Endlich hat das Phantom ein Gesicht: Versteckte Kamera filmt Serien-Bienendieb auf frischer Tat.

Kirchheim/Teck/Stuttgart - Endlich hat das Phantom ein Gesicht. Seit Jahren verschwinden in der Region Dutzende Bienenvölker spurlos - und seit Ende März sorgt eine neue Serie für Aufregung unter den Imkern. Für sie ist klar: Der Dieb ist ein Fachmann, der gezielt zugreift. Jetzt haben die Imker den Unbekannten zum ersten Mal erwischt - mit einer versteckten Kamera.

Der grauhaarige Mann, etwa 55 bis 60 Jahre alt, gerät offenbar ganz schön ins Schnaufen, als er einen Kasten mit einem Bienenvolk davonschleppt. Im Gesicht ist die Anstrengung zu erkennen, als er die Beute wegschafft und vermutlich in einen Kombi lädt. Tatort ist der Lehrbienenstand auf dem Gelände des Bienenzüchtervereins Kirchheim/Teck. Die Bienen gehören Gerhard Liebig von der Landesanstalt für Bienenkunde an der Universität Hohenheim. Wieder hat es ihn getroffen. Wie schon seit Jahren, besonders nach Wintern mit erhöhten Völkerverlusten. "Die Spuren lassen die Vermutung zu, dass es immer der gleiche Täter ist", sagt der Wissenschaftler.

Bienenvölker im Wert von 1300 Euro

Kaum hatte Liebig am Lehrbienenstand an der Hahnweidstraße den Spechtschutz von den Bienenkästen, der sogenannten Beute, entfernt, schlug der unbekannte Langfinger zu. Nur wenige Stunden später ließ der Täter zwei Bienenvölker mitgehen, mehr als 20.000 Tiere. Über die Jahre verschwanden so mehr als 20 Bienenvölker aus Liebigs Besitz in der Region. Doch Liebig ist beileibe nicht der einzige Betroffene.

2010 - der Winter war hart für die Honigbienen. Die Imker verloren etwa durch den Parasiten Varroamilbe bis zu einem Drittel ihres Bestands. Und was Virus und Milben übrig ließen, gerät nun durch Diebe in Gefahr. Offenbar versorgen sich schwarze Schafe unter den Imkern mit Ersatz. Seit Ende März läuft wieder die ungewöhnliche Diebstahlserie in der Region. "Noch nie ist einer erwischt worden", klagt Ulrich Kinkel, Vorsitzender des Landesverbands Württembergischer Imker.

Die Tatorte der letzten Tage: Im Kreis Böblingen gehört das Gewann Hochberg in Ehningen dazu. Ein Unbekannter ließ zwischen dem 19. und 30. März drei Bienenvölker samt Notstromaggregat mitgehen. Im Gewann Eisengriff in Rutesheim war das mit einer Eisenkette gesicherte Tor eines Gartengrundstücks kein Hindernis: Der oder die Täter entwendeten Bienenvölker im Wert von 1300 Euro.

Foto aus versteckter Kamera als Ermittlungsansatz

Dann verlagerte sich die Serie in den Kreis Ludwigsburg. Im Gewann Wolfsloch in Erdmannhausen verschwanden vor wenigen Tagen zwei Bienenvölker. Am vergangenen Wochenende schlugen die Diebe im Gewann Leimen in Vaihingen/Enz zu. Dort wurden zwei Bienenstöcke im Wert von etwa 900 Euro gestohlen - 60.000 Carnika-Bienen mit je einer Königin.

Offensichtlich herrscht anderswo großer Nachholbedarf. Denn das Jahr hat mit einem großen Bienenvölkersterben begonnen. "Der Winterverlust war so groß wie nie", stellt Imker-Landesvorsitzender Kinkel fest. Was aber nicht an der lang anhaltenden Kälte lag, wie Kinkel betont, sondern an der Varroamilbe. Für Kinkel ist das ein Rätsel: "Eigentlich war das letzte Jahr für eine frühzeitige Behandlung gegen die Milbe ideal", sagt er. Seit 30 Jahren bekämpfen Imker die Milbe vorwiegend mit Ameisensäure - "und vielleicht züchten wir uns eine besonders aggressive und widerstandsfähige Art heran", spekuliert Kinkel. Gleichzeitig scheint das Immunsystem der Bienen zunehmend geschwächt zu sein.

Foto aus versteckter Kamera als Ermittlungsansatz

Freilich sind solche Probleme kein Grund, sich dreist bei anderen Imkern Ersatz zu beschaffen. Im vergangenen Jahr waren es insgesamt 22 Bienenvölker, die in Stuttgart-Zazenhausen, in Leonberg, Gerlingen und Ludwigsburg verschwanden.

Wer ist der Unbekannte? In württembergischen Imkerkreisen ist er nicht bekannt. An den regelmäßigen Fortbildungsveranstaltungen "nimmt oder nahm er nicht teil", sagt Bienenexperte Liebig. Der Vorsitzende der Kirchheimer Bienenzüchter, Simon Hummel, kann über den Verbleib der Bienen nur spekulieren: "Entweder werden die Völker nicht einsehbar in einem Bienenhaus aufgestellt oder in neue Kästen umgesetzt", sagt er. Wenn die gestohlenen Holzbeuten mit einem auffälligen Brandzeichen versehen sind, "werden sie vermutlich verbrannt", so Hummel.

Das Foto aus der versteckten Kamera bietet nun verschiedenen Polizeidienststellen in der Region einen vielversprechenden Ermittlungsansatz. Mit Bienenfleiß dürfte der Dieb zu erwischen sein.