Szene aus „Made in Bangladesh“ Foto: Wonge Bergmann

Im Forum am Schlosspark war die neue Choreografie von Helene Waldmann zu erleben: „Made in Bangladesh“ erzählt von Ausbeutungsmechanismen der globalen Marktwirtschaft.

Tuck, Tack, Ballen, Ferse. Tuck, Tack, Ballen, Ferse. Es ist das rhythmische Stampfen der zwölf Tänzer auf der Bühne, das sich mit dem vertikalen Auf und Ab überdimensionaler Nähnadeln auf der Videowand verbindet. Eine Sinfonie monotoner Bewegungen.

Vom Alltag in Bangladesch

Kein Weihrauch, keine Blumen, keine Schellen und Glöckchen, nur Grundschnitt und Farbwahl der Kostüme aus der Werkstatt von Hanif Kaiser und Judith Adam erinnern an den traditionellen Kathak. Erzählt werden auch keine Legenden über Krishna und Vishnu, erzählt wird aus dem harten Alltag der Bangladeshi in Textilfabriken. Einst berühmt für ihre Webkunst, verkam die Textilindustrie des Landes zur Billiglohnmaschinerie mit Preisspiraldrehungen abwärts. Immer schneller, immer hastiger werden die Pirouetten der Tänzer auf der leeren Bühne, synchron in ihrem Tempo zu sich drehenden Garnspulen vom Video.

Kathak als Tanzvorlage

Helena Waldmann, deutsche Tanzregisseurin, bedient sich in ihrer Arbeit „Made in Bangladesh“, bei der Vikram Iyengar co-choreografierte, beim traditionellen Kathak, hat ihn aber komplett entrümpelt und für ihre Produktion nutzbar gemacht. Geblieben sind die typisch schnelle Fußarbeit, die sich als Symbol für Effizienz, Tempo und Optimierung anbot, und die Eleganz der hier reduzierten Armbewegungen. Die Formation wechselt Richtungen und Rhythmen, agiert als Masse, muss fast durchweg auf Individualität verzichten. Bewegung, Sprache, Videokunst (Anna Saup), Lichtdesign (Herbert Cybulski) und die musikalische Komposition von Daniel Dorsch, die mit ihren dominanten Basstönen zum Beschleuniger des Tanzes wird, sind zum Gesamtkunstwerk gefügt.

Was ist politisch korrekt?

So gnadenlos sich das Tempo der Tänzer steigert, so restriktiv Lächeln („wir sind glücklich“) eingefordert wird, so ohne Erbarmen großformatige Fotos Opfer von eingestürzten Produktionsstätten das Publikum zum Aushalten auffordern, so konsequent will über Helena Waldmanns Arbeit nachgedacht werden. 80 Prozent der Arbeiter in den Fabriken sind Frauen; ihr Verdienst ist ein erster Schritt in weibliche Unabhängigkeit. Und dann ist es nur logisch, dass die Tänzerinnen anstelle der heimischen Arbeiterinnen bitten: „Boykottiert nicht unsere Produkte.“ Political Correctness will aus Sicht der Bangladeshi anders gedacht werden – eine Denkart, die dem Verbraucher in Europa eigentlich bekannt vorkommen sollte.

Ausbeutung der Künstler

Im zweiten Teil der einstündigen Tanzregiearbeit wird von der Ausbeutung freier Künstler hierzulande erzählt. Die Kostüme in Grün-,Orange- und Rottönen gegen Outfits in Herbstfarben getauscht, inszeniert die Kompanie nun sogenannte Audissions. Von einem strengen Zuchtmeister angeführt, fordern die Künstler in tänzerischen Posen, die Anleihen am Modern Dance nehmen, ihrem Körper alles ab. In einem Video verausgabt sich eine Primaballerina in klassischer Bühnenrobe. Die europäische Kunst in finanzieller Abhängigkeit von immer mehr auf Sparkurs bedachten öffentlichen und privaten Förderern zu zeigen ist Waldmanns Anliegen.

„Wir sind überall“ – die Aussage ausgebeuteter Künstler und Fabrikarbeiter gilt global. Das hat wohl im Forum in Ludwigsburg nicht jedermann verstanden.