokumentation „Ein Hells Angels unter Brüdern“ mit Lutz Schelhorn, dem Stuttgarter Hells-Angels-Chef, in der Hauptrolle. Nichtsdestotrotz läuft die Stuttgarter Produktion aus dem Hause Indi Film Stuttgart bundesweit gerade mal in zehn Kinos. „Ursprünglich hatten wir mit etwa 40 Kinos gerechnet“, sagt Alexander Geisselmann vom Filmverleih Farbfilm. Was stört die deutschen Kinobetreiber an dem Rockerfilm, der am Mittwoch im Stuttgarter Arthaus-Kino Delphi Premiere gefeiert hat?

Schulterzucken bei den sechzig Rockern, die mit ihren Motorrädern in der Tübinger Straße vorgefahren waren und nun im Kinofoyer auf den Filmbeginn warten, sie wollen dazu nichts sagen. Die meisten von ihnen haben den Film schon gesehen. Denn er ist seit knapp einem Jahr im Kasten. „Damals hätte es allerdings wenig Sinn gehabt, an die Kinobetreiber heranzugehen“, sagt Geisselmann. Rachemorde in Frankfurt (Oder) die Festnahme des inoffiziellen Deutschland-Hells-Angels-Chefs Frank Hanebuth aus Hannover in Mallorca, das Verbot der Hells-Angels-Abzeichen in fast allen Bundesländern, Beschuldigungen von Bundesbehörden – der Rockerclub hat in letzter Zeit keine guten Schlagzeilen gemacht.

Sind die Hells Angels nun lediglich Männer mit alternativem Lebensstil oder Kriminelle? Die Einschätzungen sind zweigeteilt. Aber ob die Kinobetreiber den Film deshalb ablehnen, weil sie die Hells Angels für Verbrecher halten und sie nicht ins Schaufenster stellen wollen? Ein Kinobetreiber aus Hannover, der namentlich nicht genannt werden will, sagt auf Anfrage unserer Zeitung, dass die „Rockerproblematik“ in der Tat die Entscheidung, den Film nicht zu zeigen, beeinflusst habe. Die meisten Programmkinos, die vor allem kleinere Produktionen zeigen und zu deren Publikum der Film am besten passt, sagen dagegen, „Ein Hells Angel unter Brüdern“ laufe bei ihnen nicht, weil andere Streifen kommerziell bessere Erfolgsaussichten böten. „Momentan haben wir viele gute Independent-Filme auf dem Markt“, räumt auch Alexander Geisselmann vom Filmverleih ein. So viel mediale Aufmerksamkeit wie die Hells-Angels-Doku dürften allerdings nur wenige deutsche Filme ernten.

Lutz Schelhorn vermutet, das schlechte Bild, das von den Hells Angels in der Öffentlichkeit vermittelt werde, sei der Grund, warum viele Kinos den Film nicht zeigten. Er glaubt, es gebe eine „Hetzkampagne“ gegen die Rocker, die 2010 mit einem 64 Seiten dicken Strategiepapier des Rheinland-pfälzischen Innenministeriums begonnen habe. Darin werde zu einer Null-Toleranz-Politik gegen die Rocker geraten, auch die legalen Aktivitäten der Clubs sollten behindert werden, erzählt Schelhorn. Dieses Papier diene seitdem auch anderen Behörden in Deutschland als Grundlage ihres Verhaltens gegenüber den Hells Angels.

Regisseur Marcel Wehn ist Absolvent der Filmakademie Ludwigsburg und hat Lutz Schelhorn für seinen Film fünf Jahre lang begleitet. Sein Erleben fasst er so zusammen: „Meiner Erfahrung nach ist die Rockerszene sehr differenziert zu betrachten. Klar gebe es schwarze Schafe und bedenkliche Charter, wie man die Ortsgruppen der Rocker nennt.

Aber über einen Kamm scheren will er mit seinem Film die raubeinigen Motorradfahrer nicht. Das gilt insbesondere für Lutz Schelhorn, der Familienvater ist, als Künstler und Fotograf arbeitet. Aber eben auch Sprecher der deutschen Hells Angels und Präsident des Stuttgarter Charter.