Umstrittener Rollentausch: Helene Fischer hatte eine Rolle im „Tatort“. Die blonde Schlagersängerin gab an der Seite von Til Schweiger eine Kriminelle. Während die einen angetan waren von dem Schauspiel-Versuch, reagierten andere irritiert. Foto: dpa-Zentralbild

Sänger, die auch schauspielern oder Schauspieler, die plötzlich singen? Helene Fischer, Miley Cyrus oder Justin Timberlake gehören zu den Stars, die beide Branchen getestet haben. Jetzt ist es bei Olympiasieger Matthias Steiner soweit.

Berlin - Die Welt ist voller Multitalente, manchmal auch nur mutmaßlicher Multitalente. Matthias Steiner – vor neun Jahren Olympiasieger im Gewichtheben – wandelt sich gerade zum Schlagerstar. Am Freitag (14.4.) erscheint sein Album „Zurückgeliebt“. Bereits am Donnerstag (13.4.) ist er in der ZDF-Show „Willkommen bei Carmen Nebel“ zu sehen. Der frühere Leistungssportler ist nicht der erste, der den Beruf wechselt und plötzlich das Musikgeschäft erobern will.

„So plötzlich mache ich gar nicht Musik“, sagt Steiner selbst dazu. Er sei mit Musik großgeworden, habe Akkordeon und Klavier gelernt. „Ich hab meinen ersten öffentlichen Auftritt in der Tat mit dem Klavier gehabt – und nicht mit der Hantel.“ Musik habe ihn auch all die Jahre im Leistungssport begleitet. Er habe immer gern gesungen und wolle nun zeigen, was er in den vergangenen Jahren erarbeitet habe. „Ich hab in der Zwischenzeit auch Vocalcoaching genommen, weil ich natürlich auch den Anspruch habe, wenn man singt, dann sollte man das auch live gut können.“

Fließende Grenze zwischen Film- und Musikbranche

Hans Schmucker, Sprecher bei den Marktforschern von GfK Entertainment in Baden-Baden, sagt: „Zahlreiche Schauspieler – und hin und wieder auch einige Sportler – haben bereits den Sprung in die Offiziellen Deutschen Charts geschafft.“

Mitunter fließend ist in erster Linie die Grenze zwischen Film- und Musikbranche. Es gebe sehr viele, die beide Bereiche abdeckten, sagt Schmucker. Beliebt seien derzeit etwa Teenie-Stars wie Lina Larissa Strahl („Bibi & Tina“) oder Martina Stoessel („Violetta“).

In der Tat: Bei Schauspielern hat gefühlt inzwischen jeder zweite eine Gesangskarriere laufen: jüngst etwa Matthias Schweighöfer, aber auch Tom Schilling und „Tatort“-Stars wie Ulrich Tukur, Jan Josef Liefers und Axel Prahl. Fernseh-Star Anna Loos ist auch Frontfrau der Rockband Silly. Überragendes Beispiel des Genrewechsels ist im deutschsprachigen Raum wohl Herbert Grönemeyer, der mit dem Film „Das Boot“ bekannt wurde und dann viele Hits landete („Bochum“, „Mensch“).

Sportler werden seltener Musiker

International gibt es unzählige Stars, die sowohl schauspielern als auch singen, darunter etwa Johnny Depp mit der Band Hollywood Vampires. Oft müssen Schauspieler auch einfach in Musikfilmen ihr Talent unter Beweis stellen wie zum Beispiel Emma Stone und Ryan Gosling in „La La Land“, Anne Hathaway und Hugh Jackman in „Les Misérables“ oder Nicole Kidman und Ewan McGregor in „Moulin Rouge“.

Marktforscher Schmucker sagt: „Viele Darsteller haben den Anspruch, sich parallel zu ihren Film- und Fernsehrollen anderweitig kreativ zu entwickeln.“ Manche seien auch erst Musiker gewesen und dann Schauspieler geworden.

„Sportler tauchen dagegen eher seltener in den Offiziellen Deutschen Charts auf“, heißt es von GfK Entertainment. „Ihre musikalischen Erfolge bleiben meist auf einmalige Aktionen beschränkt.“ Schmucker nennt Beispiele wie die Fußballer Franz Beckenbauer, Dante und Lukas Podolski. Eine Ausnahme bilden demnach Schlagerkünstler wie der frühere Skirennläufer Hansi Hinterseer, Ex-Leichtathlet Martin Lauer oder Hans-Jürgen Bäumler, ehemals Eiskunstläufer. Sie hatten „nach ihrer Sportlerlaufbahn eine durchaus ertragreiche Zweitkarriere“.

Ex-Sportler können nicht nur Däumchen drehen

Der Kölner Kommunikationswissenschaftler Thomas Schierl, Herausgeber des Buchs „Prominenz in den Medien. Zur Genese und Verwertung von Prominenten in Sport, Wirtschaft und Kultur“, sagt: „Das ist kein neues Phänomen, dass jemand von einem Betätigungsfeld in ein anderes wechselt – Sportler gab es schon viele, denken Sie nur an Johnny Weissmüller, Arnold Schwarzenegger, Bud Spencer, Dwayne Johnson oder Jason Statham, die zu Filmstars wurden.“ Was sich geändert habe, sei die Vielzahl und der Variantenreichtum. „Es gibt Fälle, wo das nicht ganz so auffällig ist, etwa wenn Sportler in die Medien wechseln, als Experte oder Journalist. Dabei geht es ja oft darum, dass etwas von deren Glanz und Prominenz auf die Sendung oder Übertragung strahlt.“

Schierl, Professor an der Deutschen Sporthochschule Köln, findet das Phänomen gerade bei Sportlern einfach erklärbar: „Die haben nur ein sehr beschränktes Zeitfenster, in dem sie Geld verdienen können.“ Und auch nur in manchen Sportarten könne man wirklich gut verdienen. Doch selbst Top-Sportler und richtig Reiche könnten ab Ende zwanzig oder Anfang dreißig auch nicht ihr restliches Leben nur Däumchen drehen.

Prominenz in Geld umwandeln

Der Prominenzforscher erklärt deshalb: „Sportler bauen Prominenz auf. Prominenz ist ein soziales Kapital, das Aufmerksamkeit produziert. Und Aufmerksamkeit ist ein sehr knappes Gut in unserer Gesellschaft. Und das kann man in Geld umwandeln. Und wenn ich das in meinem eigenen Gebiet nicht mehr kann, kann ich die Prominenz, die ich erst mal per se habe, als Startkapital auch in einen anderen Bereich mitnehmen. Eine Grundaufmerksamkeit ist mir dann erst mal sicher.“

Genau so sieht es auch Matthias Steiner, der seine Prominenz mit Begeisterung investiert: „Ich hab in den letzten Jahren gemerkt, wie viel ich bewegen kann.“ Wenn man eine öffentliche Stimme bekomme, über den Sport, dann auch mit TV-Auftritten und Büchern, dann sei das großartig, diese zu nutzen.